In der Coronakrise kaufen Kunden später und günstigere Autos
Covid-19 verändert das Autokaufverhalten weltweit. Das zeigt eine groß angelegte Studie der Managementberatung Berylls Strategy Advisors. Deutsche und US-Bürger zeigen sich vorsichtig, chinesische Käufer dagegen optimistisch.

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In allen analysierten Märkten werden Neuwagenverkäufe zeitlich verschoben, vielfach um mehr als sechs Monate. Das Budget für eine Neuanschaffung sinkt. Die Folgen unterscheiden sich dabei der Studie zufolge von Land zu Land. Es liegt auf der Hand, dass die Pandemie einen tiefgreifenden Einfluss auf das Verhalten von Autokäufern hat. Wie der im Einzelnen aussieht, ist aber bislang vielfach spekulativ. Diesen Spekulationen begegnet Berylls Strategy Advisors nun mit fundierten Aussagen, die auf einer repräsentativen Umfrage in den wichtigen Automärkten China, Deutschland und den USA basieren. Für die Analyse wurden mehr als 3000 Personen in Deutschland, China und den USA befragt. Die drei Nationen befinden sich in unterschiedlichen Stadien der Coronakrise. China hat die Schockstarre bereits weitestgehend abgeschüttelt. Deutschland befreit sich nach und nach von den Fesseln der Pandemie, liegt dabei etwa drei Monate hinter China. Die USA stecken aktuell noch am tiefsten in der Krise, entsprechend stark werden die dortigen Autoverkäufe gebremst.
US-Bürger vorsichtig, Chinesen optimistisch

Wie die Studie zeigt, sind die Kaufentscheidungen der US-Amerikaner noch von großer Sorge um einen Jobverlust geprägt. In Deutschland herrscht zwar ebenfalls eine gewisse Verunsicherung, die aber eher psychologischer Natur ist. Die chinesischen Studienteilnehmer sind dagegen sehr optimistisch und geben an, dass Regierung und Industrie die Situation meistern. Damit ist eine große Hürde aus dem Weg geräumt, die in anderen Märkten den Autokaufwunsch weiterhin hemmt. Chinesische Zulassungszahlen der vergangenen zwei Monate zeichnen deshalb bereits ein positives Bild, auch wenn längst noch nicht alle Marken ihr Vor-Corona-Niveau erreicht haben.
Einer der Gründe ist, dass rund die Hälfte der chinesischen Kunden (54 %) einen Neukauf um sechs oder mehr Monate aufschiebt. In den USA vertagen 58 % den Neukauf und in Deutschland verlagern sogar 62 % den Kauf um mehr als ein halbes Jahr. Andreas Radics, geschäftsführender Partner bei Berylls Strategy Advisors: „Die starken Verschiebungen bei Neukäufen lassen den Konjunkturmotor natürlich nur stark verzögert anspringen. Die gute Nachricht ist immerhin, dass nur 1 % bis 2 % der Kunden ganz von einem Kauf absehen wollen. Es gibt also eine Chance für die OEMs, die in 2020 verlorenen Umsätze im kommenden Jahr nachzuholen.“
Nicht nur die verschobenen Käufe wirken sich negativ aus. Viele Studienteilnehmer geben außerdem an, ihr Kaufbudget zusammenzustreichen. 40 % der Kunden wollen weniger ausgeben als ursprünglich geplant. Dabei unterscheiden sich die Auswirkungen von Markt zu Markt deutlich. So beabsichtigen viele deutsche Kunden, auf eine günstigere Marke zu wechseln. 43 % der Premiumfahrer denken an den Kauf bei einem billigeren Hersteller, 35 % der Volumenkäufer wollen bei einer preisgünstigeren Marke einkaufen und 29 % der Volumenkunden wollen zusätzlich bei Ausstattung und Motorisierung sparen. Bei den Premiumkunden werden sich voraussichtlich nur 18 % einschränken und weniger Extras ordern.
Auftrieb für die Luxusklasse in China
Chinesen tendieren zu einem kleineren Auto (50 % bei Volumen-, 38 % bei Premiumkunden), alternativ greifen sie zu einer günstigeren Marke. Ein Gebrauchtkauf ist keine echte Option. Lediglich 7 % der Volumen- und Premiumfahrer erwägen, auf den Secondhandmarkt zu wechseln. Jan Burgard, geschäftsführender Partner bei Berylls Strategy Advisors: „Grundsätzlich wollen Chinesen weiterhin automobil aufsteigen, ein Premiummodell bleibt für fast zwei Drittel aller Umfrageteilnehmer das Ziel. Auch die Luxusklasse wird in China weiter Auftrieb erhalten, wie unsere Analyse zeigt. Immerhin 11 % der Befragten geben an, beim nächsten Kauf ein Luxusmodell ordern zu wollen. Dagegen sind das Klein- und das Kompaktwagensegment deutlich rückläufig. Dieser Trend ist vor allem für die Volumenhersteller problematisch.“
Die stärksten Änderungen sieht die Studie auf dem US-Markt. Denn Amerikaner nehmen verstärkt Gebrauchte in den Fokus. 32 % Premiumfahrer denken an den Kauf eines Gebrauchten (Volumenfahrer: 28 %). 30 % Volumenkunden wollen eher bei einer günstigeren Marke einkaufen (Premium 28 %). 32% der Premiumkunden denken dagegen an Downsizing und wollen ein kleineres Premiummodell erwerben. Dagegen beabsichtigen nur 29 % der Volumenkunden, in der Fahrzeugklasse abzusteigen.
BMW und Mercedes legen in der Käufergunst zu
Einige Marken verlieren durch die Krise in der Käufergunst, bei anderen nimmt das Interesse dagegen spürbar zu. Grundsätzlich befinden sich die Premiumanbieter in einer komfortableren Position, ihre Produkte finden weiterhin großen Zuspruch. Wobei sich der US-Markt gegen diesen Trend entwickelt: Acura, BMW, Mercedes und Volvo verschwinden dort von der Einkaufsliste vieler Umfrageteilnehmer. In Deutschland und China können BMW und Mercedes dagegen zulegen. Als Krisengewinner steht dennoch vor allem Tesla da. Die E-Auto-Modelle des kalifornischen Anbieters stehen bei vielen Teilnehmern in allen drei Märkten ganz oben in der Käufergunst, mit großem Abstand zu den anderen Marken, startet allerdings auch von einem wesentlich niedrigeren Niveau als die klassischen Premiumanbieter. Schlecht läuft es dagegen vor allem für die Volumenhersteller, die herbe Einbrüche bei den Kaufabsichten hinnehmen müssen.
Beim E-Mobil sind Deutsche vom Geldbeutel getrieben

Einen langfristigen Corona-Einfluss auf die E-Mobilität lässt die Umfrage nicht erkennen. Indirekt wirkt sich die Pandemie allerdings sehr wohl aus, weil die aktuellen Förderprogramme und Rabatte beim Kauf von E-Autos deren Verkaufszahlen anziehen lassen. Bemerkenswert sind die Aussagen chinesischer und amerikanischer Umfrageteilnehmer, die vor allem aus ökologischen Beweggründen zum E-Mobil greifen, während die Mehrzahl der deutschen Kunden in erster Linie den monetären Aspekt (Förderprogramme, Rabatte) berücksichtigt, wenn sie zum elektrisch angetriebenen Neuwagen greift. In Deutschland und den USA bleibt die Kaufbereitschaft aber ohnehin auf eher schwachem Niveau. Denn neben den Anschaffungskosten sprechen niedrige Spritpreise und unzureichend ausgebaute Ladeinfrastrukturnetze gegen den Erwerb. Bei einigen chinesischen Kunden existieren weiterhin technische Vorbehalte, die sie vom Kauf eines E-Autos abhalten.
Zu Hochzeiten der Krise fuhren Busse und Bahnen praktisch leer von A nach B, die Angst vor einer Ansteckung war größer als der Bedarf, kostengünstig unterwegs zu sein. Tatsächlich ging das Nutzungsverhalten von Shared Mobility insgesamt zurück. Auch Taxiunternehmen und die Anbieter von Carsharing und anderen geteilten Personentransportangeboten mussten schmerzhafte Einbußen hinnehmen. Aus Angst vor Ansteckung geben zwischen 60 % und 80 % der Umfrageteilnehmer an, dass sie künftig vermehrt mit ihrem eigenen Auto fahren wollen. Zwischen 20 % und 40 % der Nutzer der Shared Mobility, die derzeit kein Auto besitzen, geben an, dass sie angesichts der Krise sogar einen Fahrzeugkauf in Erwägung ziehen. Vor allem in China wird der Wunsch nach einem eigenen Auto geäußert.
Aber auch bei Shared Mobility gibt es einen Corona-Gewinner: den E-Scooter. Besonders in China, aber auch in Deutschland geben die Umfrageteilnehmer an, dass sie in den kommenden Monaten verstärkt auf die kleinen Roller umsteigen wollen, vielfach zum Nachteil des klassischen ÖPNV.