Baustelle Ökostrom – Wind weiter im Abwärtstrend
Um den Ökostromausbau in Deutschland wieder in Schwung zu bringen, muss bald etwas passieren. Jüngste Vergabe für Windkraftanlagen fiel wieder mau aus. Internationale Energieagentur sieht Deutschland beim Klimaschutz auf gutem Weg.

Foto: PantherMedia /Sebastian Heinrich
Es war nur ein Strohfeuer: Gestern veröffentlichte die Bundesnetzagentur die Zuschläge für Windkraftanlagen an Land. Erneut war die Ausschreibung unterzeichnet, das heißt: Für die ausgeschriebenen 900 MW an Nennleistung gab es zu wenig Angebot. Nur 527 MW wurden eingereicht. In der Dezember-Ausschreibung war die Ausschreibung erstmals seit Jahren wieder überzeichnet und die Branche hatte sich Hoffnung gemacht, dass die Talsohle der Installations- und Auftragsflaute in Deutschland erreicht sei.
„Das aktuelle Ergebnis zeigt, dass die leicht positive Entwicklung der letzten Ausschreibung vom Dezember 2019 leider nicht nachhaltig war. Das Ausbautief für Windenergie an Land muss jetzt endlich überwunden werden – zugunsten von Wertschöpfung und Beschäftigung in der Branche und zugunsten von Klimaschutz“, sagte Matthias Zelinger, Geschäftsführer VDMA Power Systems.
Ursache für den stockenden Windkraftausbau sind lange Planungs- und Genehmigungsphasen, resultierend auch aus dem Widerstand von Anwohnern. Zelinger fordert daher eine „schnellere Rechtssicherheit von Genehmigungen“, sprich kürzere Verfahrensdauer durch weniger Klagemöglichkeiten. Er fordert aber auch, mehr Flächen auszuweisen und für mehr Akzeptanz zu werben.
Ökostromausbau muss wieder vorankommen
Der stockende Windkraftausbau an Land ist aber nur eine Baustelle. Nach Angaben von Kerstin Andreae, der Vorsitzenden der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), dürfte im Mai oder Juni die gesetzlich festgelegte Obergrenze für den Ausbau der Photovoltaik von 52 GW Nennleistung erreicht sein.
Die Energiebranche erwarte „zügiges Handeln der Bundesregierung und schnellstmöglich ein Artikelgesetz zum Ausbau der erneuerbaren Energien“, so Andreae. Der Deckel auf dem Photovoltaikausbau müsse aufgehoben werden, das Ausbauziel für Windkraftanlagen auf See erhöht und die Abstandsregeln bei Onshore-Windkraft geklärt werden.
Abstandsregel bei Windkraft verzögert schnelle Lösung beim Öko-Stromausbau
Es eilt also. „Ich möchte appellieren, dass wir nicht auf eine EEG-Novelle warten“, sagte Andreae bereits vor Wochenfrist auf der Energiebranchenmesse E-World in Essen. „Wir brauchen ein schnell auf den Weg zu bringendes Artikelgesetz.“
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier setzt für eine zügige Lösung, die er nach eigenen Worten auch anstrebt, auf die am 12. März stattfindende Bund-Länder-Konferenz. Sie soll konkrete Ergebnisse liefern, nicht nur beim PV-Deckel, sondern auch beim Planungsrecht. Problem ist, dass der weitere Solarausbau politisch verkoppelt wird mit Abstandsregelungen beim Windausbau an Land, der in der Regierungskoalition aus CDU, CSU und SPD heftig umstritten ist.
Strombedarf in Deutschland wird durch Energiewende steigen
Der Öko-Stromausbau ist nicht nur wichtig, um das Ausbauziel von 65 % bis zum Jahr 2030 noch erreichen zu können. Hinzu kommt, dass der Strombedarf durch die Elektrifizierung des Verkehrs, des Wärmesektors und von Industrieprozessen steigen wird. Zudem müssen bis dahin voraussichtlich rund 30 GW an wegfallenden Kapazitäten gesicherter Leistung aus Kern- und Kohlekraftwerken ersetzt werden.
Das Bundeswirtschaftsministerium aber geht offiziell immer noch von einem sinkenden Strombedarf aus. Eine Tatsache, die nicht nur die BDEW-Vorsitzende Andreae nicht nachvollziehen kann: „Das funktioniert nicht.“ Man müsse vielmehr deutlich sagen, dass der Strombedarf steigt. Das sah in Essen auf der E-World auch der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart so: „Wir brauchen sehr viel grünen Strom.“ Der Bedarf an erneuerbaren Energien steigt massiv durch die Anforderungen der Industrie für klimaneutrales Produzieren, Sektorkopplung und Wasserstofferzeugung. „Der hierfür erforderliche Zubau wird allerdings nur mit klaren politischen Entscheidungen stattfinden können“, meint VDMA-Experte Zelinger.
Windkraft an Land hat massiven Zubaubedarf
Der Bau neuer Windkraftanlagen onshore ist in Deutschland massiv gesunken – 2019 wurde nach Branchenangaben so wenig zugebaut wie seit dem Jahr 2000 nicht mehr. „Auch aufgrund des Einbruchs beim Windenergieausbau schätzen wir, dass bis 2030 jährlich bereits etwa 3,7 GW netto Windkraft an Land neu zugebaut werden müssen, um das 65 %-Ziel noch zu erreichen“, heißt es beim BDEW.
Bei einer ausgeschriebenen Menge von 900 MW wurden 67 Gebote mit einem Volumen von 527 MW eingereicht, berichtete die Bundesnetzagentur gestern. 66 Gebote mit einem Volumen von 523 MW erhielten einen Zuschlag. Regional betrachtet, wurden jeweils 14 Zuschläge für Gebote in Schleswig-Holstein (103 MW) und in Nordrhein-Westfalen (97 MW) erteilt. Es folgen Thüringen (elf Zuschläge für 56 MW), Brandenburg (sechs Zuschläge für 59 MW) und Niedersachsen (sechs Zuschläge für 56 MW).
Deutschland beim Klimaschutz prinzipiell auf gutem Weg
Lob kam indes gestern von der Internationalen Energieagentur (IEA) in Paris. In einem neuen Länderbericht zu Deutschland wurde zwar bemängelt, dass sich das Land bisher zu sehr auf den Stromsektor fokussiert habe, aber der beschlossene sektorale und nationale CO2-Preis für Kraftstoffe und Wärme sei ein „wichtiger Schritt in die richtige Richtung“.
IEA-Chef Birol stellte den Bericht gestern in Berlin vor. Er lobte die nicht erwartete Verringerung der Treibhausgasemissionen in Deutschland 2019. Und der Bericht mahnt, endlich auch die Sektoren Wärme, Industrie und Verkehr mehr in den Fokus zu rücken und ebenfalls das Stromnetz schnell auszubauen und die geplante Wasserstoffstrategie schnell fertigzustellen.