Energiewende: Kräftige Brise für Windkraft aus Brüssel
Windenergie: Auf der in diesem Jahr virtuell abgehaltenen Kongressmesse Windenergy gab sich die Branche zuversichtlich. Der European Green Deal sorgte für den nötigen Rückenwind. Die Bundesregierung hingegen förderte die Windkraft weiterhin mit angezogener Handbremse.

Foto: Siemens Gamesa
Schon lange waren solche Sätze von Vertretern der deutschen Windkraftbranche nicht mehr zu hören: „Ganz fundamental sieht das eigentlich gut aus“, sagt Matthias Zelinger, Geschäftsführer des VDMA-Fachverbands Power Systems, anlässlich der Anfang Dezember virtuell abgehaltenen Kongressmesse Windenergy. Grund seien „die letzten politischen Entwicklungen“, erklärt der Verbandsmanager. Diese führten dazu, „dass wir tatsächlich wieder etwas sehen, was wir durchaus als Pro-Windenergie-Politik sehen würden“.
Der Optimismus hat handfeste Gründe. Im Offshore-Bereich seien die neuen Ziele durch das Windenergie-auf-See-Gesetz (20 GW bis 2030, 40 GW bis 2040) „sehr willkommen gewesen“, so Pierre Bauer, CEO von Siemens Gamesa Deutschland und Finanzchef für den Bereich Offshore: „Die Planungssicherheit hat sich in den letzten Monaten extrem erhöht.“ Dazu trägt die EU mit ihrem Green Deal (60 GW bis 2030 und 300 GW bis 2050) bei.
Gute Stimmung für Zukunft der Windkraft
„Das wieder anwachsende Ausschreibungsvolumen von 2021 bis 2028 schafft Sicherheit und Planbarkeit für die Branche und die Wirtschaft“, lobt Alex Robertson, Vertriebsleiter im deutschsprachigen Raum beim Windkraftanlagenhersteller Vestas, die neuen geplanten Regelungen für den Ausbau von Windenergie an Land.
Die Zulieferer hatten 2020 ohnehin nicht zu klagen, stellt Bernhard Zangerl klar, CEO bei Bachmann Electronic: „2020 war ein sehr gutes Jahr, getrieben primär durch einen dominanten Markt, nämlich den chinesischen Markt.“ Dieser habe weltweit für mehr als die Hälfte des Zubaus gesorgt.
Deutsche Windpolitik: Repowering-Strategie fehlt weiterhin
Bisherige Probleme bleiben: „Die für 2020 prognostizierten 1,5 GW sind zwar eine Verbesserung nach 1 GW 2019, aber für das Erreichen der Ziele brauchen wir viel mehr“, betont Robertson mit Blick auf den immer noch zu schwachen deutschen Markt. Dabei seien mehr Standorte und schnellere Genehmigungen entscheidender als Ziele und Zubauvolumen.
Vattenfalls Windchef Gunnar Groebler wünscht sich, dass die deutsche Politik endlich das Repowering zukunftsfähig regelt: „Die Standorte mit den älteren Anlagen sind häufig die windhöffigsten. Dort müssen wir zu einer Repowering-Strategie kommen.“
EEG-Einigung schiebt strittige Fragen bei Windkraft auf 2021
Gestern wurde schließlich bekannt, dass für die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) eine Einigung vorliegt. Das EEG 2021 soll danach am Donnerstag (17. 12. 2020) im Bundestag in dritter Lesung beraten und am Freitag auch im Bundesrat beschlossen werden.
Die bisher für die Windkraft bekannten Details sind jedoch aus Sicht des Bundesverbands Windenergie (BWE) ernüchternd. „Die Einigung zwischen SPD und Union kündigt viel an, liefert jedoch wenig Handfestes. Für den Masseträger der Energiewende ist dies ein Armutszeugnis“, so BWE-Präsident Hermann Albers.
Ambitionierter Öko-Stromausbau bei EEG-Reform ausgeklammert
Union und SPD wollen laut Einigung die Erhöhung der Ausbaupfade aus dem EEG-Prozess ausklammern. Stattdessen soll innerhalb des ersten Quartals 2021 ein Vorschlag durch die Bundesregierung zu den genauen Ausbaupfaden erfolgen. Zumindest beim Repowering hat die Bundesregierung nach BWE-Angaben angekündigt, es im Baurecht und Naturschutzrecht zu stärken.
Betreiber von Ü20-Windenergieanlagen, die ab 1. 1. 2021 aus der EEG-Förderung fallen, erhalten vorerst pro Kilowattstunde den Marktwert des Stroms plus 1 Cent. Zudem ist eine eigene Förderung für solche Bestandsanlagen geplant, auf die sich Betreiber bewerben können. Details dazu müssen noch geklärt werden.
Ohne Offshore-Windkraft keine Energiewende und kein Green Deal
Mit Blick auf die Zukunft soll es die Offshore-Windkraft richten, vor allem was die Ausbauziele im Rahmen des European Green Deal angeht. „Was uns im Bereich der Offshore-Windkraft in Europa derzeit fehlt, sind die Umsetzungsvoraussetzungen, also: Wie bekommen wir die Flächen in Nord- und Ostsee, Atlantik und Mittelmeer sowie die entsprechende Infrastruktur bereitgestellt?“, verdeutlicht Groebler. Dabei gehe es um Netzanbindungen, Häfen und die Infrastruktur im Binnenland.
Ein besonderer Knackpunkt, so der Vattenfall-Vorstand im Gespräch mit den VDI nachrichten, sei die maritime Raumplanung: „Die Planungen der EU für die Offshore-Windkraft dürften rund 3 % der Meeresfläche in Anspruch nehmen. Hinzu kommt jedoch, dass bereits heute über 60 % der Meeresfläche mit anderer Nutzung belegt sind. Damit sind dann 3 % plötzlich eine ganze Menge.“
Windkraft muss sich auf See gegen andere Nutzungsarten behaupten
Groebler fordert „eine integrierte Planung, die die Mehrfachnutzung von Flächen zulässt und zu der alle Beteiligten einen Beitrag leisten müssen“. Die maritime Raumplanung ist ein heißes Eisen: Fischerei, Marine, Handelsschifffahrt, Touristik sowie Öl- und Gasförderung – hierfür gibt es Nutzungsrechte seit Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten. „Würde man die Offshore-Windkraft jetzt nur in Ecken abdrängen, die noch frei sind, dann würde das dazu führen, dass die Kosten steigen.“
Die Branche hat Respekt vor dem bevorstehenden Ausbau: „Wir müssen den Ausbau und die Entwicklung des Offshore-Markts um mehr als das 25-Fache erhöhen im Vergleich zu dem, was wir heute schon installiert haben. Das ist eine riesige Anstrengung für die gesamte Industrie“, so Siemens-Gamesa-Offshore-Chef Bauer. Er wie auch Groebler sehen übrigens die Briten in diesem Bereich gut aufgestellt. „Ich sehe im UK keine grundsätzliche Änderung im Windbereich durch den Brexit, egal, wie der im Endeffekt jetzt umgesetzt wird“, so Groebler. Das Land habe eine „ganz klare Erneuerbaren-Strategie“.
Ohne Floating-Offshore keine Energiewende
Doch die bisherige Offshore-Windkraft, die auf Pfahlgründungen in küstennahen und flacheren Gewässern basiert, dürfte für die langfristigen Ausbauziele in Gesamteuropa nicht ausreichen. Denn nicht nur die EU hat Ziele im Rahmen des Green Deal, auch andere Länder – wie eben UK oder auch Norwegen – wollen dort massiv ausbauen.
„Wir werden es voraussichtlich ohne Floating Offshore-Windkraft nicht schaffen die avisierten 450 GW Leistung für die Offshore-Windkraft europaweit zu realisieren“, ist sich Vattenfall-Vorstand Gunnar Groebler mit Blick auf die Ziele von 2050 sicher.
Naturschutz auf See mit Offshore-Windkraft muss gewährleistet sein
Anlässlich des Ende November verabschiedeten Windenergie-auf-See-Gesetzes zeigt Heike Vesper, Leiterin Meeresschutz bei der Umweltschutzorganisation WWF Deutschland, eine wichtige Randbedingung auf: „Klima- und Naturschutz dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Der Ausbau muss vielmehr so gestaltet werden, dass er gleichermaßen dem Klimaschutz und dem Schutz der Biodiversität gerecht wird.“ Sie begrüßte den Ausbau, aber …
Nachdem dieser Konflikt zumindest in Deutschland zu zahlreichen Konflikten bei der Windkraft an Land geführt hat und einer der Hauptgründe für den stagnierenden Ausbau ist, gibt sich die Offshore-Branche problembewusst: „Ob man nun die Windparks mit Floating-Technologie realisiert oder konventionell wie bisher, es wird Beeinträchtigungen für Flora und Fauna geben“, sagt Groebler.
Künstliche Riffs durch Gründungsstrukturen der Offfshore-Windkraft
Auch im Bereich Floating, so der Vattenfall-Vorstand, brauche es Betonverankerungen im Boden, wie man sie aus dem Öl- und Gasbereich kenne. „Während man beim Gründen der Anlagen die Umwelt beeinträchtigt, so wissen wir aber inzwischen auch, dass diese Gründungen auf Dauer die Grundlage für künstliche Riffs sein können, also zusätzliche Lebensräume im Meer entstehen.“
Die Branche, so Groebler, bemühe sich „extrem darum“, die Beeinträchtigungen durch den Bau eines Windparks, ob on- oder offshore, minimal zu halten. „Wir arbeiten beispielsweise inzwischen offshore mit doppelten Blasenschleiern bei der Pfahlgründung, nicht umsonst suchen wir nach alternativen Antrieben für unsere Transferschiffe statt des Schiffsdiesel.“