ENERGIEVERBRAUCH 28. Jun 2019 Christa Friedl Lesezeit: ca. 4 Minuten

Einfach mal abschalten ist nicht erlaubt

Kliniken leiden an ineffizienter Energieversorgung und vergeuden jedes Jahr Millionen. Ein Simulationsmodell vom Fraunhofer-Institut Umsicht bringt Licht ins Dunkel der Technikzentralen und hilft beim Sparen.

Energieverbrauch in der Klinik: Um den Verbrauch senken zu können, müssen zunächst die tatsächlichen Verbräuche gemessen werden. Hier geschieht dies mit Rogowski-Schleifen im Schaltschrank eines Krankenhauses.
Foto: Fraunhofer-Umsicht

Patienten machen sich über die Energieversorgung ihrer Klinik und darüber, ob möglicherweise viel Strom und Wärme vergeudet wird, nur selten Gedanken. Sie haben andere Sorgen. Aber auch diejenigen, die es angeht – Technikpersonal, Betreiber und die zahlreichen Nutzer – beschäftigen sich damit eher selten. Die Folge: Zahlreiche Kliniken versorgen sich mit ineffizienten Anlagen und alten Leitungsnetzen, die zudem unzureichend gewartet und selten an den Bedarf angepasst sind.

Krankenhäuser vergeuden schätzungsweise 25 % bis 40 % an Strom, Wärme und Kälte. Schon eine einzige Abteilung mit sechs OP-Räumen könnte im Jahr rund 100 000 € sparen – allein dadurch, dass Klimaanlagen und Luftbefeuchter nachts abgestellt werden.

Kliniken sind für Energiesparmanager allerdings schwierige Fälle. Sie haben eine komplexe Versorgungsstruktur, müssen rund um die Uhr für den Notfall gerüstet sein, werden ständig umgebaut und erweitert. Gleichzeitig leiden auch Krankenhäuser unter steigenden Energiekosten und suchen nach Auswegen. Nur wo anfangen? Welche Maßnahmen wirken durchgreifend, stören zugleich aber nicht die Abläufe einer Klinik? Welche Technik amortisiert sich besonders schnell?

Eine große Rolle spielen die raumlufttechnischen Anlagen (RLT). Sie liefern Frischluft, kühlen und wärmen, sichern den Betrieb empfindlicher Großgeräte und sind unerlässlich für die Hygiene im OP. Gerade die RLT verbrauchen aber besonders viel Energie, denn sie müssen hohe Anforderungen bezüglich Hygiene, Temperatur, Feuchtigkeit und Luftwechselraten erfüllen.

Generell gilt: Energiespartechnik ist eine Querschnittstechnik und daher auch für Krankenhäuser geeignet. Besonders wirkungsvoll sind ähnlich wie in großen Bürokomplexen oder in Betrieben der Austausch alter Geräte und Komponenten, die Verringerung von Druckverlusten, eine konsequente Überwachung und Wartung. Hilfreich ist zudem eine Modernisierung von Kältemaschinen oder eine dezentrale Luftaufbereitung in mehreren kleineren Anlagen.

Allerdings: Kaum ein Krankenhaus kennt seinen Energieverbrauch oder die wesentlichen technischen Verbraucher, geschweige denn Kennlinien und Daten einzelner Aggregate. „Man braucht allein zwei Stunden, um sich mithilfe von Plänen, Technikern und Ortsbegehung ein Bild einer einzelnen Anlage zu machen.“ Diese Erfahrung hat Anne Hagemeier gemacht. Die Ingenieurin für Energie- und Umwelttechnik ist Mitglied in einem kleinen Team beim Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (Umsicht), das sich in Zusammenarbeit mit den Ingenieurbüros Potthoff und Gasag Contracting um Energieeffizienz in Krankenhäusern kümmert.

Die Experten entwickeln derzeit im Rahmen des Fraunhofer-Projekts Hospital Engineering ein Simulationsmodell, mit dem sich der Ist-Zustand einer Klinik oder eines Klinikbereichs abbilden lässt. Im zweiten Schritt dann werden die Auswirkungen von Sparmaßnahmen modelliert. Im Marien-Hospital Wesel wird dazu die Energieversorgung und im Huyssenstift der Kliniken Essen-Mitte die Verbrauchsseite abgebildet. Hier erheben die Forscher seit vergangenem Jahr Daten und führen Messungen durch, um das Modell für Krankenhäuser zu validieren.

Eine knifflige Aufgabe. Die Zahl der notwendigen Mitspieler ist groß: Ventilatoren, Erwärmer, Kühler, Befeuchter, Filter, Pumpen, Wärmerückgewinnungssysteme und ein weites Netz von Versorgungsleitungen. Außerdem müssen in ein Modell Daten der Gebäude und Räume, deren Wärmeübergänge und Wärmeverluste einfließen. Zudem besteht ein Krankenhaus energetisch aus ganz unterschiedlichen Bereichen: Ein OP-Bereich wird anders versorgt als die Großküche, ein Patientenzimmer anders klimatisiert als der zentrale Computerraum. Nicht zuletzt spielt die jeweilige Nutzung und Belegung von Räumen oder Bereichen eine Rolle – und die ändert sich in einer Klinik öfter, als man glaubt.

Für ihr Modell nutzt das Umsicht-Team zum einen Eingangsdaten direkt von Plänen oder den Anlagen. Die meisten Daten erheben und erfragen die Experten allerdings selbst. Daraus erstellen sie ein mathematisches Modell der Gebäude, bestimmen die Energieströme, berechnen die Verbräuche in einzelnen Räumen und Zonen. Die Klinik bzw. der Klinikbereich wird dabei aus vordefinierten Bausteinen, die in einer Bibliothek hinterlegt sind, zusammengesetzt. Am Beispiel der RLT bedeutet dies, dass alle Energieverbraucher vordefiniert sind. Aus diesen Komponenten lassen sich nach Eingabe von charakteristischen Größen wie Ventilatorwirkungsgrad und Volumenstrom die jeweiligen Lüftungsanlagen des Krankenhauses simulieren.

Um ihr Modell zu testen, simulierten die Fraunhofer-Forscher für einen OP-Bereich mit einem Bedarf von 10 000 m3 Frischluft pro Stunde fünf gängige Energiesparmaßnahmen. Darunter die Absenkung der Lufttemperatur, eine effizientere Steuerung der Ventilatoren und den Einbau von Wärmerückgewinnungsanlagen. Dabei zeigte sich: Am wirkungsvollsten war unter den gegebenen Bedingungen die Rückgewinnung der Wärme aus Abluft. Gleichzeitig erwies sich eine niedrigere Zulufttemperatur nicht in jedem Fall als energiesparend, denn bei kühlerer Luft steigt der Kältebedarf für die Entfeuchtung.

Alle Energiesparkonzepte für Kliniken stehen und fallen mit der Anpassung der Betriebszeiten. „In vielen Kliniken laufen RLT-Anlagen rund um die Uhr, obwohl die meisten nachts nicht benötigt werden“, weiß Klaus Armonies, Technischer Direktor der St. Josef Krankenhaus GmbH Moers.

Zwar braucht so gut wie jeder im Krankenhaus Strom, Frischluft, Heizung und Kälte – für Energiesparen und Effizienz dagegen fühlt sich in der Regel niemand zuständig. Das heißt im Umkehrschluss: Einfache Maßnahmen zum Energiesparen sind in der Regel die besten. Sie müssen schnell wirken, leicht zu bedienen sein und so gut wie von allein funktionieren. Dazu gehört ein sogenannter Bereitschaftstaster. Er wird gedrückt, wenn beispielsweise der OP nachts für einen Notfall schnell in Betrieb gehen muss und steuert alle dafür notwendigen Anlagen.

Kliniken sind noch aus einem anderen Grund schwieriger zu managen als andere große Energieverbraucher. Sie gehören zum weiten Zuständigkeitsbereich der Gesundheitsämter. Und diese Ämter haben beim Betrieb von RLT in Krankenhäusern ein wichtiges Wort mitzureden. Entscheidende Norm für die Belüftung beispielsweise ist die DIN 1946 mit ihren Anforderungen, Bemessungs- und Ausführungsregeln. „Dummerweise sieht sie vor, dass das Abschalten von technischen Vorsorgeeinrichtungen in jedem einzelnen Fall die Genehmigung des zuständigen Gesundheitsamtes braucht,“ betont Wolfgang Siewert, Vizepräsident der Fachvereinigung Krankenhaustechnik.

Daran stoßen sich immer mehr Betreiber von Kliniken, die ihre Energiekosten senken wollen oder müssen. Laut Siewert wird derzeit intern diskutiert, wie die Genehmigungspraxis für eine bedarfsangepasste RLT erleichtert werden kann. „Wir können es uns nicht mehr leisten, dass die über 2000 Krankenhäuser in Deutschland Energie vergeuden, weil sie nachts ihre Versorgungsanlagen nicht abschalten dürfen.“

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