Zukunftswelt Medizin 25.11.2011, 12:04 Uhr

Herzschrittmacher mit eigener Energieversorgung

In Deutschland wird jährlich 70 000 Menschen ein Herzschrittmacher implantiert. Doch nach acht bis neun Jahren muss die Batterie in der Regel ersetzt werden. Eine eigenständige Energieversorgung für medizinische Implantate könnte Abhilfe schaffen. Mit Glukose als Brennstoff.

Es blubbert und brodelt. Es gluckst und rauscht. In dem Labor, das Sven Kerzenmacher am Institut für Mikrosystemtechnik (Imtek) der Universität Freiburg leitet, stehen große Glaskolben mit einer sterilen Glukoselösung. Durch die Lösung strömt Luft. Der Glukose- und Sauerstoffgehalt der Flüssigkeit ist so dosiert, dass er der Konzentration im Körpergewebe entspricht. Aus den Glaskolben ragen Kabel. Sie verbinden kleine Plastikgehäuse, die in der Lösung hängen und etwa halb so groß sind wie eine Zigarettenschachtel, mit einer Messelektronik.

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„Wir wollen aus der Glukose und dem Sauerstoff im Körpergewebe mit einer Brennstoffzelle Strom erzeugen“, so Kerzenmacher. „Künftig“, erläutert der 35-jährige Verfahrens- und Umwelt-Ingenieur die hochgesteckten Ziele, „sollen mit einem solchen Kraftwerk im Körper Implantate wie Herzschrittmacher betrieben werden.“

Herzschrittmacher mit Energie aus Glukose

Strom im Körper auf elegante Weise erzeugen, ohne Batterie, ohne komplexe Mechanik, allein durch die chemische Kraft, die das Gewebe birgt: Zwei Elektroden, Glukose und Sauerstoff – mehr braucht es nicht, um einen Herzschrittmacher mit Strom zu versorgen.

Durch eine chemische Reaktion wandern energiereiche Elektronen von der Glukose in der Lösung über die Platinelektrode zum Herzschrittmacher und treiben ihn mit ihrer Energie an. Anschließend verbinden sich die Ladungsträger an der zweiten Elektrode mit Sauerstoff und Protonen aus der Lösung zu Wasser (siehe Kasten).

Glukose und Sauerstoff sind in der Körperflüssigkeit mehr als ausreichend vorhanden. Eine simple, saubere Lösung, wie Kerzenmacher sie liebt.

Auf einem Areal nahe dem Freiburger Flughafen wurde vor wenigen Jahren eine moderne Infrastruktur geschaffen, die heute das Imtek beheimatet. In den vier schwarzen Gebäudeblöcken finden sich Labore, Büros und Konferenzsäle.

Im Labor von Sven Kerzenmacher surrt die Lüftung. Inkubatoren halten seine Brennstoffzellen auf Körpertemperatur. Jeden Tag versucht der junge Wissenschaftler im weißen Kittel mit Brille und Pferdeschwanz, sie noch zu optimieren.

Die Idee einer autarken Energieversorgung medizinischer Implantate ist keineswegs neu. Nachdem Ende der 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts die ersten Herzschrittmacher verpflanzt worden waren, wurde Medizinern und Ingenieuren schnell klar, dass die Energieaufnahme des Taktgebers einen begrenzenden Faktor für die Technologie darstellt.

Anfänglich mussten die Schrittmacher regelmäßig von außen aufgeladen oder innerhalb von kaum zwei Jahren ausgetauscht werden. Um dieses Problems Herr zu werden, wurde sogar Plutonium in Herzschrittmachern verbaut. Sein radioaktiver Zerfall lieferte dauerhaft und zuverlässig Energie für die Erzeugung von Strom. Einige Plutonium-Implantate sollen noch heute in Betrieb sein.

Doch wer möchte schon mit strahlendem Material im Körper herumlaufen?

Deshalb rückten Brennstoffzellen schnell ins Visier der Forscher. „Siemens hat in den Siebzigern bereits erste Versuche an Tieren gemacht und gezeigt, dass eine solche Glukosebrennstoffzelle fünf Monate funktioniert und genug Energie erzeugt, um einen Herzschrittmacher anzutreiben. Ohne dass es dem Tier schlecht geht. Ohne dass es dem Implantat schlecht geht“, sagt Sven Kerzenmacher.

Heutige Herzschrittmacher funktionieren acht bis neun Jahre mit derselben Batterie

Die Forschung an implantierbaren Glukose-Brennstoffzellen wurde in diesen Jahren jedoch allmählich eingestellt, weil die Batterien für die Implantate eine akzeptable Qualität erreicht hatten. Bald schon aber zeigte sich, dass immer mehr Herzschrittmacher-Patienten ihre Implantate überlebten. Nach acht bis neun Jahren müssen deshalb die Batterien der Geräte ersetzt werden – ein operativer Eingriff, der aus Kerzenmachers Sicht vermeidbar sein sollte. Also nahm er die Forschung an der implantierbaren Glukosebrennstoffzelle wieder auf.

Der Umweltingenieur Kerzenmacher versuchte in seiner 2005 begonnenen Promotion zunächst, den Stand der Forschung aus den 70er-Jahren aufzuarbeiten, was sich als schwierig erwies. „Aufzeichnungen forschender Unternehmen zu erhalten, ist nicht gerade leicht“, so seine Erfahrung. Entweder wurden die Experimente aus Gründen des Patentschutzes nicht sehr ausführlich dokumentiert oder Kerzenmacher kam erst gar nicht an die Dokumente heran: Firmengeheimnis.

Doch auch diese Hürden scheute der der Wissenschaftler nicht.

Heute steht nicht allein der Herzschrittmacher im Fokus der Freiburger Forscher. Weitere Implantate, die ebenfalls Strom verbrauchen, sind ins Interesse der Medizintechnik gerückt. Ein Cochlea-Implantat beispielsweise kann, eingebaut in die Hörschnecke, den Hörnerv durch elektrische Signale stimulieren. So können gehörlose Menschen mit intaktem Hörnerv und etwas Glück wieder hören. In der Regel wird es schon Kindern eingesetzt, das heißt, wer auf ein solches Implantat angewiesen ist, ist es üblicherweise ein ganzes Leben lang.

Bisher müssen Cochlea-Patienten eine externe Batterie am Kopf tragen. „Wenn man es schaffen könnte, für das Cochlea-Implantat die Energie im Körper zur Verfügung zu stellen, wäre das ein Riesengewinn für die Patienten“, sagt Kerzenmacher.

Im Labor sind die Forscher schon jetzt ganz nah dran, aus der dem Körpergewebe nachempfundenen Lösung genügend Energie für einen Herzschrittmacher zu ziehen. Die Messelektronik zeigt: Die 1 cm2 großen Elektrodenoberflächen liefern 5 µW elektrische Leistung. Der Taktgeber fürs Herz benötigt lediglich 10 µW: „Wenn wir die Brennstoffzelle ein bisschen größer machen, haben wir genug elektrische Leistung für einen Herzschrittmacher“, erklärt Kerzenmacher.

Ziel der Forscher ist es, den Herzschrittmacher direkt mit Elektrodenmaterial zu beschichten. Eine energieliefernde Oberfläche – dann wäre nicht mal eine separate Brennstoffzelle für die Versorgung des Taktgebers mit Strom nötig. Eine clevere Lösung des Problems, ganz nach Kerzenmachers Geschmack.

In seiner Freizeit radelt der junge Ingenieur mit dem Mountainbike über die Schwarzwaldhänge um Freiburg oder segelt auf dem nahen Schluchsee. Der Tüftler ist umweltbewusst und liebt die Natur: aus eigener Kraft hinauf, mithilfe der Gravitation wieder hinunter ins Tal. Und beim Segeln die natürlichen Kräfte des Windes mit Intelligenz und Geschick in Zaum halten und steuern – da ist es kein Zufall, dass Kerzenmacher die Idee einer Brennstoffzelle fasziniert, die ihre Energie aus natürlichen Ressourcen des menschlichen Körpers erhält.

Herzschrittmacher der Zukunft gewinnt seine Energie aus einer Glukose-Brennstoffzelle

Noch spielt sich die Energiegewinnung aus Glukose in einer Brennstoffzelle nur im Labor ab. Doch einer französischen Forschergruppe um Serge Cosnier vom Centre National de la Recherche Scientific an der Université Joseph Fourier in Grenoble ist es bereits gelungen, eine Brennstoffzelle in eine Ratte zu implantieren.

Elf Tage lang trug das Tier das Implantat. Die Zelle erzeugte dabei eine konstante Leistung von etwa 2 µW. Dabei zeigte die Ratte keinerlei Entzündungen oder sonstige Abstoßungsreaktionen. „Nach den elf Tagen“, so Cosnier, „mussten wir den Versuch abbrechen. Die Ratten zerbissen die Kabel zur Messtechnik.“

Die Franzosen gehen noch einen Schritt weiter – ihnen schwebt als Fernziel der Betrieb künstlicher Organe, wie Nieren oder Leber vor. Sie denken auch daran, eine Pumpe zum Wasserlassen zu entwickeln, die mit Glukose läuft. Eine solche Pumpe könnte Patienten das Leben erleichtern, denen die Prostata entnommen wurde.

Erst einmal aber müssen diese Brennstoffzellen in Langzeit-Tierversuchen dauerhaft ihre Leistung unter Beweis stellen.

So wartet auf das Team um Sven Kerzenmacher auch noch einige Arbeit, bevor die Freiburger Entwicklung ihren Dienst als Kraftwerk im menschlichen Körper verrichten wird. Seine größte Herausforderung: „Wie schaffen wir es, die Brennstoffzelle von der einfachen Glukoselösung in die Körperflüssigkeit zu bringen?“

Aminosäuren setzen der Zelle nach der Implantation im Körper zu. Sie lagern sich auf den Elektroden ab und verringern so die Fläche, an der die Glukose ihre Elektronen abgeben kann. Der Strom wird schwächer und damit auch die elektrische Leistung des Apparats. Im Ernstfall kann das den Tod bedeuten.

Das Gleiche gilt bei einer Verkapselung des Implantats. Bewächst Gewebe den implantierten Fremdkörper, dann verringert das womöglich die Konzentration von Sauerstoff und Glukose in der Umgebung der Elektroden.

Sven Kerzenmacher kannte niemanden, der einen Herzschrittmacher trägt. Doch an seinem Stand auf dem Freiburger Wissenschaftsmarkt im Sommer dieses Jahres, auf dem die Universität und forschende Unternehmen aus der Region ihre Entwicklungen präsentierten, sprach er mit Menschen, die mit dem Implantat leben oder denen Schrittmacher-Patienten nahestehen. Sie wollten wissen: Wann wird es die Brennstoffzelle in den Körper eines Menschen schaffen? Kann man sich die Technologie dann überhaupt leisten?

Noch gut zehn Jahre wird es dauern, schätzt Kerzenmacher, bis eine Glukose-Brennstoffzelle auf den Markt kommt: „Die Herstellungskosten, wie wir sie jetzt hier im Labor haben, liegen bei zirka 200 €. Das ist fast vernachlässigbar im Vergleich zu dem Preis einer Operation. Der liegt im Bereich von mehreren Tausend Euro. Und die Unannehmlichkeiten, auch das vermeidbare Risiko jeder Operation sind mit Geld gar nicht aufzuwiegen.“ 

Ein Beitrag von:

  • Philipp Hummel

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