KLIMATECHNIK 11. Jan 2018 Fabian Kurmann Lesezeit: ca. 4 Minuten

Kühlen mit dem Weltraum

Was Optik-Forscher in den letzen Jahren entwickelt haben, könnte das Konzept der Strahlungsrückkühlung wiederbeleben. In den USA wurden erste Feldtests bereits erfolgreich absolviert.

Feldtest: Die Paneele sind nur für bestimmte Wellenlängen durchlässig und kühlen, indem sie Wärme in einem bestimmten Spektralbereich in den Weltraum schicken.
Foto: Skycool Systems

Die meisten Wärmetransportsysteme nutzen die Umgebung auf der Erde als Wärmesenke, um Gebäude zu kühlen. Eine weniger bekannte Methode ist das Kühlen mit dem Weltraum.

Strahlungsrückkühlung

Zwei Effekte sorgen für „Kühlung“: primär, dass im Bereich von 7 µm bis 14 µm Wärmestrahlung ins All geschickt wird, sekundär, dass Sonnenlicht reflektiert wird und das Gebäude so kühler bleibt.

Aktuell entwickeln zwei Start-ups aus den USA an Produkten für die Strahlungsrückkühlung. Radi-Cool, gegründet von Forschern der Colorado University, und Skycool, gegründet von Forschern der Stanford University.kur

Dabei wird Wärme in Form von Strahlung durch die Atmosphäre ins All geschickt. „Den Effekt kennt man auch hierzulande“, sagt Hans Jürgen Schmitz, Professor für technische Gebäudeausrüstung und Gebäudetechnik an der Frankfurt University of Applied Sciences. Wenn das Auto nachts unter freiem Himmel stehe, könne die Frontscheibe vereisen, auch wenn die Lufttemperaturen über dem Gefrierpunkt lägen. „Die Scheibe tauscht ihre Temperatur mit dem kalten Nachthimmel aus. Das ist das Prinzip dieser Strahlungskühlung.“

Aus thermodynamischer Sicht ist der Ansatz interessant, denn die Effizienz eines Wärmetransports steigt, je größer der Temperaturunterschied zwischen der Wärmequelle, also dem Gebäude, und der Wärmesenke ist. An warmen Tagen ist der Weltraum mit etwa 3 K eine deutlich kältere und damit bessere Wärmesenke als die Außenluft der Erde mit um die 300 K oder rund 27 °C.

Damit diese Art der Kühlung funktioniert, ist allerdings Wärmestrahlung in einem bestimmten Wellenlängenbereich notwendig, denn die Atmosphäre ist nur in einem kleinen Spektrum für Infrarotstrahlung durchlässig, so dass diese ins All entweichen kann. „Das 8-µ-bis-13-µ- oder manchmal auch 7-µ-bis-14-µ-Fenster wird beispielsweise von Wärmebildsatelliten oder Flugzeugen für Infrarotaufnahmen verwendet. Dort nutzt man den Effekt quasi auf der anderen Seite der Atmosphäre“, erklärt Aaswath Raman, Physiker an der Stanford University in Kalifornien.

Ein selektiver Emitter, bestehend aus dünnen Schichten aus Siliziumnitrid (70 nm), Silizium (150 nm) und Aluminium (150 nm), emittiert Wärmestrahlung hauptsächlich in diesem Spektrum, wenn er erwärmt wird.

Zusammen mit dem Maschinenbauingenieur Eli Goldstein und Shanhui Fan, einem Professor für Elektrotechnik, gründete Raman 2012 das Start-up Skycool, das bereits erste Feldtests mit Strahlungs-Rückkühlpaneelen absolviert hat. Die Paneele befinden sich im Kühlkreislauf dabei auf der Verflüssigerseite, dort, wo das Kühlmittel höheren Druck und höhere Temperatur hat. Es durchläuft die Paneele und gibt so Wärme an die selektiven Emitter ab, die dann wiederum die Wärme ins All schicken. Die Besonderheit an der Entwicklung von Skycool ist, dass die Paneele auch tagsüber mehr Wärme abgeben können, als sie von der Atmosphäre und der Sonne aufnehmen.

Lange hatte die Technologie zwei große Haken: Die Kühlung funktionierte bis vor wenigen Jahren nur bei klarem Nachthimmel. Tagsüber erwärmten sich die meisten Materialien durch die Sonne so stark, dass der Kühleffekt aufgehoben wurde. Der zweite Nachteil ist, dass eine dicke Wolkendecke den Effekt fast vollständig eliminieren kann. „Die Effizienz der Technologie ist stark klimaabhängig und vor allem dort interessant, wo der Himmel meistens klar und die Luft relativ warm ist, etwa in Spanien“, sagt Schmitz. Träfen diese Bedingungen allerdings zu, könnten laut dem Gebäudetechnikexperten Strahlungskühler sogar effizienter sein als Luftkühler.

Während die Bewölkung weiterhin ein limitieren der Faktor bleibt, haben Start-ups eine Lösung für den Betrieb bei Sonneneinstrahlung gefunden. „Der Durchbruch war, Materialien und Beschichtungen zu entwickeln, die das Sonnenlicht stark reflektieren, statt es zu absorbieren, und die gleichzeitig durchlässig sind für den Bereich von Wärmestrahlung, für den auch die Atmosphäre durchlässig ist“, sagt Skycool-Mitgründer Raman. Die Paneele, die sein Team entwickelt, funktionieren also auch als teildurchlässiger Hightechspiegel.

Das Konzept der Strahlungsrückkühlung auf der Anlagenseite wurde schon vor langer Zeit entwickelt. Seit den 1970er-Jahren dümpelte es aber vor sich hin und ist bisher weder kommerziell noch in der Forschung durchgestartet. „Viele Wissenschaftler kannten die Technologie überhaupt nicht“, erinnert sich Raman an die Anfänge von Skycool. Es existierten zwar einige theoretische Veröffentlichungen, aber die Forschung auf dem Gebiet war schon lange abgeebbt. „Die Leute vom US-Energieministerium etwa hatten noch nie etwas davon gehört, als wir ihnen unsere Idee vorstellten“, sagt Raman.

Auch heute verstehe kaum jemand im Detail, wie dieser Kühleffekt funktioniere, welche Möglichkeiten er biete und wie man all das modellieren könne, sagt der Physiker. „All diese Dinge mussten wir von Grund auf entdecken und entwickeln. Wir konnten hier viele Aspekte verknüpfen und so auch tagsüber kühlen. “ Anwendungen sehen die Gründer neben der Kühlung von Bürogebäuden auch im Betrieb von Rechenzentren, Kühltheken oder Photovoltaikpaneelen.

In Laborexperimenten wies Raman Temperaturdifferenzen von bis zu 43 °C gegenüber der Umgebungstemperatur nach. „Für eine Temperaturdifferenz von 40 °C bis 50 °C zur Umgebungstemperatur muss man extrem gut isolieren“, erklärt er, neben der Sonne wärme auch die Umgebungsluft das System. Damals habe er mit einem Vakuumsystem isoliert, um die Grenzen auszuloten. Für den Einsatz im Alltag sei das zu teuer, weiß der Gründer. „Für ein bezahlbares Produkt sind 10 °C bis 20 °C eine realistische Bandbreite.“

Die Strahlungskühlung ist dort am sinnvollsten, wo Photovoltaik sich nicht lohnt, etwa auf verschatteten oder nach Norden gerichteten Dächern. Dabei soll sie die bestehenden Kühlsysteme nicht unbedingt ersetzen. Das Skycool-Team arbeite an einer Lösung, um die Technologie in bestehende Kühlsysteme zu integrieren und so relativ schnell Stromkosten zu sparen.

„Bei einem Versuch, bei dem wir etwa die Hälfte der Dachfläche eines mittelgroßen Bürogebäudes mit Paneelen bestückt haben, konnten wir durch den Einsatz auf der Verflüssigerseite etwa 20 % an Strom für die Kühlung einsparen“, sagt Mitgründer Goldstein. Dabei wurden die Paneele im Kreislauf hinter der bestehenden Luftkühlung angeschlossen, um die Temperatur des Kühlmittels zusätzlich passiv zu senken und so die Effizienz des Kühlsystems zu steigern. Insgesamt hat die Nachrüstung mit den Kühlungspaneelen laut Skycool bei dem zweistöckigen Bürogebäude den Stromverbrauch über den Sommer um 14,3 MWh reduziert.

Das Pilotprojekt stand allerdings in Las Vegas, wo im Schnitt an 310 Tagen im Jahr die Sonne schein. „Dort funktioniert die Technologie wegen des klaren Himmels natürlich besser als im Regenwald“, sagt Maschinenbauer Goldstein.

Auch europäische Unternehmen sehen laut Goldstein Potenzial für die Technologie, da die Strompreise in Europa höher sind als in den USA. „Investitionen würden sich dort schneller rechnen“, sagt er. Gegen einen Einsatz hierzulande spricht aber die Wetterabhängigkeit. „In Deutschland sehe ich daher für solche Systeme nur dann ein Markpotenzial, wenn diese sehr günstig angeboten werden können, um mit Luftkühlsystemen – passiv per Nachtlüftung und aktiv über klassische Rückkühler – konkurrieren zu können“, sagt Gebäudetechnikexperte Schmitz.

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