Giessereitechnik 13. Sep 2018 Martin Ciupek Lesezeit: ca. 3 Minuten

„Von der eigenen Qualität zu sehr überzeugt“

Chinesische Unternehmen treiben den Lost-Foam-Guss massiv voran. Laut Franz-Josef Wöstmann, Abteilungsleiter am Fraunhofer Ifam, bringt das deutsche Gießereien in Zugzwang.

Franz-Josef Wöstmann ist Abteilungsleiter Gießereitechnologie und Leichtbau am Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (Ifam) in Bremen und Geschäftsführer des Lost Foam Council e. V.
Foto: Fraunhofer Ifam

VDI nachrichten:China verzeichnet aktuell eine rasante Expansion beim Lost-Foam-Guss. Woran liegt das?

Wöstmann: Die Gründe für die explosionsartige Verbreitung des Lost-Foam-Verfahrens speziell in China – mittlerweile sind es nach chinesischen Angaben ca. 1000 Gießereien, die das Verfahren einsetzen – sind unterschiedlicher Natur. Wesentliche Punkte sind sicherlich der Produktionsanstieg von komplexen Gussteilen in China und das Bedürfnis nach Funktionsintegration und geringer Nacharbeit.

Ein weiterer Grund ist, dass China in der Vergangenheit sehr stark im Feinguss aktiv war und weniger im Bereich Kokillen- und Druckguss, die als Gießverfahren in Europa sehr stark verbreitet sind. Strengere Umweltvorschriften im Feingussverfahren haben die Chinesen zum Verfahrenswechsel auf Lost Foam bewegt. Gleichzeitig werden dort alle Verfahren, die für eine Weiterentwicklung der Produktion bei einem Umstieg – vom Feinguss zum Lost Foam – infrage kommen, ohne Vorbehalte verglichen.

Was zeichnet demnach das Verfahren besonders aus?

Lost Foam hat nicht nur hinsichtlich der Designfreiheit oft gewonnen, sondern speziell bei großen, auch einfachen Bauteilen wie Fittingen mit über 1 m Durchmesser den Zuschlag bekommen, weil keine Kernfertigung notwendig ist und damit insbesondere bei kernintensiven Bauteilen ein wirtschaftlicher Vorteil genutzt wird.

Gibt es weitere Gründe für den Verfahrenswechsel?

Neben den Umweltvorschriften, der Komplexität und der Wirtschaftlichkeit ist die Verfügbarkeit von Rohmaterial über mehrere Hersteller in China zu nennen. Vor allem erleichtert mittlerweile die sehr starke Verbreitung von Modelllieferanten den Einstig in das Verfahren – selbst für kleinste Gießereien. Damit steigt die Akzeptanz und die Verbreitung hat sich somit in den letzten Jahren beschleunigt.

Hat Sie der plötzliche Aufschwung dieser Technik überrascht?

Ich gehe davon aus, dass nicht viele überrascht sind. In China hat es sicherlich niemanden überrascht, da dort vielversprechende Technologien und Produktionsvarianten massiv unterstützt werden und nach einer ersten Etablierung eine rasche Verbreitung erfahren.

… und in Europa?

In Europa und Deutschland hat es sicherlich bislang wenige überrascht, da insbesondere in der Gießereiindustrie kaum wahrgenommen wird, was in der Ferne passiert. Hier ist man vielmehr von der eigenen Qualität und dem eigenen Fortschritt so überzeugt, dass kaum über den Tellerrand gesehen wird.

Wie wirkt sich das aus?

In China wurde das Problem der europäischen Gießer hinsichtlich der Materialversorgung erkannt und es wurden Alternativen geschaffen. Das starke Wachstum in China sorgt aktuell – auch durch den Rohmaterialexport – für eine weitere Verbreitung in Indien, Russland und dem Iran. Überraschend ist dabei, dass bereits Gussteile nach Europa exportiert werden, ohne dass es in der Gießereiwelt wahrgenommen wird.

Bereits auf der letzten Gießereifachmesse Gifa im Jahr 2015 hatte der Lost Foam Council e. V. (LFC) massive Anfragen aus Asien, so dass die Entwicklung abzusehen war, wenn auch nicht die extreme Geschwindigkeit, die in China vorgelegt wird.

In der Vergangenheit wurden aus Qualitätsgründen Gussaufträge deutscher Firmen aus Asien oft zurückgeholt. Hat sich das geändert?

Mittlerweile ist die Qualität massiv gestiegen, sicherlich gibt es noch Unterschiede und diese wird es auch in Zukunft geben, ebenso wie es diese zwischen europäischen Gießereien gibt. Allerdings ist zum einen die Qualität gestiegen und zum anderen ist der asiatische Markt kontinuierlich gewachsen. Das heißt, wer einen Teil vom Kuchen abhaben will, kommt nicht um eigene Standorte in Asien oder asiatische Lieferanten oder Partner herum.

Wie sieht die Situation der Lost-Foam-Gießereien in Deutschland bzw. Europa aus?

In Europa gibt es wenige Gießereien, die das Lost-Foam-Verfahren nutzen. Jedoch wenden diese Firmen schon seit Jahrzehnten das Verfahren an und sind absolute Spezialisten auf diesem Gebiet. Leider ist die Zahl so gering, dass sich keine Rohmaterialhersteller in Europa auf eine spezialisierte Fertigung einlassen und damit sorgen allein die Logistikkosten für das Rohmaterial bereits für einen Preisnachteil. Trotzdem ist beim LFC eine steigende Nachfrage nach Lieferanten für Bauteile im Lost Foam zu verzeichnen.

Das hört sich doch positiv an. Wo ist der Haken?

Leider kommt es häufig nicht zum Vertragsabschluss, weil die Fertigungskapazitäten nicht ausreichen und keine Second Source zur Verfügung steht. In der Folge beschäftigen sich mit dem Verfahren nur wenige Konstrukteure, die eigentlich den Grundstein für eine Ausnutzung der Verfahrensmöglichkeiten legen. Damit vergrößert sich der bereits bestehende Vorsprung Chinas weiter, und zwar nicht durch reine Masse, sondern in Zukunft durch Qualität und Nachhaltigkeit im Bereich der Entwicklung und Konstruktion. Die starke Verbreitung beschleunigt die Entwicklung im Bereich der Technologie wie auch bei den Fachkräften. Der vermeintlich technologische Vorsprung Europas ist nur eine Beruhigungspille, ebenso wie in vielen anderen Bereichen.

Wie macht sich das wachsende Interesse aus dem Ausland bemerkbar?

Neben der massiven Nachfrage nach Zusammenarbeit mit dem LFC auf der Messe Gifa bekommen wir zunehmend Mitgliedsanfragen aus dem Ausland –insbesondere aus China und Indien. Daraus ist auch die Idee für das Lost-Foam-Symposium am 7. und 8. November entstanden.

Wir wollen einen globalen Überblick über die Lost-Foam-Aktivitäten geben und einen internationalen Austausch ermöglichen. Der Einblick in die Aktivitäten in Asien, Russland und anderen Ländern wird sicherlich für zukünftige strategische Entscheidungen aller Gussteilproduzenten und Anwender wie auch für die Zulieferindustrie hilfreich sein.

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