AUTOMOBILELEKTRONIK 24. Jun 2019 Notker Blechner Lesezeit: ca. 3 Minuten

Virtuelle Revolution auf der Windschutzscheibe

Mit Head-up-Displays haben Autofahrer wichtige Informationen im Visier, ohne den Blick von der Straße zu nehmen. Nun naht die nächste Generation, in der die reale und virtuelle Welt miteinander verschmelzen. Symbole auf der Windschutzscheibe ergänzen das Straßenbild und geben Abbiegehinweise. Conti enthüllte jüngst die neue AR-HUD-Generation, Jaguar präsentierte den „Virtual Windscreen“ und BMW will seine augmentierte Vision zeigen.

Mehr Sicherheit am Lenkrad – das versprechen sich Protagonisten der Head-up-Displays von der Technik, die virtuelle Hinweise ins Blickfeld des Fahrers projiziert.
Foto: Continental

Der Kampf ums Cockpit geht in die nächste Runde: Hersteller und Zulieferer basteln an neuen Head-up-Displays (HUD) mit Assistenzsystemen, die das Fahren noch entspannter und den Straßenverkehr sicherer machen sollen. Bald könnten bunte Symbole wie Sicheln, Fischgräten und rote Katzenaugen auf der Windschutzscheibe aufflimmern und das Straßenbild ergänzen. Entwickelt haben diese virtuellen Bedienhilfen Ingenieure von Conti.

Der Zulieferer will elf Jahre nach den ersten eingesetzten farbigen Frontscheiben-HUD bei BMW die nächste Revolution zünden: die Einführung der Augmented Reality Head-up-Displays, kurz AR-HUD. Erstmals sollen virtuelle Elemente die Displays erobern. „Mit der Augmentierung sehen wir uns bei der HUD-Technologie erneut in einer Pionierrolle“, verkündete stolz Eelco Spoelder, Leiter des Geschäftsbereichs Instrumentation & Driver HMI, bei der Weltpremiere.

Mithilfe der Digital-Micromirror-Device-Technologie (DMD), die aus der Kinotechnik kommt, möchte Conti zu einem weiteren HUD-Sprung ansetzen. Als Basis der neuen Generation hat der Zulieferer im hessischen Babenhausen einen AR-Projektor entwickelt, der ein virtuelles Bild auf die Windschutzscheibe projiziert. „Bei der Augmentierung verbinden wir das, was die Augen des Fahrers sehen, mit erklärenden Hinweisen“, betont Helmut Matschi, Leiter der Division Interior von Conti.

In einem AR-HUD-Demonstrationsfahrzeug zeigt Conti den Spurassistenten, den Abstandsregler und die Navigation als mögliche Anwendungen. „Erkennt eines der Fahrerassistenzsysteme eine relevante Situation, so machen virtuelle grafische Hinweise im AR-HUD den Fahrer darauf aufmerksam“, erklärt Conti-HUD-Experte Pablo Richter .

Als Navigation geben die „Fischgräten“ – winkelförmige Pfeilspitzen – Abbiegehinweise und weisen den richtigen Weg. Die Katzenaugen flackern auf, wenn der Autofahrer die Spur zu verlassen droht. Und eine orangefarbene Sichel markiert als Abstandsregler das vorausfahrende Fahrzeug. Doch bis die neue Generation der augmentierten HUD in die Autos kommt, werden noch einige Jahre vergehen. Die Conti-Ingenieure rechnen mit der Serienreife erst 2017.

Unter den Autobauern ist bisher Jaguar am weitesten in Sachen augmentierter Realität an der Windschutzscheibe vorgeprescht. Der Premiumhersteller zeigte im Herbst 2014 den „Virtual Windscreen“, der die gesamte Windschutzscheibe als Display nutzt. Dort werden Navigationshinweise, Geschwindigkeit und Gefahrenpunkte eingeblendet. Scheinbar vor das Auto gelegte virtuelle Linien markieren die Ideallinie auf der Fahrbahn. Zudem reduzieren 3-D-Instrumente und eine spezielle Form der Gestensteuerung das Betätigen von Knöpfen.

Zum Erfassen einer Information reiche ein einziger Blick auf das Display, sagt Wolfgang Epple, Direktor Forschung und Entwicklung von Jaguar Land Rover. „Virtuelle Bilder, die dem Fahrer ein genaues Urteil über seine Geschwindigkeit und den Sicherheitsabstand ermöglichen, werden ihm in schwierigen Situationen Entscheidungen erleichtern und so das Autofahren sicherer machen.“

Noch ist die virtuelle Windschutzscheibe als AR-HUD-Variante ein reines Forschungsthema. In den nächsten zehn Jahren könnte der „Virtual Windscreen“ serienreif sein, heißt es bei Jaguar. Aktuell arbeite man mit mehreren Zulieferern an der Umsetzung. Noch sei die zu große Hardware das Problem, meinte ein Sprecher gegenüber den VDI nachrichten.

Volvo hat auf dem Genfer Autosalon ein modernes Head-up-Display mit Spurhalteassistent, Geschwindigkeitsalarm und Navigation im neuen XC90 demonstriert, in dem sicherheitsrelevante Hinweise, etwa Kollisionswarnungen auf Basis von Sensordaten, per virtuellem Warndreieck visualisiert werden. „Für uns ist das ein großer Schritt in Richtung HUD“, sagte Petter Horling, Manager für digitale Anwendungen. An Varianten der augmentierten Realität denken die Schweden vorerst noch nicht. Das sei allein wegen der benötigten Fläche sehr kompliziert.

Die deutschen Autobauer verfolgen die Entwicklung mit Interesse. „Jeder Hersteller diskutiert zurzeit über AR“, sagt ein deutscher Automanager. Der BMW-Konzern, der als erster europäischer Hersteller 2003 beim 5er und 6er ein Head-up-Display in Großserie einsetzte, will auch beim AR-HUD Maßstäbe setzen. Wie die VDI nachrichten erfuhren, planen die Münchner, bis Mitte 2015 ihre Vision der virtuellen Realität zu zeigen. Möglich, dass BMW dabei ganz neue Wege geht.

Auch bei Mercedes beschäftigten sich die Entwickler intensiv mit der Augmented Reality im Auto-Cockpit. „Einige Beispiele wie Nightview oder die 360°-Rundsicht haben wir bereits in unseren Fahrzeugen“, sagte Ralf Lamberti, Leiter User Interaction & Connected Car, in Genf. „In den nächsten Fahrzeuggenerationen werden wir sicher noch mehr im Bereich der augmentierten Realität zeigen.“ Das Head-up-Display sei aber ein kleines Feld. Wenn darauf mehr angezeigt werden soll, benötige man mehr Bauraum.

Die HUD-Experten der deutschen Autohersteller sehen noch einen langen Weg bis zur Einführung der Technik. „Wir gehen davon aus, dass es mindestens noch eine Fahrzeuggeneration dauert, bis AR in den Autos zur Verfügung steht“, sagt ein Manager. Zunächst müssten Head-up-Displays möglichst überall verbreitet sein.

Das sieht man auch bei Bosch so. Der Zulieferer arbeitet daran, dass HUD vor allem in Kompaktfahrzeugen Einzug hält. Die Schwaben haben ein „Combiner Head-up-Display“ entwickelt, das in verschiedenen Fahrzeugen von BMW zum Einsatz kommt. Das System spiegelt die Informationen nicht in die Windschutzscheibe, sondern projiziert sie davor auf eine kleine Kunststoffscheibe. „Das ist deutlich kostengünstiger als Head-up-Displays in der Frontscheibe“, sagt ein Sprecher. Zudem kann das Combiner-HUD ohne größere Anpassungen in verschiedenen Fahrzeugtypen eingebaut werden.

Konkurrent Conti sieht das auch so. Der HUD-Markt werde sich bis 2018 aufteilen – zur Hälfte in Combiner-HUD und Frontscheiben-HUD. Deshalb bietet auch Conti nun Combiner-Varianten für Kompaktfahrzeuge an. Die Zulieferer und Autobauer rechnen mit einem anhaltenden HUD-Boom. Conti prognostiziert eine Verdreifachung des Absatzes bis 2018 auf rund 5 Mio. Stück. In diesem Jahr werden voraussichtlich 1,5 Mio. Stück produziert. BMW stellt sich auf jährliche Zuwachsraten des HUD-Markts von 20 % bis 40 % ein.

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