LEBENSMITTELTECHNOLOGIE 09. Jul 2019 Wolfgang Heumer Lesezeit: ca. 3 Minuten

Der kochende Ingenieur

Wer mit einer Arbeit über Mehlschwitze den „Bachelor of Engenieering“ erwirbt, kann als gefragter Ingenieur für Lebensmitteltechnologie in der Nahrungsmittelindustrie Karriere machen.

Im Küchenlabor fühlt sich Moritz Nelius wohl. Der gelernte Koch ist überzeugt: „Lebensmitteltechnologe ist ein Beruf mit Zukunft.“
Foto: Wolfgang Heumer

Der Arbeitsplatz von Moritz Nelius sieht nach allem Möglichen aus, nur nicht nach dem eines Ingenieurs. Einerseits ist es ein Labor mit Feinwaagen, Messbecher und vielen Probenschalen. Zugleich ist der Arbeitsplatz eine haushaltsübliche Küche, die allerdings mit jeweils vier Induktionsherden, Backöfen und Mikrowellen ausgestattet ist.

Mehrmals am Tag arbeitet der 28-Jährige in den benachbarten Produktionshallen mit klassisch Edelstahl blitzenden Maschinen, Mischkesseln, Kühlleitungen und Förderbändern, die im Sekundentakt bunt bedruckte Kartons und Tüten ausspucken. Mit Maschinenöl und Schraubenschlüssel könnte der junge Technikexperte hier jedoch nichts werden, eher schon mit Olivenöl und Kochlöffel. Moritz Nelius ist Ingenieur für Lebensmitteltechnologie. „Das ist ein Beruf mit Zukunft“, ist der Wahl-Bremerhavener überzeugt: „Spätestens drei Monate nach dem Studium hat man einen Job.“ Und dass nicht nur in der Nahrungsmittelindustrie: „Gute Einstiegsmöglichkeiten gibt es auch in der Pharma- oder Chemieindustrie.“

Für Moritz Nelius stehen Nahrungsmittel beruflich klar im Vordergrund. Der gebürtige Koblenzer ist gelernter und überzeugter Koch. „Man sieht, was man tut. Und bekommt unmittelbar ein Feedback vom Gast, ob man gut war.“

Diese Überzeugung überwog für ihn nach dem Abitur sogar den Nachteil, dass Köche viele Stunden und zu ungünstigen Zeiten arbeiten müssen. Nach der Ausbildung wollte Nelius mehr und entschied sich für das Studium der Lebensmitteltechnologie an der Hochschule Bremerhaven. Als einst größter Fischereihafen Europas gilt die Stadt an der Wesermündung als eine der Zentren der deutschen Lebensmittelindustrie; rund 4000 Personen produzieren hier mehr als 70 000 t Fischstäbchen pro Jahr, jede Menge Feinkostprodukte und etliche 1000 t Tiefkühlfertiggerichte. Bundesweit erwirtschaftet die Branche in 5800 Betrieben mit fast 570 000 Beschäftigte rund 170 Mrd. € Jahresumsatz und ist damit nach Automobilbau und Chemie die drittgrößte Industrie in Deutschland.

Ohne Ingenieure läuft in der industrialisierten Herstellung von Lebensmitteln nichts mehr. Von der Entwicklung erster Ideen bis zur Verpackung des fertigen Nahrungsmittels und der stetigen Qualitätskontrolle begleiten Technologen den gesamten Produktionsprozess. „Verfahrenstechnik, Produktionstechnologie, Lebensmittelchemie und -analytik sowie Mikrobiologie zählen sowohl zu den Schwerpunktthemen im Studium als auch bei der späteren Arbeit“, weiß Moritz Nelius.

Technische Hilfsmittel sind in der Massenfertigung weit verbreitet. So wird Flüssigkeiten häufig während der Produktion Betonit zugesetzt, um Trübstoffe, Eiweiße oder bestimmte Schadstoffe zu entfernen – ohne dass der Verbraucher am Ende auf der Verpackung liest, dass für die Herstellung seines Lieblingsfruchtsaftes außer Obst und Wasser auch Tonmineral eingesetzt wird, das auch in Katzenklos Verwendung findet.

Während des Studiums hat Moritz Nelius all diese technischen und chemischen Tricks gelernt, aber in der Praxis anwenden will er sie nicht mehr. Denn der 28-Jährige arbeitet in der Produktentwicklung beim führenden Hersteller von Tiefkühl-fertiggerichten, der als einziges Industrieunternehmen der Branche komplett auf Zusatzstoffe verzichtet. „Deshalb schauen wir sehr genau hin, um nicht doch irgendein verstecktes Mittel unbemerkt in den Rohwaren zu haben“, sagt Nelius. „Haushaltsübliches Salz ist bei uns tabu, denn es enthält Trennmittel. Stattdessen mahlen wir Steinsalz für jedes Produkt frisch.“

In der Produktentwicklung schwingt Nelius den Kochlöffel an den Herden der Versuchsküche; im Labor hält er penibel fest, welche Zutat in welcher Menge und zu welcher Zeit hinzugefügt wird. „Das müssen wir anschließend auf die in der Produktion erforderlichen Mengen hochrechnen.“ Die Herausforderung steckt darin, dass das tiefgefrorene Produkt später vom Verbraucher binnen weniger Minuten am Herd oder in der Mikrowelle erhitzt werden kann und so aussieht, wie frisch in der Versuchsküche zubereitet. „Da sind viele Kleinigkeiten wichtig: Wie bringe ich in der Produktion die Soße auf, welchen Gargrad müssen die einzelnen Zutaten erreicht haben und so weiter.“

Seine Bachelorarbeit war das Ticket in den Job: Nelius beschäftigte sich mit der Frage, wie Mehlschwitze im industriellen Maßstab und ohne stabilisierende Zusatzstoffe hergestellt werden kann. „Es ist eine Herausforderung, klassische Küchentechniken mit hohem handwerklichen Anteil durch Maschinen zu ersetzen und in den industriellen Maßstab umzusetzen.“ Wie es ihm gelungen ist, bleibt sein Geheimnis.

Für solche Entwicklungen „zahlt es sich aus, dass ich gelernter Koch bin“, sagt Nelius. Für andere Herausforderungen habe es sich bewährt, einen guten Draht zu den Beschäftigten in der Produktion zu pflegen. Denn in der Lebensmittelindustrie steckt der Teufel im Detail. Etwa beim Einfrieren von Spinat. „Jede einzelne Charge verhält sich anders. Die eine enthält mehr Wasser, die andere weniger; mal sind die Blätter kleiner, dann wieder größer. Der Reifegrad kann unterschiedlich sein.“

Als Lebensmitteltechnologe wäre es Moritz Nelius ohne Weiteres möglich, die Qualität im Labor zu bestimmen. Als praktisch handelnder Ingenieur verlässt er sich auf Praktiker: „Die Experten an den Maschinen erkennen auf einen Blick, welchen Spinat sie wie behandeln müssen.“

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