Energiesystem ohne Kohle 10. Sep 2018 Christoph Böckmann

Internationale Studie: Wie der Kohleausstieg zum Erfolg wird

Während die Kohlekommission noch grübelt, wissen Forscher schon, wie Arbeitsplätze geschont und Kosten niedrige gehalten werden können.

Lagerung von Kohle in Kraftwerken.
Foto: panthermedia.net/parys

Wie der Weg aus der Kohle in Deutschland, Polen, Südafrika, Australien, Indien und China aussehen könnte und welche Folgen er hätte, das haben Forschungsinstitute der jeweiligen Länder in einer Studie zusammengetragen. Eine wichtige Erkenntnis des Papiers ist, dass der Verzicht auf Kohle in allen untersuchten Ländern nicht nur wünschenswert sei, sondern auch kostenverträglich realisierbar. In Südafrika lägen die Kosten eines Energiesystems ohne Kohle sogar niedriger als die Kosten, die ein Festhalten an der Kohle mit sich bringen würde, weiß das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), das an Studie mitgeschrieben hat.

Die Analysen in der Studie zeigen, dass es eine ganze Reihe relevanter Konzepte und Szenarien gibt, die auch Deutschland als Inspiration für die weitere Planung ihres Kohleausstiegs dienen könnten. Die Weichen dafür müssten aber so früh wie möglich gestellt werden, um Wertverluste zu vermeiden und den Strukturwandel sozialverträglich zu gestalten, so die Empfehlung der Wissenschaftler.

„Insgesamt zeigt der Blick über die Grenzen Deutschlands, dass vielen Ländern ähnliche Herausforderungen bevorstehen und dass viele Ansätze, Optionen und Ideen existieren, den Kohleausstieg ökonomisch nachhaltig und sozial verträglich zu gestalten“, fasst der Energieökonom Pao-Yu Oei vom DIW Berlin, einer der Autoren der Studie, zusammen.

Kohlewende dient nicht nur dem globalen Klimaschutz

Der wirtschaftliche und soziale Nutzen der Kohlewende gehe weit über den Klimaschutz hinaus. In Indien beispielsweise würde eine geringere Abhängigkeit von Kohlekraft, die Wasser zur Kühlung benötigt, dazu beitragen, Konflikte um Wasser in bestimmen Regionen zu verringern. In China und Indien würde die Reduzierung der Kohlenutzung gleichzeitig die gravierende Luftverschmutzung erheblich reduzieren, so die Studienautoren.

Sie stellen Szenarien vor, die einen kosteneffizienten Ausstieg aus der Kohle bis 2050 für alle sechs Länder aufzeigen. In allen Szenarien und Ländern spielt ein steigender Anteil an erneuerbaren Energien, vor allem an Wind- und Sonnenenergie, bei der Substitution von Kohle die Hauptrolle.

„Um die Transformationskosten der Energiesysteme möglichst gering zu halten, ist es wichtig, dass die Politik in allen betroffenen Ländern die Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien verbessert und hier bestehende Hürden beseitigt“, fasst Mitautor Jörn Richstein vom DIW Berlin zusammen.

Die Frage des Wertverlusts von Vermögenswerten an Produktionsanlagen („stranded assets“), die vor allem Rohstoff- und Energieunternehmen betrifft und gesamtwirtschaftlich von großer Bedeutung sein kann, wurde ebenfalls untersucht und am DIW Berlin modelliert. Das Ergebnis: „Wir empfehlen allen Ländern, Anreize für neue Investitionen in Kohle so frühzeitig wie möglich abzubauen, wie das China und Deutschland de facto bereits praktizieren, um zu vermeiden, dass Vermögen vernichtet wird“, so DIW-Energieökonomin Franziska Holz.

Kohärente Strategie statt Einzelmaßnahmen

Ein wichtiger Aspekt beim Kohleausstieg sind die Folgen für Beschäftigte und betroffene Regionen. Das wissen auch die Wissenschaftler. Ihre Analyse zeigt, dass es bereits zahlreiche Ideen und Ansätze gibt, wie der Wandel sozialverträglich und zukunftsorientiert gestaltet werden kann.

Dabei gelte es aus positiven und negativen Erfahrungen für zukünftige Transformationsprozesse zu lernen: So seien Weiterbildungsmaßnahmen für Beschäftigte selten zielführend, wenn sie nicht in Kombination mit konkreten Jobperspektiven angeboten würden; auch die Schaffung von Sonderwirtschaftszonen als Anreiz, Unternehmen in bestimmte Regionen anzusiedeln, wäre selten ein Erfolg gewesen.

Erfolgreich wären in der Vergangenheit dagegen die Ansiedlung öffentlicher Einrichtungen (beispielsweise Hochschulen), On-the-job Weiterbildung sowie eine Ausrichtung der Bildungsinstitutionen an zukünftigen Bildungsbedürfnissen gewesen. Von wesentlicher Bedeutung für den Erfolg der Maßnahmen sei die Einbettung in eine langfristige Strategie und eine möglichst frühe und aktive Gestaltung des Wandels. Dabei sei es wichtig, alle Beteiligten sehr früh in den Prozessen einzubinden und klare Zeithorizonte zu benennen. Ein interessantes Beispiel für einen solchen Ansatz wäre der Kohleausstieg in der niederländischen Region Limburg. Durch eine intelligente Kombination vieler Maßnahmen gelang es, den Wandel bereits in den 1970-er Jahren erfolgreich zu gestalten.

Die Studie

Im Rahmen des Projekts „Coal Transitions – Research and Dialogue on the Future of Coal“ koordiniert von Iddri-Sciences Po und finanziert von der dänischen Stiftung KR Foundation wurden seit 2016 sechs Länder, die Kohle produzieren und/oder verbrauchen, intensiv beleuchtet. Die Länderstudien wurden von Forschungseinrichtungen im jeweiligen Land erstellt: neben dem DIW Berlin (Deutschland) waren dies die Australian National University (Australien), University of Cape Town (Südafrika), Institute for Structural Research IBS Warsaw (Polen), Indian Institute of Technology IIT Ahmedabad (Indien) und Tsinghua University Beijing (China).

 

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