ANTRIEBSTECHNIK 19. Apr 2018 Carmen Klingler-Deiseroth Lesezeit: ca. 3 Minuten

Ein effizienter Motor macht noch kein verlustarmes System

Noch höhere Wirkungsgrade bei Motoren führen nicht per se zu mehr Energieeinsparungen.

Weniger ist mehr: Energieeffiziente Antriebe wie der Reluktanzmotor (links im Bild) werden auf der Hannover Messe ein Thema sein.
Foto: M. Ciupek

Asynchronmotoren haben rund zehn Jahre Regulierung hinter sich. In mehreren Schritten wurden mit der Ökodesign-Verordnung 640/2009 der Europäischen Kommission Mindestwirkungsgrade für den Nennbetrieb verschärft. Das Problem ist nur: In der Praxis läuft kaum ein netzgespeister, elektrischer Motor dauerhaft im Nennbetrieb.

Per Gesetz müssen heute in den Leistungsklassen von 0,75 kW bis 375 kW Motoren der Effizienzklasse IE3 eingesetzt werden, oder alternativ dazu IE2-Motoren mit Frequenzumrichter. Obwohl die Transformation des Marktes mit hohen Investitionen der Motorenhersteller verbunden war, ist bisher kein großer Effekt bezüglich Energieeinsparung eingetreten: Noch immer verbrauchen von E-Motoren angetriebene Systeme rund 70 % des in der Industrie benötigten Stroms – oder annähernd 160 TWh.

„Daraus könnte man schließen, dass das Instrument der Gesetzgebung mit immer höheren Wirkungsgraden einer Komponente eines Antriebssystems ungeeignet ist“, sagt Peter Zwanziger, verantwortlich für Standards & Regulations for Electric Drives bei Siemens. Gleichzeitig appelliert er an den gesunden Menschenverstand in der praktischen Anwendung: „Besser ist es, statt Überregulierung den freien Wettbewerb zuzulassen. Eine normenbasierte Systemanalyse, die auf physikalischen Grundlagen beruht – und deren Umsetzung mit allen geeigneten Technologien – könnte der Industrie ökonomische und ökologische Energieeffizienz bringen.“

Werkzeug für eine solche Analyse ist die Norm EN 50598–2, die Verluste der Antriebskomponenten Motor und Frequenzumrichter auch im Teillastbereich betrachtet. Zwar bedeutet es für die Komponentenhersteller einen hohen Aufwand die Norm anzuwenden. Umso einfacher ist es aber für denjenigen, der ein elektromotorisch angetriebenes System entwickelt: Er muss nur noch Verluste von Motor und Frequenzumrichter addieren und kann so das energieeffizienteste Antriebssystem herausfinden.

Danfoss hat dafür zum Beispiel die App ecoSmart entwickelt und verbessert diese kontinuierlich. „Im nächsten Release binden wir eine große Motordatenbank ein, die es den Anwendern einfach macht, den Antriebsstrang nach der EN 50598 zu beurteilen“, sagt Michael Burghardt, Leiter Produktmarketing Deutschland bei Danfoss Drives. Die neue Version soll zur Hannover Messe in App-Stores zur Verfügung stehen. Als Norm ist die EN 50598 zwar nicht gesetzlich verpflichtend. Dennoch gewinnt sie an Bedeutung: Sie wurde in die internationale Norm IEC 61800–9–2 überführt und wird nach einer Übergangszeit von drei Jahren durch diese ersetzt.

Seit 2016 gibt es zudem die Technische Spezifikation IEC TS 60034–30–2, die ausschließlich drehzahlgeregelte Motoren in die Effizienzklassen IE1 bis IE5 einteilt. „Damit können Asynchronmotoren für den Netzbetrieb und drehzahlgeregelte Motoren wie Synchron-Reluktanzmotoren nach gleichen Maßstäben miteinander verglichen werden“, sagt Ralf Peschel, Produktmanagement Niederspannungsmotoren bei ABB. Mit dieser „Vornorm“ sollen die meisten IE4-Synchron-Reluktanzmotoren des Konzerns in der aktuellen Ausführung die Wirkungsgradklasse IE5 erreichen. Der Motorenhersteller KSB wirbt gar seit Januar 2017 mit der IE5-Klassifizierung seines Supreme-Motors. Gegenüber IE4-Motoren soll er bis zu 20 % weniger Verluste haben.

Von der Energieeffizienz der Reluktanzmotoren überzeugt, drängen neue Hersteller in diesen Markt: So hat Bonfiglioli im vergangenen Jahr Synchron-Reluktanzmotoren mit der Typenbezeichnung BSR im Paket mit Frequenzumrichter vorgestellt. „Mit der gleichen mechanischen Größe und Struktur wie ein herkömmlicher IE2-Asynchronmotor bietet diese Lösung mit der Wirkungsgradklasse IE4 eine wesentlich höhere Effizienz“, sagt Adriano Chinello, Global R&D und Marketing Director bei Bonfiglioli Mechatronic Drives & Solutions.

Andere Hersteller wie Siemens erweitern die Palette ihrer Synchron-Reluktanzmotoren in die höheren Leistungsklassen. Damit beschränkt sich die Auswahl an Antrieben für eine Anwendung nicht mehr nur auf Asynchronmotoren. Das ist vor allem dann relevant, wenn im Teillastbereich hohe Wirkungsgrade gefordert sind.

Mit einer elektronischen Drehzahlregelung lässt sich bei Antriebssystemen der Energieverbrauch bedeutend senken. Allerdings verursachen die dazu benötigten Frequenzumrichter Netzrückwirkungen, die bei zunehmendem Einsatz der Komponenten zu unerwünschten Verzerrungen der Spannung und des Stroms in den Netzen führen. ABB hat nun eine neue Generation von Frequenzumrichtern entwickelt, die die Bremsenergie von Elektromotoren als annähernd oberschwingungsfreien Strom ins Netz zurückspeisen.

Da das Thema Netzrückwirkungen an Bedeutung gewinnt, setzen sich im Forschungsprojekt DC-Industrie Unternehmen aus der Industrie, Forschungsinstitute und der ZVEI damit auseinander. „Basis ist ein Gleichspannungsnetz mit einer zentralen Einspeisung. Damit muss sich dann keiner mehr um Netzrückwirkungen durch Frequenzumrichter kümmern“, sagt Karl-Peter Simon, Geschäftsführer von Bauer Gear Motor. Als weiteren Effekt der zentralen Einspeisung erwarten die Projektteilnehmer kompaktere Frequenzumrichter, die zudem günstiger sind, da Spannungsgleichrichtung und Netzfilter entfallen. Diese Frequenzumrichter lassen sich einfacher in den Motor integrieren. „Ziel ist, dass erste Komponenten für unsere Versuchsanlagen im zweiten Quartal 2018 zur Verfügung stehen“, ergänzt Simon.

Auch mit Intelligenz in Antriebssystemen lässt sich Energie ohne Regulierung sparen. In Hannover zeigt zum Beispiel Bosch Rexroth intelligente Antriebe in Hydraulikaggregaten und servohydraulischen Achsen. „Durch eine bedarfsgerechte Drehzahlregelung lässt sich damit bis zu 80 % Energie einsparen“, sagt Volker Schlotz, Leitung Markt und Produktmanagement Antriebssysteme, bei Bosch Rexroth.

Die Auswahl an Motoren- und neuen Technologien für energieeffizientere Antriebslösungen steigt beständig. Um Energiesparpotenziale zu heben, ist eine Systemanalyse notwendig. Es genügt nicht, nur danach zu fragen, was der Gesetzgeber fordert.

har

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