Forschung 10. Mai 2019 Ralph H. Ahrens Lesezeit: ca. 3 Minuten

Kohlenstoffnutzung als Chance für die Chemie

CO2 aus der Atmosphäre für chemische Produkte zu nutzen, könnte Klimaprobleme lösen. Die Katalyse spielt bei den Prozessen eine Schlüsselrolle, sagt Walter Leitner vom Max-Planck-Institut für chemische Energiekonversion.

VDI nachrichten: Was reizt Sie daran, Kohlendioxid (CO2) als Kohlenstoffquelle für die Chemie nutzbar zu machen?

Walter Leitner: Wir haben mit CO2 eine alternative Kohlenstoffquelle, die es ermöglicht, in der Chemie fossile Ressourcen zu ersetzen und gleichzeitig wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Es geht also darum, von fossilen Rohstoffen unabhängig zu werden und so CO2-Emissionen deutlich zu senken.

Foto: Peter Winandy
Walter Leitner
  • ist seit 2017 Direktor am Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion und
  • seit 2002 Professor für Technische Chemie und Petrolchemie an der RWTH Aachen.ber

Sie wollen also gar nicht auf Kohlenstoff verzichten?

Chemie ohne Kohlenstoff? Das ist natürlich unmöglich! Die fossilen Rohstoffe haben über Jahrmillionen die Sonnenenergie und die Syntheseleistung der Natur in Form von Kohlenwasserstoffen gespeichert. Wenn wir es schaffen, mit effizienten Technologien und erneuerbaren Energien alternative Kohlenstoffquellen wie Biomasse oder CO2 in die chemische Wertschöpfungskette einzuspeisen, wären wir einen großen Schritt weiter in Sachen Klimaschutz. Wir sprechen hier von Power-to-X-Technologien, die Gegenstand eines Kopernikus-Projekts (Projekt zur Energiewende, gefördert durch das Bundesforschungsministerium, Anm. d. Red.) sind.

Passen hier Ökonomie und Klimaschutz zusammen?

Das ist kein Widerspruch, im Gegenteil. Es gibt Reaktionen und Prozessketten mit deutlich verbessertem Treibhausgaspotenzial im Vergleich zu petrochemischen Produkten, die gleichzeitig wirtschaftliche Vorteile bieten. Ein Beispiel hierfür ist der Einbau von CO2 in Polymerketten, um wie bei Covestro den Verbrauch an fossilen Ausgangsstoffen zu vermindern. Oder denken Sie an die Synthese von Methanol aus CO2 und „grünem“ Wasserstoff in Island. Dessen Herstellung zahlt sich aufgrund preiswerter Elektrizität ökologisch und ökonomisch schon aus.

Das klingt so einfach. Dabei ist das CO2-Molekül energiearm und reaktionsträge …

Das ist in der Tat eine große Herausforderung. Es braucht Energie, um dem C-Atom im CO2 zu Leibe zu rücken. Viele Reaktionspartner bringen im Prinzip genug Energie mit. Die Aktivierungsbarrieren aber sind oft zu hoch. Wir benötigen daher effiziente Katalysatoren. Die Katalyse ist deshalb eine Schlüsseltechnologie für die CO2-Nutzung!

Es gibt auch biotechnologische Verfahren. Sind diese genauso wichtig?

Hier gibt es viele Synergien zwischen Chemie und Biotechnologie. Besonders spannend wird sein, beide Ansätze entlang von Prozessketten zu kombinieren. Etwa wie im Rheticus-Projekt von Siemens und Evonik, wo elektrokatalytisch aus CO2 und Wasser gewonnenes Synthesegas in einem Fermentationsprozess zu langkettigen Alkoholen umgesetzt wird. Durch geschickte Integration können so energie- und materialintensive Prozessschritte eingespart werden.

Vielleicht lassen sich in Zukunft mit solchen Kombinationen auch Puffersysteme finden, um Schwankungen in der Energie- oder Rohstoffversorgung auszugleichen. Hier ist viel Grundlagenforschung nötig, um wissenschaftliche Erkenntnisse auch in technologischen Innovationen nutzbar zu machen.

Welche Rolle spielt hier Wasserstoff? Für Carbon Capture & Utilisation (CCU) ist viel davon nötig.

Ja, das ist zentral. Es gibt effiziente Techniken, Wasserstoff elektrolytisch aus Wasser herzustellen – aber noch nicht in beliebiger Größe. Die Elektrolyse ist also die zweite Schlüsseltechnologie. Doch auch hier tut sich viel: In der Co-Elektrolyse etwa bilden sich mit Kohlenmonoxid (CO) und Wasserstoff (H2) gleich zwei „Powermoleküle“ elektrolytisch direkt aus CO2 und H2O. Besonders spannend ist natürlich, CO2 so direkt zu Grundchemikalien und höherwertigen Produkten umzusetzen.

Für die Aktivierung des Kohlenstoffs im CO2 soll Wasserstoff, hergestellt mit erneuerbaren Energien, verwendet werden. Braucht es hierfür also die Energiewende?

Beide Konzepte sind miteinander verknüpft. Betrachtungen wie „Wo kann ich möglichst viel CO2 loswerden?“ und „Wohin mit der Elektrizität, wenn das Netz sie nicht benötigt?“ führen oft in die Irre. Die größten Chancen bestehen darin, neue Schnittstellen zwischen Erzeugung und Nutzung von Energie zu schaffen und so intelligente Sektorkopplung zwischen unterschiedlichen Industriezweigen zu ermöglichen.

Wird die Chemieproduktion dann der Energieproduktion folgen – also auch dezentral werden?

Schwer vorherzusagen. Neben der Verfügbarkeit von Energie und Rohstoffen sind auch regulatorische Rahmenbedingungen wichtig. Letztlich braucht es wirtschaftlich tragfähige Modelle, die mit den ökologischen und sozialen Rahmenbedingungen im Einklang stehen. Das muss nicht immer die „economy of scale“ sein, aber wie genau solche Modelle aussehen können, erfordert sicher auch noch Kreativität über die technologische Entwicklung hinaus.

Meinen Sie, CCU ist für die deutsche Chemie die Chance, weiterhin ganz vorne mitzumischen?

Davon bin ich überzeugt. Kaum ein anderes Land hat so gute Voraussetzungen: eine weltweit führende Chemieindustrie, eine hervorragende Forschungslandschaft und eine ausgezeichnete Vernetzung der beiden Bereiche. Diesen Standortvorteil können wir nutzen, um die Zukunft maßgeblich mitzugestalten und so wirtschaftliche Erfolge erzielen zu können. Und: Dies alles ist keine nationale Erfindung. Wir stehen weltweit in einem intensiven Wettbewerb um die langfristig besten Lösungen.

Wie sähe das letztlich aus?

Das ultimative Ziel wäre ein weitgehend geschlossener Kohlenstoffkreislauf, der erneuerbare Kohlenstoffquellen nutzt und durch Primärenergie aus kohlenstofffreien Quellen angetrieben wird.

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