HOCHSCHULE 19. Feb 2016 Monika Etspüler Lesezeit: ca. 5 Minuten

Duale Hochschule im Zwielicht

Die Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) erntet von Politikern und Unternehmen ob ihrer großen Praxisnähe Lob. Jetzt gerät das erfolgsverwöhnte Modell in die finanzielle Schieflage. Vieles deutet auf Missmanagement hin.

An der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, hier der Standort Mannheim, wurde offenbar jahrelang mit einem Personalaufwand gearbeitet, der durch die Einnahmen nicht zu decken war.
Foto: DHBW Mannheim

Stabwechsel an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW). Fünf Jahre war Reinhold Geilsdörfer Präsident der DHBW. Jetzt wechselt er als Geschäftsführer für Hochschulangelegenheiten zur Stiftung von Dieter Schwarz, dem Gründer der Lebensmittelkonzerne Lidl und Kaufland. Anfang Februar trat sein Nachfolger Arnold van Zyl seinen Dienst an. Reibungslos funktionierte die Übergabe allerdings nicht. Der ehemalige Rektor der Technischen Universität Chemnitz muss sich gleich zu Beginn seiner Amtszeit mit einem ganzen Bündel an Problemen der erfolgsverwöhnten Hochschule herumschlagen.
Seit dem 1. Februar 2016 ist der neue Präsident der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), Arnold van Zyl, im Amt. Er folgt Reinhold Geilsdörfer, der die Hochschule fünf Jahre lang leitete.

Der in Südafrika geborene Arnold van Zyl (56) studierte an der Universität von Kapstadt Ingenieurwesen. Nach seiner Promotion arbeitete er am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart. Von 1990 bis 2000 war er in Stuttgart, Ulm und Brüssel für den Automobilsektor im Bereich Forschung und Entwicklung tätig. Bis 2011 hatte er außerdem den Posten des Vizepräsidenten für Forschung, Innovation und Internationales an der südafrikanischen Stellenbosch-University inne.

Seit April 2012 war Arnold van Zyl Rektor der Technischen Universität Chemnitz, bevor er zum Präsidenten der DHBW gewählt wurde.
Fast kometenhaft hat sich die Einrichtung seit 2009 entwickelt. Die Zahl der Studierenden stieg von 23 000 auf heute 34 000. Das schnelle Wachstum wurde finanziert über Ausbauprogramme mit vielen Zeitarbeitskräften. Dank zusätzlicher Millionen vom Land konnten im vergangenen Jahr befristete Stellen in Dauerjobs umgewandelt werden. Zu viele, so scheint es jetzt. Nicht berücksichtigt wurde wohl, dass Festeinstellungen bedeutend teurer als Kurzzeitbeschäftigungen sind.

Der Tanker DHBW geriet in schwere See. Es fehlen Millionen; wie viele, kann im Moment niemand sagen. Das Präsidium der Hochschule räumt indes ein, die DHBW stehe vor großen Herausforderungen, die insbesondere in der umfangreichen Umschichtung von Sachausgaben hin zu Personalausgaben begründet seien.

Doch wie kam es zu dieser Situation? 2014 wurde zwischen dem Land Baden-Württemberg und den Hochschulen der Finanzierungsvertrag „Perspektive 2020“ ausgehandelt. Mit der Unterzeichnung sollten für die klammen Bildungseinrichtungen bessere Zeiten anbrechen. Die Vereinbarungen von 1997 und 2007 sahen Einsparungen oder die Deckelung von Ausgaben vor. Nun stellt das Land den Hochschulen bis 2020 rund 1,7 Mrd. € zur Verfügung. Außerdem werden befristete Finanzmittel in unbefristete umgewidmet. Für die DHBW bedeutet das, dass diese Grundfinanzierung bis 2020 von knapp 84 Mio. € auf 103,5 Mio. € ansteigt.

Enge Verbindung von Theorie und Praxis

Die Duale Hochschule Baden-Württemberg besteht aus neun regionalen Berufsakademien, die 2009 zur heutigen DHBW zusammengefasst wurden. Die zentrale Organisationseinheit mit dem Präsidium sitzt in Stuttgart.

Wer an der DHBW sein Studium absolviert, schließt mit einem Unternehmen einen Ausbildungsvertrag ab und wechselt dann regelmäßig zwischen Hörsaal und Betrieb. Für den praktischen Teil stehen rund 9000 Unternehmen und soziale Einrichtungen als duale Partner zur Verfügung. Insgesamt bieten 650 Professoren und über 6000 Dozenten mehr als 20 Studiengänge mit rund 100 Studienrichtungen in den Bereichen Wirtschaft, Technik und Sozialwesen an. Jeder der neun Standorte hat einen Hochschulrat, einen Senat und ein Rektorat.

Die zentrale Organisationseinheit mit Sitz in Stuttgart setzt sich zusammen aus dem Aufsichtsrat, dem Senat und dem Präsidium.

Mit diesem Finanzpaket im Rücken sah sich die DHBW gut gerüstet für einen weiteren Ausbau ihrer personellen Kapazitäten, bis klar wurde, dass die Einnahmen der Hochschule mit den Ausgaben nicht Schritt halten. Besonders gebeutelt von Finanznöten ist die Studienakademie Mannheim. Um gut 1 Mio. € soll die DHBW ihr Budget überzogen haben. Nun wird kräftig gespart. Die Zahl der Lehrangebote soll zurückgeschraubt werden, die Öffnungszeiten für die Bibliotheken stehen auf dem Prüfstand. Mannheim ist jedoch nicht der einzige Standort mit Schlagseite. Auch Stuttgart hat personell kräftig zugelegt. Die Zahl der Mitarbeiter wuchs von einem Dutzend auf rund 80 und sorgt für finanzielle Zusatzbelastungen.

Heilbronn war bis 2013 eine Außenstelle des Mosbacher Standorts. Ex-Präsident Geilsdörfer wird vorgeworfen, er habe die Verselbstständigung der Heilbronner Akademie vorangetrieben. Der Mosbacher Rektor trat damals zurück, nachdem er erst nach einer Sitzung des Aufsichtsrates über die bevorstehende Strukturänderung informiert worden war.

In Heilbronn residiert auch die Dieter Schwarz Stiftung, die sich der Förderung von Bildung und Erziehung verschrieben hat und zu der Reinhold Geilsdörfer schon seit Jahren enge Kontakte pflegt. Im Zentrum ihres Engagements steht der Heilbronner Bildungs-Campus. Dort hat neben der stiftungseigenen Akademie für Innovative Bildung und Management auch die Duale Hochschule Heilbronn ihren Platz gefunden.

Ebenfalls auf dem Gelände residiert das Center of Advanced Studies (CAS), in dem die landesweiten Masterprogramme der DHBW gebündelt werden. 1000 m2 stehen dem Center momentan zur Verfügung. Doch plant die Stiftung bereits eine Erweiterung um knapp 10 000 m2. Auch die Hochschule Heilbronn (HHN) wird mit rund 7500 m2 Nutzfläche von deren Engagement profitieren.

„Zusammen mit unserer eigenen German Graduate School beherbergt der Campus dann zwei staatliche Hochschulen und eine private, staatlich anerkannte Hochschule – ein deutschlandweit einmaliges Kooperationsprojekt“, so Erhard Klotz, der Vorgänger des frischgebackenen Geschäftsführers Reinhold Geilsdörfer. Was das kostet, darüber schweigt die Stiftung. In Vereinbarungen mit dem Land verständigte sich die Stiftung jedenfalls auf eine Förderung der Einrichtungen bis 2020. Für Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Die Grünen) eine positive Sache, denn „ohne diese finanzielle Unterstützung wäre eine Weiterentwicklung des Standorts Heilbronn mit seinem landesweiten Masterangebot so nicht möglich gewesen“.

Skeptiker sehen das anders. Sie befürchten, dass die Stiftung die staatliche Hochschule für ihre eigenen Zwecke einspannt und Heilbronn zu einer Art „Kaderschmiede“ der Lebensmittelbranche avanciert. Die in Heilbronn verankerten Studiengänge wie Dienstleistungsmanagement und Handel befassen sich zum großen Teil mit diesem Wirtschaftszweig. Außerdem wurde 2013 das Portfolio um den Bereich Foodmanagement ergänzt. Ziel sei es, so Nicole Graf, Rektorin der DHBW Heilbronn, in einem Interview, „zur ersten Adresse für die betriebswirtschaftliche Qualifikation der Lebensmittelbranche zu werden“.

Seitdem vergangenen Sommer klar wurde, dass Reinhold Geilsdörfer nach seinem Ausscheiden bei der DHWB nahtlos zur Schwarz-Stiftung wechselt, sehen Kritiker die Aufwertung des Standorts Heilbronn in neuem Licht. Zu ihnen zählt der Mannheimer Wirtschaftsprofessor Hendrik Jacobsen. Er reichte Klage gegen Geilsdörfer wegen Vorteilsannahme ein. Der streitbare Professor geht davon aus, dass der ehemalige Hochschulpräsident für sein Engagement in Heilbronn mit dem Stiftungsposten belohnt wird.

2014 zog Jacobsen zusammen mit 34 anderen Professoren schon einmal vor Gericht, damals gegen eine politische Entscheidung. Die Hochschullehrer reichten vor dem Bundesverfassungsgericht Klage gegen das neue Landeshochschulgesetz (LHG) ein. An zwei Punkten störten sich die Professoren besonders: Zum einen nehme das neue LHG den Hochschulsenaten die Möglichkeit, ihre Rektoren abzuwählen. Laut Gesetz ist das jetzt nur noch im Einvernehmen mit Hochschulrat, Senat und Ministerium möglich. Zum anderen übertrage das Präsidium der DHBW den Rektoren zwar bestimmte Aufgaben, doch mit der Einschränkung, dass übergeordnete Belange dem nicht entgegenstehen dürften. „Die Rektoren sind demnach nur noch Assistenten des Präsidenten“, so Jacobsen. Das verstoße eklatant gegen den Grundsatz der Wissenschaftsfreiheit. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts liegt noch nicht vor.

Noch offen ist auch das Ergebnis der Klage gegen Reinhold Geilsdörfer. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart lehnte die Strafanzeige zwar mit der Begründung ab, es bestehe kein Anfangsverdacht. Das brachte ihr jedoch eine Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft ein. Zur Klärung der Sachlage forderte die von der unteren Behörde zunächst einen Bericht an. Mittlerweile liegt der vor. Jetzt ist es Sache der Generalstaatsanwaltschaft, über das weitere Vorgehen zu entscheiden.

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