SERIE EXPATRIATES 08. Jul 2019 Sabine Seeger Lesezeit: ca. 4 Minuten

„Italiener sind flexibler und lockerer“

Lamborghini – der Name lässt die Herzen von Automobilisten rund um den Globus höher schlagen. Dennis Schmitz hat das Privileg, für die berühmte Marke mit dem Stier zu arbeiten. Der deutsche Ingenieur ist bei der Audi-Tochter in Sant' Agata Bolognese Bereichsleiter der Gesamtfahrzeugentwicklung – ein Porträt.

Der deutsche Elektro-Ingenieur Dennis Schmitz ist Bereichsleiter der Gesamtfahrzeugentwicklung von Lamborghini in Sant' Agata Bolognese.
Foto: Lamborghini

Vor den Werkstoren von Lamborghini parkt ein Aventador LP-700-4. Um ihn drängeln sich Bewunderer, kleine Jungen und Mädchen, die ihre Nase an die Scheiben der Scherentüren drücken, um einen Blick in das Cockpit mit dem eingelassenen TFT-Display und der Mittelkonsole mit dem futuristischen Startknopf zu erhaschen. Ihre Väter zücken derweil ihre Smartphones und lösen die Fotofunktion aus. Das sind Momente, in denen sich der Puls von Dennis Schmitz beschleunigt. Dann fühlt sich der Vater dreier Söhne an seine eigene Kindheit erinnert, an die 70er- und 80er-Jahre in Hannover, als er anfing, sich für schnelle Autos zu interessieren.

Autos sollten ihm zum Schicksal werden, zum Inhalt seines Berufs, der ihn 2012 an einen Ort führte, dessen Magie ihn schon als Jugendlicher in seinen Bann zog: Die Sportwagenschmiede des legendären Ferruccio Lamborghini.

Schmitz hat es geschafft: Heute ist der Elektrotechnik-Ingenieur Bereichsleiter der Gesamtfahrzeugentwicklung bei Automobili Lamborghini S.p.A. „Der Lamborghini ist ein wahnsinniges Auto, vor allem, was Ingenieurkunst anbelangt“, erklärt Schmitz begeistert.

Dabei sitzt der drahtige Norddeutsche ganz lässig am Steuer des weißen Aventador, der Mittelmotor mit seinen 515 kW und zwölf Zylindern hinter dem Schalensitz, Top-Speed 350 km/h und Beschleunigung 0 auf 100 km/h in 2,9 s. Das ISR-Getriebe garantiert Schaltzeiten von 50 Millisekunden, das Leichtbau-Fahrwerk mit Pushrod-Radaufhängung ein Fahrerlebnis, das nicht nur den Deutschen fasziniert.

Luxus-Sportwagenfans in den USA, in China und dem Mittleren Osten sowie in Großbritannien stehen auf den Aventador. Lamborghini-Präsident Stephan Winkelmann kennt seine „Lambo-Gemeinde“, er weiß um ihr Faible für rasante Sportwagen „Made in Italy“.

Über 300 000 € kostet der auf einem innovativen Carbon-Monocoque basierende Aventador, der zu großen Teilen in der Tradition des italienischen „Artigianato“, der über Jahrhunderte kultivierten Handwerkskunst, gebaut wird. Über 3000 Exemplare wurden seit seiner Präsentation auf dem Genfer Autosalon 2011 verkauft.

Von seinem schlichten Büro im ersten Stock des Lamborghini-Stammsitzes in Sant‘ Agata Bolognese, einem kleinen Ort zwischen Bologna und Modena, schaut Dennis Schmitz hinunter zur Werkshalle, wo Tag für Tag fünf Aventador zum Kunstwerk aus Technik und Design verschmelzen.

Daneben entsteht seit Kurzem auf einer zweiten Fertigungsstraße ein Auto, das auch die Handschrift des gebürtigen Staders trägt: Der Huracán LP 610-4, Nachfolger des Erfolgsmodells Gallardo, 449 kW, V10-Motor mit einer Spitzengeschwindigkeit von 325 km/h und einer Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 3,2 s, einem sehr schnell schaltenden 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, Leichtbauchassis aus Kohlefaser und Aluminium, Voll-LED-Technologie. Ein superschnelles Modell der Luxusklasse, das den Bedürfnissen und Emotionen der verwöhnten Klientel entgegenkommt.

2500 Huracáns, die gesamte Produktion eines Jahres, sind bereits bestellt. Damit erfüllt das rund 200 000 € teure Fahrzeug das Petitum von Lamborghini-Präsident Stephan Winkelmann: „Die Nachfrage ist weit größer als unsere Produktion. Das Geheimnis unseres Erfolgs liegt darin, extrem klein zu bleiben.“

Als Dennis Schmitz mit dem Studium der Elektrotechnik an der Hochschule Hannover anfing, konnte er nicht ahnen, dass er einmal in der Autoindustrie arbeiten würde. Aber am Ende seines Studiums war Fahrzeugbau ohne Elektronik undenkbar geworden. „Damit wurde er genau der Bereich, in dem alle meine Interessen zusammenflossen“, meint er.

Schmitz bewarb sich bei Audi, schrieb seine Diplomarbeit in Ingolstadt über Elektrotechnik und engagierte sich in der Entwicklung der ersten Navigationssysteme. Als es 2003 galt, die Elektronik des A8 an den US-Markt anzupassen, ging er mit Frau und erstem Kind nach Kalifornien: „Wir waren neugierig auf die amerikanische Kultur und wollten beide unser Englisch vervollständigen.“

Es zahlte sich aus – auch in puncto Karriere. Nach vier Jahren stieg der junge Ingenieur ins Audi-Management auf. Dennoch kehrte die Familie nach sieben Jahren Los Angeles den Rücken. „Die Gefahr der Entkopplung von der Zentrale wächst mit jedem Jahr im Ausland. Für mich war es Zeit, wieder an die Basis zurückzukehren, die Kontakte zu pflegen, am Netzwerk zu stricken.“

In Ingolstadt war inzwischen die Entwicklung von Elektroautos angesagt. „Komplett neue Batterien mussten entworfen werden“, berichtet Schmitz. Frau und Kinder lebten sich gut ein in Bayern. „Es war schön, aber es fehlte uns doch das gewisse Etwas.“

So kam es der Familie ganz gelegen, als sein Bereichsleiter vor zwei Jahren anfragte, ob Schmitz nach Italien zur Audi-Tochter Lamborghini gehen wolle. Eine Wohnung war schnell gefunden und auf der internationalen Schule in Modena können die Kinder ihre in den USA erworbenen Englisch-Kenntnisse perfektionieren. Hinzu kam noch Italienisch, das sie inzwischen so gut beherrschen, dass sie Dolmetscher spielen, wenn Verwandte aus Deutschland anreisen.

Nur Dennis Schmitz tut sich noch etwas schwer mit der Landessprache. Seine Arbeitssprache ist Englisch, nur zwei von 248 Fachkräften in der technischen Entwicklung sind Deutsche. Insgesamt kommen rund 30 der ca. 1100 Lamborghini-Mitarbeiter aus Deutschland.

Lamborghini Huracán: Das neue Modell trägt auch die Handschrift von Dennis Schmitz. Für die gesamte Jahresproduktion liegen bereits Bestellungen vor. Foto: Lamborghini

„Wir helfen hier im Werk, den Kontakt nach Deutschland zu halten, Synergien mit dem Mutterkonzern zu entwickeln. Aber die Unternehmenskultur soll italienisch bleiben.“

Schmitz schätzt die Überschaubarkeit des Betriebs, den kurzen Draht zum CEO. Es begeistert ihn, an der Firmengeschichte mitzuschreiben, auch wenn er viel unterwegs ist. Die neuen Modelle müssen getestet werden – im Schnee, im Salzwasser, in der Wüste.

Er liebt seine neue Heimat und deren Menschen: „Italiener sind flexibler und lockerer, immer freundlich und offen.“ „La dolce vita“ bedeutet für ihn mehr als Pasta und Pizza. Es sind die Kultur-Highlights im nahe gelegenen Verona oder Florenz, die Skipisten in den Dolomiten und die Strände der Adria, die den Norddeutschen ins Schwärmen bringen.

Ingenieure in Italien: Bescheidene Gehälter

– In Italien arbeiten 615 000 Ingenieure aller Fachrichtungen.

– 2012 schlossen in Italien mehr als 50 000 Ingenieurstudenten ihr Studium ab. Allerdings fanden nur 80 % der Studienabgänger innerhalb eines Jahres einen Arbeitsplatz.

– Das Einstiegsgehalt von Ingenieurabsolventen liegt bei max. 23 000 € per anno. Bei Ingenieuren mit langjähriger Berufserfahrung liegen die Jahresgehälter zwischen 29 000 € und 35 000 €.

– Verglichen mit dem Tariflohn in der metallverarbeitenden Industrie Italiens ist die Vergütung bei Automobili Lamborghini um 38 % höher. Hinzu kommt ein variabler Anteil, dessen Höhe sich nach dem Unternehmenserfolg richtet.  SABINE SEEGER

Auslandsaufenthalte sieht er als Gewinn, sowohl beruflich wie privat. Er konnte nicht nur seinen Horizont enorm erweitern, sondern lernte auch, Verantwortung zu übernehmen. Auch seine Familie profitiert. Die Kinder bewegen sich ganz selbstverständlich im anderssprachigen Ambiente. Und wenn er ihnen eine besondere Freude machen will, dann nimmt er sie mit zum Lambo-Korso über die schmalen Landstraßen der Emiglia-Romagna. Dabei ist bei seinem mittleren Sohn der Wunsch gewachsen, Ingenieurwissenschaften zu studieren, um einmal – wie der Vater – im Autobau zu arbeiten. Natürlich bei Lamborghini.

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