Elektroindustrie ist Schlüssel zum Klimaschutz
Digitalisierung und Klima sind die übergreifenden Themen der anbrechenden Dekade. In Frankfurt erläuterte der ZVEI, wie er die künftige Rolle der Elektroindustrie in diesen Schlüsselfragen sieht.

Foto: Jens D. Billerbeck
Bei den großen Fragen des beginnenden Jahrzehnts kommt der Elektroindustrie eine Schlüsselrolle zu. Davon ist Michael Ziesemer, Präsident des ZVEI, überzeugt. „Die 20er-Jahre werden eine Dekade der Digitalisierung und Vernetzung sein, eine Dekade der Elektrifizierung und damit verbunden eine Dekade der Dekarbonisierung“, sagte er heute in Frankfurt auf der Jahresauftakt-Pressekonferenz seines Verbands.
Er ist überzeugt, dass angesichts der sich nochmals beschleunigenden Digitalisierung und des Klimawandels mit dem Ausstieg aus fossilen Energieträgern ein neues industrielles Zeitalter eingeläutet wird. „Wir werden hierzu einen wichtigen Beitrag leisten, denn als Leitbranche der Digitalisierung sehen wir die Elektroindustrie in einer besonderen Verantwortung.
EU setzt Zeichen beim Datenschutz
Dazu gehört für ihn insbesondere der verantwortungsvolle Umgang mit den Daten, die künftig in nie gekannter Menge anfallen werden. „Die USA und China – unsere schärfsten Herausforderer – haben sich offenbar entschieden“, konstatierte Ziesemer. Auf der einen Seite würden Daten binnen kürzester Zeit in neue Geschäftsmodelle mit den Konsumenten in Sachen Werbung und Onlinehandel übersetzt. „Auf der anderen Seite werden Daten in beunruhigender Weise zur staatlichen Überwachung genutzt, was unserem freiheitlichen Verständnis diametral entgegensteht.“
Beides sei nicht gleichzusetzen, geschehe aber rigoros und ohne größere Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes. Hier habe die EU mit der Datenschutzgrundverordnung bereits ein deutliches Zeichen gesetzt. „Unser Bestreben muss es sein, digital souverän handeln zu können“, unterstreicht der ZVEI-Präsident. Diesen Anspruch formuliert er in folgenden Thesen:
Klare Regeln für Daten und Plattformen
Eine digitale Souveränität könne Europa nur erreichen, wenn es sich klare Regeln für die Daten- und Plattformökonomie gibt, die breites gesellschaftliches Vertrauen genießen. Des Weiteren seien die kommende Mobilfunktechnologie 5G und die Gaia-X-Initiative zur sicheren europäischen Cloud-Plattform entscheidend für eine digitale Infrastruktur, die aktuell bestehende Defizite ausgleiche. Ziesemer: „Dazu müssen sie schnell zur Anwendung gebracht werden.“ Und drittens hänge alles an einer ausreichenden Zahl digitaler Fachkräfte. Hier müssten die Anstrengungen kräftig erhöht werden.
Mit den „Leitlinien zum verantwortungsvollen Umgang mit Daten und Plattformen“ hat der Verband seine Überzeugungen zu Papier gebracht. Man wolle damit eine gesellschaftliche Diskussion anstoßen und gleichzeitig Unternehmen eine Orientierung geben, wie Daten künftig richtig genutzt werden können, so Ziesemer.
Daten sind nicht gleich Daten
Personenbezogenen Daten gelten für den ZVEI-Präsident als besonders schützenswert. Gleichzeitig plädiert er dafür, dass diese in anonymisierter oder pseudonymisierter Form genutzt werden sollen, wenn sie – z. B. in der medizinischen Forschung – dem gesellschaftlichen Allgemeinwohl zugutekommen.
Bei maschinenbezogenen Daten setzt sich der ZVEI dafür ein, dass ein Datenaustausch zwischen Partnern hier vertraglich zu regeln sei. Ziesemer rät hier dem Gesetzgeber ausdrücklich zur Zurückhaltung, weil er die Mechanismen des Vertrags- und Kartellrechts für ausreichend hält, um für fairen Interessenausgleich zwischen Partnern zu sorgen. So könne digitale Wertschöpfung in der stark mittelständisch geprägten Industrie hierzulande am besten entstehen.
Breitbandausbau ungenügend
Harte Kritik übte Ziesemer an der digitalen Infrastruktur in Deutschland. „Seit Jahren kritisieren wir den unzureichenden Breitbandausbau, der den Anforderungen eines Industrielands keineswegs genügt.“ Ausdrücklich begrüßte er die Entscheidung, einen Teil des 5G-Spektrums der Industrie für sogenannte Campusnetze zur Verfügung zu stellen. Erste Anträge dafür seien im Dezember bei der Bundesnetzagentur gestellt worden. Zur Hannover Messe erwartet er erste Testszenarien.
Wolfgang Weber, seit wenigen Wochen Vorsitzender der Geschäftsführung des ZVEI, unterstrich in Frankfurt die hohe Bedeutung, der der Elektronikindustrie beim Klimaschutz zukomme. Strom aus erneuerbaren Quellen sei künftig der vorherrschende Energieträger, der eher schneller denn langsamer fossile Energieträger ersetzen müsse.
EEG auf den Prüfstand
In diesem Kontext plädierte er für eine faire Bepreisung von CO2 über die Sektorengrenzen hinweg. Gleichzeitig müsse aber sauberer Strom entsprechend billiger werden. Weber: „Dazu muss das ganze System aus Umlagen, Abgaben und Steuern auf den Prüfstand.“ Das Erneuerbare-Energien-Gesetz sei zwar effektiv im Sinne eines schnellen Ausbaus der Erneuerbaren gewesen, es sei aber nicht effizient im Sinne einer nachhaltigen Energiewende. „Dabei spielt der Netzausbau ebenso eine Rolle wie die intelligente Bewirtschaftung bestehender Kapazitäten.“
Wirtschaftlich war das Jahr 2019 für die Branche herausfordernd: Die Produktion fiel in den ersten elf Monaten um rund 4 %, der Jahresumsatz wird auf 191 Mrd. € geschätzt. Trotz konjunktureller Abschwächung sei die Zahl der Beschäftigten mit 880 000 unverändert hoch. Angesichts weiter bestehender Risiken in Sachen Handelsstreit und Brexit rechnet der ZVEI für 2020 mit einer „bestenfalls stabilen Entwicklung“. Also mit einer Null beim Umsatzwachstum.