AGIL 05. Jul 2018 Simone Fasse

Scrum und Co. erhöhen die Schlagzahl

Viele Unternehmen setzen auf Arbeitsmodelle, die flexibel auf neue technische Anforderungen reagieren. Doch oft bleibt es bei Leuchtturmprojekten.

Agile Arbeit: Auf dem Campus für autonomes Fahren der BMW Group arbeiten Führungs- kräfte auf den gleichen offenen Büroebenen wie ihre Mitarbeiter.
Foto: BMW AG

In Unterschleißheim entstehen derzeit moderne Arbeitswelten. Auf dem jüngst eröffneten Campus für autonomes Fahren nahe München bündelt die BMW Group seit kurzem ihre Entwicklungskompetenzen für Fahrerassistenzsysteme und automatisiertes Fahren an einem Standort. Mehr als 1800 Beschäftigte sollen hier die neuesten Technologien voranbringen, besonders gesucht sind IT-Spezialisten und Softwareentwickler in den Bereichen künstliche Intelligenz, Machine Learning und Data Analytics.

„Konsequente Anwendung agiler Arbeitsmodelle“

Mitte April eröffnete die BMW Group den Campus für autonomes Fahren in Unterschleißheim. 15 Monate zuvor hatte BMW beschlossen, die Entwicklungskompetenzen für Fahrerassistenzsysteme und hoch- bzw. voll automatisiertes Fahren an einem Standort zu bündeln. Mitentscheidend war die räumliche Nähe zum Forschungs- und Innovationszentrums des Automobilherstellers. Der Campus umfasst 23 000 m2 Bürofläche und bietet 1800 Mitarbeitern Platz.

Auf den Internetseiten des Konzerns heißt es: „Die BMW Group ist das erste Unternehmen in der Automobilbranche, das agile Arbeitsmodelle konsequent und flächendeckend für einen ganzen Fachbereich anwendet: Von der Forschung bis zur Serienentwicklung erfolgt die gesamte Entwicklung von Fahrerassistenzsystemen und autonomem Fahren in diesen neuen Strukturen.“

Der Campus hebt sich in vielerlei Hinsicht von anderen Standorten des Automobilkonzerns ab. Denn hier wird in großen offenen Räumen und in interdisziplinär gemischten Feature-Teams gearbeitet – kommunikativ, transparent, eigenverantwortlich, schnell und ohne sichtbare Hierarchien. Die Führungskräfte verschanzen sich nicht hinter verschlossenen Türen, sondern sind ebenfalls in den offenen Büroflächen zu finden, die je nach Bedarf flexibel gestaltet werden können. Darüber hinaus sind auch die Experimentiermöglichkeiten nah, sodass ein geschriebener Code schnell direkt am Fahrzeug getestet werden kann.

BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich sieht den Campus als Meilenstein für den Konzern und als Speerspitze für agiles Arbeiten. Nach eigenen Angaben ist die BMW Group das erste Unternehmen in der Automobilbranche, das agile Arbeitsmodelle konsequent und flächendeckend für einen ganzen Fachbereich anwendet: Von der Forschung bis zur Serienentwicklung soll die gesamte Entwicklung von Assistenzsystemen und autonomem Fahren in diesen neuen Strukturen stattfinden.

Es sind vor allem die Automobilunternehmen, die den Druck des digitalen Wandels spüren. Neue branchenfremde Anbieter wie Tesla oder Google kommen in den Markt und stellen jahrzehntelang geltende Erfolgsmodelle infrage. Innovationszyklen verkürzen sich dramatisch, immer stärker und immer flexibler werden die Bedürfnisse der Kunden berücksichtigt. Das sogenannte „Wasserfallmodell“, das relativ starr nach dem Konzept abgearbeitet wird und erst im Nachhinein Änderungen zulässt, ist für diese rasanten Entwicklungen vielfach zu langsam.

Und in Zeiten der digitalen Transformation sind Vorhersagen für die kommenden Jahre kaum noch möglich. Genau hier kommen die Vorteile von agilen Methoden zum Tragen. So wird mit Scrum (agile Softwareentwicklung) iterativ – also schrittweise in bestimmten Arbeitsabschnitten – und immer in enger Abstimmung mit dem Kunden in meist vierzehntägigen „Sprints“ (Zeiteinheiten) entwickelt. Je nach Bedarf können neue Anforderungen hinzukommen. So können vor allem Prototypen sowie Produkte und Services flexibler und schneller entstehen. Durch ständiges Testen und einen engen Kontakt zum Kunden wird Zeit gespart, gleichzeitig werden Fehler vermieden.

Je deutlicher der digitale Wandel alle Branchen betrifft und neue Geschäftsmodelle gefordert sind, desto mehr Unternehmen setzen inzwischen auf agile Arbeitsweisen. Laut Agilitätsbarometer 2017 von Haufe und Promerit halten mehr als die Hälfte der befragten Führungskräfte den erstmaligen Einsatz oder die Ausweitung des Einsatzes agiler Methoden bei ihrem Arbeitgeber für sinnvoll – unter anderem, um Prozesse effizienter zu machen.

Im Zuge der Digitalisierung denken immer mehr Vorstände um und wollen agile Methoden in ihren Unternehmen einsetzen, wenn auch noch nicht flächendeckend. Laut Scrum Alliance, einer Organisation, die auch Zertifizierungen etwa als „Scrum Master“ vergibt, sehen Unternehmen agile Methoden inzwischen als Voraussetzung dafür an, überhaupt im globalen Wettbewerb bestehen können.

Dabei geht die Bedeutung von Scrum und Co. weit über die Softwareentwicklung hinaus und hinein in Bereiche wie die Produkt- und Prozessentwicklung. Ob IT, Medien- oder Finanzbranche: Agil ist das Gebot der Stunde. Die Jobangebote speziell für Scrum Master, die als „Servant Leader“ für ihr Team externe und interne Hindernisse aus dem Weg räumen, aber eben keine konkreten Handlungsanweisungen geben, sprießen geradezu auf den entsprechenden Plattformen.

Einhergehend mit diesen Trends sind auch die Zeiten von „Command and Control“ an vielen Stellen in Unternehmen gezählt. Hierarchien werden infrage gestellt, stattdessen ist mehr denn je die Intelligenz von Teams gefragt. Doch die neuen Vorgehensweisen können nicht einfach übergestülpt werden, zeigen Erfahrungen in den Unternehmen. Denn die neuen Arbeitsformen setzen auch eine besondere Denkweise voraus, mit der viele Manager und Projektverantwortliche häufig überfordert sind, laufen sie doch komplett gegensätzlich zu allem, was bislang galt. Viele über Jahre gefestigte Organisationsstrukturen passen längst noch nicht in die neue Welt, und ebenso wie Anforderungen der Kunden ändern sich auch die Vorgaben von oben. Große Unsicherheit auf allen Ebenen ist die Folge.

Das Problem: Agiles Denken und Arbeiten setzt einen Kulturwandel voraus, der wirklich bei den Beschäftigten ankommen muss. Selbst wenn im Vorstand das agile Mindset eingefordert und gefördert wird, heißt das noch lange nicht, dass es sich auch auf allen Ebenen durchsetzt. Nicht selten bleiben die Ansätze im mittleren Management stecken, denn hier herrschen häufig noch nicht die nötigen Rahmenbedingungen, um flächendeckend agile Methoden einzuführen. Zudem machen Scrum und Co. auch nicht in allen Bereichen nachhaltig Sinn.

Häufig setzen große Konzerne auf Leuchtturmprojekte, in denen definierte Projekte mit agilen Arbeitsweisen umgesetzt werden können. Hier können die Teams meist innovativer agieren, ohne die üblichen Konzernprozesse beachten zu müssen. Die Herausforderung liegt jedoch darin, die neuen Vorgehensweisen und vor allem den dafür nötigen Kulturwandel später in die gesamte Organisation zu bringen.

Ein Ansatz dafür ist LeSS (Large Scale Scrum) – ein Framework, mit dem Scrum auch in großen Organisationen skaliert werden kann und mit dem die BMW Group bereits in Unterschleißheim arbeitet. Denn das Ziel des Autobauers ist, über den agilen Weg nachhaltig und auf breiter Ebene Innovationen zu schaffen.

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