Schlechtes Preissignal

Foto: Heinz Wraneschitz
Mitte Oktober jeden Jahres verkünden seit 2010 die deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) die Höhe der EEG-Umlage: Sie legt fest, wie viel Cent pro Kilowattstunde (kWh) die Betreiber jener Ökostromanlagen erhalten, die über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gefördert werden.
Bestimmende Elemente des Haushaltsstrompreises in Deutschland
Wie teuer wird 2017 die Kilowattstunde Strom für deutsche Verbraucher? Die Frage beantwortet sich in den nächsten Wochen; viele Strompreiselemente werden dann festgelegt oder sind abschätzbar.
Strombeschaffung, -vertrieb und Dienste: lag 2016 im Bundesschnitt bei 6,11 Cent/kWh. Dieser Preisbestandteil ist marktabhängig.
Stromnetzentgelte: regulierte Entgelte, laut BDEW im bundesdeutschen Schnitt bei 7,07 Cent/kWh. Regional unterschiedlich.
Mehrwertsteuer: liegt bei 19 %.
Stromsteuer: früher Ökosteuer, fließt zu ca. 90 % in die Rentenkassen. Liegt seit 2010 bei 2,05 Cent/kWh, es gelten zahlreiche Ermäßigungen und Steuerbefreiungen.
EEG-Umlage zur Förderung von Ökostrom nach Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). 2016 bei 6,354 Cent/kWh, steigt 2017 auf 6,880 Cent/kWh.
Offshore-Haftungsumlage: wälzt Haftungsrisiken einer verzögerten Anbindung von Offshore-Windparks, die sonst nicht abgesichert werden können, auf die Allgemeinheit ab. Liegt 2016 bei 0,040 Cent/kWh, für 2017 negativ bei -0,028 Cent/kWh.
Konzessionsabgabe: im Schnitt bei 1,66 Cent/kWh. Entgelt für die Einräumung von Wegerechten der Kommunen, daher variierend nach Größe der Kommune.
Umlage nach § 19 Stromnetzentgeltverordnung:Für den Zugang zum Stromnetz ist an den Netzbetreiber ein Entgelt zu zahlen. Hiervon gibt es Ausnahmen, die Kosten werden umgelegt. Neufestlegung durch die Übertragungsnetzbetreiber am 25. Oktober 2016.
KWK-Umlage: soll die höheren Kosten von Blockheizkraftwerken (KWK: Kraft-Wärme-Kopplung) ausgleichen. Staffelung nach Höhe des Jahresstromverbrauchs, für den Endverbraucher bei 0,378 Cent/kWh. Neufestlegung durch die Übertragungsnetzbetreiber am 25. Oktober 2016. swe
Bezogen auf einen Haushalt mit 3500 kWh/a. Quelle: Strompreisanalysen BDEW 2016
Die „EEG-Umlage beträgt 6,880 Cent/kWh“, verkündeten die vier ÜNB Amprion, Tennet, 50Hertz und TransnetBW Ende letzter Woche. Das sind 0,5 Cent/kWh oder 8,3 % mehr gegenüber der 2016 gültigen Höhe.
Die ÜNB rechnen dezidiert vor, was wie dazu beiträgt. Ausschlaggebend ist aber letztendlich die Differenz des garantierten, geförderten Strompreises – zum Beispiel für 1 kWh, die eine Windkraftanlage erzeugt – im Vergleich zum Großhandels-Börsenstrompreis. Diesen Unterschied gleicht die EEG-Umlage aus. Wird der Strom im Großhandel billiger, wie in diesem Jahr, steigt also die Umlage.
Die niedrigen Börsenstrompreise haben nur bedingt eine Ursache im zunehmenden Ausbau der Ökostromkapazitäten, hinzu kommen große Überkapazitäten im europäischen Kraftwerkssektor. Als Folge des niedrigen Preises steigt einerseits die EEG-Umlage, andererseits verdienen die Kraftwerksbetreiber kaum noch Geld.
Mit 2017 steht ein Bundestagswahljahr vor der Tür, und die Erhöhung der EEG-Umlage wird damit zum Politikum. Ein Thema wird angesprochen, das bislang tabu schien: die Finanzquelle der Ökostromförderung, denn die EEG-Umlage finanziert sich bislang über einen Aufschlag auf den Strompreis. Den zahlen vor allem die Endverbraucher sowie kleinere und mittelgroße Unternehmen. Für die energieintensive Industrie gelten teilweise Ausnahmeregelungen, so dass die anderen Zahler deren Anteil mittragen müssen.
„Der erneute Anstieg der EEG-Umlage verdeutlicht den weiter bestehenden Reformdruck bei der Erneuerbarenförderung“, sagte Stefan Kapferer, Vorsitzender der BDEW-Hauptgeschäftsführung. Ein Konzept zur „langfristigen Weiterentwicklung des EEG in Richtung marktwirtschaftlicher Instrumente“ sei dringend nötig. Der Bundesverband Erneuerbare Energie, BEE, wird konkreter und fordert, die Entlastung der energieintensiven Industrieunternehmen von der EEG-Umlage nicht mehr über eine Ausnahme bei der Umlage, sondern direkt über den Bundeshaushalt zu finanzieren.
Dabei sind die harten Brocken der letzten EEG-Novelle kaum verdaut. Mit ihr wurde auch für den Ausbau der Windkraft das Ausschreibungsverfahren beschlossen: Den Zuschlag für ein Projekt sollen diejenigen Bieter bekommen, die die geringste Fördersumme benötigen.
Eigentlich sollten also die Förderkosten entscheiden, wo eine Anlage neu gebaut werden darf. Doch die Bonner Bundesnetzagentur will, dass im Norden Deutschlands, wo viel Wind weht und sich die Rotorblätter besonders effizient drehen, künftig deutlich weniger neue Anlagen gebaut werden als bisher. Ein Entwurf für eine Verordnung der Agentur sieht vor, dass dort der Zubau halbiert werden soll.
Grund dafür ist nicht, dass dort die Fördergelder zu hoch würden, es sind die Engpässe im deutschen Stromnetz, auf deren Beseitigung die Bundesnetzagentur qua Amt auch ein Auge haben muss. Da der Bau großer Nord-Süd-Stromleitungen nur schleppend vorankommt, würden die Windkraftanlagen im Norden oft abgeregelt. „Das“, so der Entwurf, „führt zu volkswirtschaftlich zu vermeidenden Mehrkosten.“ Die betroffenen Regionen sowie Unternehmen und Verbände der Windkraftindustrie zeigen sich bisher fassungslos: „Die neue Verordnung wäre verzichtbar, wenn Überkapazitäten bei Atom- und Kohlekraftwerken schneller abgebaut würden“, kritisiert Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel.