Bundeskabinett stellt Kohleausstiegsgesetz vor 29. Jan 2020 Von Stephan W. Eder

Kohleausstieg bis 2038

Die Bundesregierung hat heute Morgen das Gesetz für den Kohleausstieg verabschiedet. Zwar endet die Kohleverstromung spätestens 2038, wie es auch die Kohlekommission vor einem Jahr vorschlug. Der Weg bis dahin sehe aber anders aus, bemängeln Kritiker.

Kraftwerk mit Kühltürmen.
Foto: panthermedia.net/Robert Neumann

Die Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung, oft kurz Kohlekommission genannt, legte am 26. Januar letzten Jahres ihren Abschlussbericht vor; heute, ein Jahr später, konkretisierte die Bundesregierung mit dem Beschluss des Kohleausstiegsgesetzes ihre Pläne. Man setze die Beschlüsse der Kommission mit diesem Gesetz um, so die Bundesregierung.

Konkret bleibt es beim Kohleausstieg bei der Stromerzeugung bis spätestens 2038. Abhängig von Zwischenstandserhebung 2026, 2029 und 2032 lässt sich dies bis 2035 vorziehen. Das hatten schon Bund und Länder in ihren Kompromissverhandlungen am 15. Januar so beschlossen.

Ausstieg aus Braunkohle Block für Block geregelt

Der Entwurf des Kohleausstiegsgesetzes sieht wie schon die Bund-Länder-Vereinbarung einen dezidierten Stilllegungsplan vor. Der benennt jeden einzelnen Kraftwerksblock mit konkretem Datum. Spätestens 2038 wird keine Braunkohle in Deutschland mehr verstromt.

Stufenweise soll die Braunkohlekraftwerksleistung 2022 auf 15 GW und bis 2030 auf 9 GW sinken. „Zur Umsetzung enthält der Gesetzentwurf den Stilllegungspfad, eine Regelung zur Entschädigung sowie weitere Regelungen zur Umsetzung der Einigung“, so die Bundesregierung.

Braunkohleausstieg mit zeitlichen Lücken

Kritikpunkt am Stilllegungspfad ist vor allem, dass zwischen 2023 und 2028 rund 1,3 GW vom Netz gehen sollen, wobei die beiden 465-MW-Blöcke A und B in Jänschwalde, die hier eingepreist sind, laut Gesetzentwurf erst zum Jahresende 2028 stillgelegt werden müssen. Konkret aber soll Block A am 31. Dezember 2025 und Block B am 31. Dezember 2027 in eine vierjährige Sicherheitsbereitschaft überführt werden.

Erst ab Jahresende 2028 kommt es bis zum Ende des Jahrzehnts dann für weitere knapp 5,5 GW zum Aus, wobei hier auch der Block Niederaußem H Ende 2029 in Sicherheitsbereitschaft überführt wird. Der Gesetzentwurf sieht sein endgültiges Stilllegungsdatum für den 31. 12. 2033 vor.

Kohlekommission forderte stetigen Kohleausstieg

Grünen-Chefin Annalena Baerbock charakterisierte das vorliegende Kohleausstiegsgesetz als „wenig Klimaschutz für viel Geld“. Die Klimaallianz Deutschland, ein Bündnis von rund 130 Organisationen, kritisierte besonders das schubweise Abschalten von Kohlekraftwerken. „Die Bundesregierung führt die von ihr selbst eingesetzte Kohlekommission ad absurdum, wenn sie den vorgeschlagenen stetigen Ausstiegspfad leichtsinnig verwirft“, so die Klimaallianz. Ausgerechnet besonders klima- und gesundheitsschädliche Braunkohlekraftwerke sollten bis an ihr ohnehin geplantes Ende laufen.

Steinkohleausstieg: Betreiber sollen sich in Ausschreibungen bewerben

Ein dezidierter Stilllegungspfad wie für die Braunkohle ist nicht geplant, dies entspricht auch dem Abschlussbericht der Kohlekommission. Bis 2022 werde die Leistung der Steinkohlekraftwerke am Markt um rund 8 GW auf 15 GW sinken, bis 2030 auf 8 GW. Auch die Verstromung von Steinkohle solle spätestens 2038 enden.

Von 2020 bis 2026 sollen die Ausschreibungen für die Steinkohlestilllegungen stattfinden. Die Kraftwerksbetreiber erhalten eine Kompensation. Da die Ausschreibung auch die CO2-Emissionen der Kraftwerksblöcke berücksichtige, werde sichergestellt, dass zunächst die Blöcke mit den geringsten Kosten pro Tonne CO2 stillgelegt würden, so die Bundesregierung.

Bis 2023 ist die Teilnahme an der Ausschreibung freiwillig. Sollten sich 2024 bis 2026 zu wenige Steinkohlekraftwerksbetreiber auf die Ausschreibungen bewerben, würden Steinkohlekraftwerke ordnungsrechtlich stillgelegt. Von 2027 bis 2038 finde die Stilllegung rein ordnungsrechtlich statt, also ohne Kompensationen.

VKU: Stadtwerke könnten Verlierer beim Kohleausstieg werden:

Der Gesetzesentwurf sehe nach Meinung des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) bei den Ausschreibungen für Steinkohlekraftwerke einen viel zu niedrigen Höchstpreis und zudem eine unangemessen hohe Degression vor. Der Höchstpreis sinkt innerhalb von sechs Jahren um über 70 % ab. Wer als Betreiber keinen Zuschlag in den ersten Ausschreibungsrunden erhalten habe, der könne, so die Befürchtung des VKU, fast oder völlig leer ausgehen – also entschädigungslos enteignet werden. Knackpunkt dabei ist das ab 2027 mögliche Ordnungsrecht. Vor allem kommunale Kraftwerke, die Strom und Wärme erzeugen (KWK), würden davon betroffen sein.

„Der Kabinettsbeschluss stellt vor allem diejenigen Stadtwerke, die heute ihre Kommunen mit Steinkohle beheizen, vor enorme Herausforderungen“, so VKU-Hauptgeschäftsführer Michael Wübbels. Hier müsse im parlamentarischen Verfahren dringend nachgesteuert werden.

Knackpunkt: Steinkohlekraftwerk Datteln 4

Die Kohlekommission hatte empfohlen, für bereits gebaute, aber noch nicht im Betrieb befindliche Kraftwerke eine Verhandlungslösung zu suchen, mit dem Ziel, diese Kraftwerke nicht in Betrieb zu nehmen. Einzig betroffen, so die Bundesregierung, sei das Uniper-Steinkohlekraftwerk Datteln 4.

Das Ziel wurde jedoch nicht erreicht. Schon in den Bund-Länder-Gesprächen Mitte des Monats wurde klar: Datteln 4 soll in Betrieb gehen. Nach dem Motto: Es ist sinnvoller, erst ältere, ineffizientere Steinkohlekraftwerke außer Betrieb zu nehmen, als ein hoch modernes Kraftwerk nicht in Betrieb zu nehmen oder stillzulegen.

VDI sieht vorgelegten Kohleausstiegspfad kritisch

Schon als Reaktion auf die Bund-Länder-Vereinbarung zum Kohleausstieg hatte der VDI bemängelt, dass nun der durch die Gesetzesvorlage bestätigte Ausstiegspfad hinter den Empfehlungen der Kohlekommission von vor einem Jahr zurückbleibt, beispielsweise beim Thema Monitoring des Fahrplans – statt 2023 erst 2026 – oder bei der Inbetriebnahme von Datteln 4. Auch ein Braunkohleausstieg vor 2038 wäre aus Sicht des VDI durchaus realisierbar und für die Erreichung der Klimaziele notwendig gewesen.

4,35 Mrd. € Entschädigung für die Braunkohle

Betreiber von Braunkohlekraftwerken und -tagebauen sollen ihm Rahmen des Stilllegungspakets insgesamt 4,35 Mrd. € an Entschädigungen erhalten. Die Betreiber von Steinkohlekraftwerken müssen sich bewerben: Abschalten gegen Entschädigung. Zudem sollen 40 Mrd. € an Strukturhilfen in die Braunkohleregionen fließen.

Wie angekündigt sollen ältere Beschäftigte ab 58 Jahren über das schon beim Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau bewährte Anpassungsgeld sozial abgefedert aus dem Berufsleben ausscheiden können. So soll der Übergang in die Rente erleichtert werden.

Kohleausstieg teurer als nötig

Laut Ottmar Edenhofer, Direktor des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), gesteht die Bundesregierung mit diesen Regelungen der Branche mehr Geld zu als nötig. Die hohen Direktzahlungen an die Kraftwerksbetreiber hebelten nämlich das Verursacherprinzip aus, demzufolge derjenige, der emittiert, entsprechend zahlen soll. „Nun bekommt derjenige Geld, der das Emittieren einstellt. Deswegen haben die Betreiber einige Kraftwerke länger als wirtschaftlich darstellbar am Netz gelassen – um nun Entschädigungszahlungen zu erhalten.“

Die Strukturhilfen für die Kohleregionen jedoch seien wichtig, so Edenhofer, „weil sie neue Arbeitsplätze finanzieren helfen – aber beim Ausstieg selbst hätte die Politik auf den CO2-Preis setzen sollen, dann wäre alles viel billiger gegangen“.

EU-Emissionshandel: Was tun mit frei werdenden CO2-Zertifikaten?

Im EU-Emissionshandel ist die Stromerzeugung aus den deutschen Braun- und Steinkohlekraftwerken schon seit Langem eingepreist. Das heißt: Es sind in bestimmter Höhe CO2-Zertifikate für die Betreiber vorgesehen.

Wenn man mit einem Kohleausstieg eine solche Anlage jetzt vor der Zeit stilllegt, braucht der Betreiber sie nicht mehr. Sie stehen also anderen Kraftwerksbetreibern in der EU zur Verfügung. Und können so andernorts genutzt werden. Dann aber wären die Treibhausgasemissionen, die man durch die vorzeitige Stilllegung vermeiden wollte, nicht vermieden worden. Sie würden nur anderswo entstehen. Wasserbetteffekt nennt man dies.

Daher will die Bundesregierung diese frei gewordenen CO2-Zertifikate löschen, „möglichst im nahen zeitlichen Zusammenhang mit der Stilllegung einzelner Kraftwerke“, wie die Bundesregierung mitteilt.

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