INTEGRATION 08. Jul 2019 Wolfgang Schmitz Lesezeit: ca. 4 Minuten

Unzufriedenheit schießt keine Tore

ndustrieunternehmen buhlen ähnlich wie Fußballbundesligisten um die Gunst ausländischer Fachleute. Was für die einen der kreative Ingenieur ist, ist für die anderen der kreative Spielgestalter. Um ihre Stärken zur Geltung zu bringen, brauchen die Migranten ein Umfeld, in dem sie sich wohlfühlen. Das gelingt den Arbeitgebern nur begrenzt, meint Wirtschaftsprofessor Thomas Groll.

Ob sich Ciro Immobile bei Borussia Dortmund über ähnlich viele Tore freuen wird wie für den FC Turin, hängt auch wesentlich von der erfolgreichen Integration des italienischen Torjägers ab.
Foto: dpa/Andrea di Marco

Als Mitte der 50er-Jahre die ersten „Gastarbeiter“ die deutsche Wirtschaft ankurbelten, schlossen sich die meist aus Italien zugereisten Migranten den Kollegen aus der Heimat an und bildeten eigene kulturelle Einheiten. Griechen, Jugoslawen und Türken hielten es meist nicht anders. Von Integration und Willkommenskultur war noch nicht die Rede.

Nicht erst seit Beginn der Globalisierung gilt ein gut bestücktes Eingliederungspaket aber als Wettbewerbsvorteil beim Werben um ausländische Fachkräfte. Das betrifft Industrieunternehmen wie Sport-Unternehmen gleichermaßen, denn nichts anderes sind die 18 Vereine der Fußball-Bundesliga. Wie die Industrie sucht der Fußball „händeringend“ im Ausland nach Fachkräften, häufig sind es junge Menschen ohne viel Auslandserfahrung.

Sprachunterricht, Hilfe bei der Wohnungssuche, beim Möbelkauf, beim neuen Handyvertrag und bei der Bewältigung der bürokratischen Hürden stehen bei allen Vereinen auf der Agenda. Zum Wohlfühlpaket gehört auch, die Migranten mit der neuen Heimat vertraut zu machen, ihnen die Besonderheiten und Attraktivitäten der Stadt und ihrer Umgebung zu zeigen.

„Man muss die neuen Spieler mitnehmen – und das im wahrsten Sinne des Wortes“, sagt Raquel Rosa-Zembrod, Integrationsbeauftragte bei der TSG 1899 Hoffenheim. Als gelernte Sportökonomin weiß sie, wie wichtig eine Rundumversorgung ist: „Sonst sind schnell ein paar Millionen in den Sand gesetzt. Wir können uns Fehlinvestitionen in diesem Ausmaß nicht erlauben, nur weil ein Spieler hier menschlich und sportlich nicht klarkommt.“ Die Nähe von Raquel Rosa-Zembrod zu den Spielern ist groß, nicht nur weil die Brasilianerin fließend Portugiesisch, Englisch, Deutsch und Spanisch spricht. Sie kennt sich aus im Metier, sie war Fußballtrainerin.

Die Eingliederung eines „Neuen“ überlässt man in Hoffenheim aber nicht nur der Integrationsbeauftragten. Raquel Rosa-Zembrod: „Ich gehe auf Trainer, Mannschaft und den neuen Spieler zu und frage: Wie wollen wir vorgehen? Wir sitzen da alle in einem Boot. Damit der Spieler versteht, was von ihm verlangt wird, dass er etwa pünktlich sein muss, reicht nicht eine Stimme. Wichtige Anlaufstelle für die neuen Spieler und für mich ist daher auch Spielführer Andy Beck, der dank großer Erfahrungswerte weiß, wie man den meist jungen Spielern am besten hilft.“

Ohne die Unterstützung aus der Chefetage läuft aber nichts. „Der Erfolg ist immer davon abhängig, wie wichtig dem jeweiligen Trainer die Integration seiner Spieler ist.“ Coach Markus Gisdol lege großen Wert auf diesen Faktor.

Obwohl das Maßnahmenpaket zur Integration bei Eintracht Frankfurt groß ist, könne nicht alles von außen gesteuert werden, betont Pressesprecherin Ruth Wagner. „Bei uns trägt einerseits das Teammanagement, andererseits die Mannschaft selbst ihren Teil dazu bei. Unser Teammanager Christoph Preuß kümmert sich mithilfe seines Netzwerks komplett um die Organisation und Betreuung der neuen Spieler. Den Rest übernimmt dann eigentlich schon die Mannschaft. Wir hatten die letzten Jahre ein sehr gutes Mannschaftsklima, was den neuen Spielern die Integration erleichtert hat. Es werden Mannschaftsabende veranstaltet, man geht nach dem Training zusammen zum Mittagessen und vieles mehr.“ Ohne die Bereitschaft des Spielers, sich darauf einzulassen, müsse aber jede noch so gut gemeinte Initiative an die Wand fahren.

Hilfe: ja, Mädchen für alles: nein. Das ist die Philosophie beim FC Augsburg. „Wir fördern die Eigeninitiative der Spieler, weil es wichtig ist, dass ihnen nicht alles abgenommen wird“, meint Dominik Schmitz, Leiter Medien- und Öffentlichkeitsarbeit.

Als vorbildlich gilt die Betreuung bei Bayer 04 Leverkusen. „Wir sind rund um die Uhr für den Spieler da, mit der Vertragsunterschrift bis zum Ende der Vertragslaufzeit genießt der Spieler unsere Fürsorge. Wir nehmen ihm aber nicht jeden Handgriff ab, wir bieten Hilfe zur Selbsthilfe“, legt auch Integrationsmanagerin Tomke Mahlstedt großen Wert darauf, dass die Spieler in der Übergangsheimat schnell selbst „laufen lernen“. Sportdirektor Rudi Völler und Teammanager Peter Lehnhoff schauten genau hin, wenn sich im Umfeld der Spieler Probleme auftun. Jedem Neuen, egal ob er aus München, Kopenhagen oder Rio komme, werde gleiche Wertschätzung entgegengebracht. Und dabei werde doch auf die individuellen Bedürfnisse eingegangen.

Die nötige Berufsauffassung werde bei den Profis vorausgesetzt – aus welchem Teil dieser Welt sie auch immer kommen. Tomke Mahlstedt: „Wir gehen davon aus, dass der Spieler die grundlegenden Pflichten eines Profis, wie Pünktlichkeit, sowieso verinnerlicht hat.“

„Deutsche Tugenden“ wie Pünktlichkeit und Disziplin seien beileibe keine schlechten Werte, erwidert Thomas Groll, sie dürften aber nicht als allgemeingültige Grundlagen für den Erfolg verstanden werden. „Die deutsche Kultur muss nicht das Nonplusultra sein.“ Vor allem nicht für Migranten, in deren Heimat Kreativität größer geschrieben wird als preußischer Gehorsam. „Deutsche Spieler sind – geprägt durch die kulturelle Denkweise – in der Regel gute Verteidiger, beim Spielwitz sind sie vielleicht nicht immer erste Wahl“, veranschaulicht der Professor für internationales Management an der Ostbayerischen Technischen Hochschule in Regensburg seine These. Wer Kreativität wolle, müsse Kröten wie Unpünktlichkeit schlucken. Gewisse Freiräume solle man daher Arbeitsmigranten zugestehen – ob sie in der Bundesliga oder als Ingenieure in einem deutschen Unternehmen Karriere machen wollten.

„Deutsche Spieler sind – geprägt durch die kulturelle Denkweise – beim Spielwitz nicht immer erste Wahl.“ Thomas Groll, Professor für Internationales Management. Foto: OTH

Zur Integration, ergänzt Groll, gehörten Alltagsbetreuung, Sprachvermittlung sowie Hilfe bei den Alltagsgeschäften. „Das sind die üblichen Standards, stellen aber allein noch kein Wohlbefinden her. Das lässt sich auch nicht allein über die Losung ,Arbeit verbindet‘ bewirken. Was fehlt, ist das Verständnis für fremde Verhaltensweisen.“ Mit anderen Worten: Interkulturelles Lernen tut nicht nur den Gästen gut, sondern auch den Gastgebern.

Vereine und Unternehmen hätten gute Rahmenbedingungen für erfolgreiche Integration geschaffen, will der Wissenschaftler sich nicht missverstanden wissen. „Das Feld ist bestellt, aber es ist noch zu statisch und zu unflexibel.“

Ähnlich wie die Industrielandschaft teilt sich auch die Bundesliga in die Großen, Namhaften, die sich wie Bayern München und Borussia Dortmund nach dem europäischen Thron recken, und die Kleinen, denen es um regionale Dominanz geht.

Allen voran Bundesliga-Aufsteiger SC Paderborn. In Ostwestfalen spart man sich aus Kostengründen einen Integrationsbeauftragten. „Spieler aus dem Ausland sind in der Regel teuer, weil sie hoffen, in Deutschland mehr zu verdienen als in ihrem Heimatland“, erläutert Pressesprecher Matthias Hack. „Wir können uns weder fertige Spieler aus der Bundesliga noch Spieler aus dem Ausland leisten, wir zahlen keine Millionenbeträge.“ Der SC Paderborn hatte in der abgelaufenen Saison mit 6,2 Mio. € den zweitkleinsten Etat der zweiten Liga, in der ersten Liga werde die Politik der kleinen Schritte beibehalten.

Auf Spieler aus der Ferne wolle man auch verzichten, weil „das Sprachproblem nicht zu unterschätzen ist“, so Matthias Hack. „Unsere Philosophie ist es schon seit Jahren, junge, hungrige Spieler aus unteren deutschen Ligen aufzubauen. Ähnliches gilt für die Trainer. Damit sind wir gut gefahren. Da reicht der deutsche Spielermarkt.“

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