Anteil weiblicher Vorstände in umsatzstärksten Unternehmen gestiegen
Die 200 umsatzstärksten Unternehmen (Top-200) des Landes haben mehr weibliche Vorstände (16 %) und Aufsichtsräte (31 %). Vor allem die Dax-Unternehmen legten zu. Der Zuwachs war allerdings geringer als zuvor. Deutschland liegt laut DIW erstmals über dem EU-Durchschnitt.

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Der Frauenanteil in den Vorständen und Aufsichtsräten großer Unternehmen in Deutschland ist im vergangenen Jahr erneut gestiegen. Die 200 umsatzstärksten Unternehmen (Top-200) des Landes hatten im Spätherbst 2022 ihre Vorstände im Durchschnitt zu rund 16 % und ihre Aufsichtsräte zu rund 31 % mit Frauen besetzt. Im Vergleich zum vorherigen Jahr war der Anstieg mit knapp einem bzw. einem halben Prozentpunkt jedoch gering und in den Vorständen deutlich niedriger als ein Jahr zuvor. Das geht aus dem Managerinnen-Barometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hervor, an dem auch Forschende der Freien Universität Berlin beteiligt sind.
Gesetzliche Mindestbeteiligung sorgte für Schwung, Dynamik hat sich verringert
Nachdem die gesetzliche Mindestbeteiligung für Vorstände 2021 laut DIW für Schwung gesorgt hatte, hätten viele Unternehmen in ihren Bemühungen offenbar wieder nachgelassen. Betrachte man innerhalb der Top-200-Gruppe nur jene Unternehmen, die sich an die Mindestbeteiligung halten müssen, lag der Anteil der Vorständinnen mit gut 19 % etwas höher. Die Vorgabe gilt für aktuell rund 60 Unternehmen, die börsennotiert und paritätisch mitbestimmt sind und einen mindestens vierköpfigen Vorstand haben. „Das gesetzliche Mindestbeteiligungsgebot für Vorstände wirkt“, sagt Katharina Wrohlich, Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics im DIW Berlin. „Doch auch mit der gesetzlichen Vorgabe ist es bis zur Geschlechterparität kein Sprint, sondern eher ein Dauerlauf.“
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DAX-40 und Unternehmen mit Bundesbeteiligung stechen 2022 positiv heraus
Im DIW-Managerinnen-Barometer wurden die Frauenanteile in Vorständen und Aufsichtsräten von mehr als 500 Unternehmen erhoben – darunter die 200 umsatzstärksten Unternehmen, 160 in den Dax-Indizes notierte Unternehmen, 100 Banken, 60 Versicherungen und 69 Unternehmen, an denen der Bund beteiligt ist. Die Frauenanteile in den Spitzengremien liegen laut Barometer je nach Unternehmensgruppe auf unterschiedlichen Niveaus, das generelle Bild sei jedoch relativ vergleichbar: In Vorständen seien Frauen deutlich seltener vertreten als in Aufsichtsräten und die Anstiege seien in beiden Gremien im vergangenen Jahr eher gering gewesen. Mit größeren Steigerungen voran seien die Dax-40-Unternehmen (erstmals mehr als 20 % Frauen im Vorstand) und die Unternehmen mit Bundesbeteiligung (erstmals mehr als 30 % Frauen im Vorstand) gegangen. „Die Dax-Unternehmen stehen im Fokus der Öffentlichkeit und an die Bundesunternehmen werden generell höhere Erwartungen gestellt“, gibt Virginia Sondergeld aus der Forschungsgruppe Gender Economics im DIW Berlin zu bedenken. „Aber das soll die positivere Entwicklung in diesen Gruppen nicht schmälern – es ist wichtig, dass sie mit gutem Beispiel vorangehen.“
Unternehmen mit verschiedenen Geschwindigkeiten in ihren Gleichstellungsbemühungen
Die beiden Führungspositionen-Gesetze .(FüPoG I und II) hätten einiges ins Rollen gebracht. „Bis zur Geschlechterparität ist es aber noch immer weit“, sagt Wrohlich. „Nun sind die Unternehmen am Zug: Neben mehr Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten kommt es auch auf die passende Unternehmenskultur an, auf ein Klima, das Gleichstellung begünstigt und eine inklusive Arbeitskultur fördert.“
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Wie eine weitere Analyse im Rahmen des diesjährigen Managerinnen-Barometers zeigt, kristallisieren sich mit Blick auf die Gleichstellungsbemühungen der Unternehmen zwei Geschwindigkeiten heraus. Anja Kirsch und Philipp Alexander Thompson von der Freien Universität Berlin haben gemeinsam mit dem Team vom DIW mehr als 500 Jahresabschlüsse der Unternehmen, die in den Jahren 2009 bis 2022 im DAX-30 bzw. Dax-40 vertreten waren, untersucht. Demnach setzen die Unternehmen die gesetzlichen Berichtspflichten sehr unterschiedlich um. Der Umfang der Angaben zu Frauen in Führungspositionen hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Auf der einen Seite lässt sich laut Forschenden eine gleichstellungsorientierte Gruppe von Unternehmen identifizieren, die konkrete Maßnahmen für mehr Frauen in Führungspositionen in den gesetzlich vorgeschriebenen Berichten dokumentiert. Auf der anderen Seite gebe es eine complianceorientierte Gruppe, die in erster Linie daran interessiert zu sein scheint, die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen. Die gleichstellungsorientierte Gruppe verzeichne einen deutlich höheren Frauenanteil im Aufsichtsrat und sowohl im Vorstand als auch im Aufsichtsrat eine größere Dynamik. „Die gesetzlichen Berichtspflichten haben die Transparenz nachweislich erhöht“, resümiert Kirsch. „Neben zahlenmäßigen Vorgaben tragen also auch die Vorgaben zur Berichterstattung dazu bei, die öffentliche Aufmerksamkeit zu erhöhen und so den Weg zur Geschlechterparität weiter zu ebnen.“