Vom Erfolgsmodell zum roten Tuch
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz, bekannt unter seinem Kürzel EEG, trat vor 20 Jahren am 1. April 2000 in Kraft. Der Erfolg ist just zum Jahrestag zu sehen: Im ersten Vierteljahr 2020 kamen rund 52 % des deutschen Strombedarfs aus Ökostromerzeugung.

Erneuerbare Energien: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) trat in Deutschland am 1. April 2000 in Kraft.
Foto: PantherMedia / Andreus
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) sind oft vorne mit dabei, wenn es um erste Zahlen geht, wie viel Energie, vor allem Strom, denn nun erzeugt worden ist. Vor allem Strom aus erneuerbaren Quellen. Und so präsentierten sie bereits pünktlich zum 1. April 2020, dem Geburtstag des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), neue Zahlen. Strom aus Wind, Sonne, Wasser und anderen Ökoenergien hat in den Monaten Januar, Februar und März dieses Jahres rund 52 % des deutschen Brutto-Inlandstromverbrauchs erzeugt.
Ökostromrekord pünktlich zum Jubiläum
Ein neuer Rekord, wie die Organisationen herausstellen. Ein riesiger Erfolg insgesamt, wenn man sich vor Augen hält, dass 2000 der Anteil des Strom aus erneuerbaren Energiequellen am deutschen Bruttostromverbrauch 6,32 % betrug, im abgelaufenen Jahr 2019 im Schnitt 42 %. Kaum vorstellbar damals, dass ein solcher Anteil erreicht werden könnte.
Es brauchte Visionäre, wie den 2010 verstorbenen SPD-Politiker und Solarvordenker Hermann Scheer, seinen Parteikollegen Dietmar Schütz sowie die Grünen Hans-Josef Fell und Michaele Hustedt, um unter der rot-grünen Bundesregierung von Bundeskanzler Gerhard Schröder damals dieses Gesetz als Nachfolger des Stromeinspeisegesetzes auf den Weg zu bringen.
Energiewirtschaft steht hinter dem EEG
Kaum vorstellbar damals auch, dass der offizielle Branchenverband der Energiewirtschaft, heute der BDEW, damals der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW), einer der BDEW-Vorläufer, an der Spitze mit Kerstin Andreae eine grüne Politikerin als Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung hat. Aber auch unter ihren Vorgängern, dem FDP-Mann Stefan Kapferer und der CDU-Frau Hildegard Müller, war schon Realität, was damals nicht denkbar war: dass die Elektrizitätsbranche sich hinter die Energiewende stellt und die Rekorde der Ökostromerzeugung feiert.
Am 15. Dezember 1999 vermeldete die Nachrichtenagentur ADN den Widerstand der deutschen Stromerzeuger, denn Versorger und Kunden würden nun verstärkt zur Kasse gebeten: „Klare Signale für eine Produktivitätssteigerung bei den Betreibern dieser Kraftwerke werden damit nicht gesetzt, kritisierte VDEW-Hauptgeschäftsführer Eberhard Meller am Mittwoch in Frankfurt am Main“, meldete die Agentur damals, und weiter: „Das geplante Gesetz sei daher ordnungspolitisch verfehlt und verfassungsrechtlich fragwürdig. Bis zum Jahr 2002 müsse mit einer Verdopplung der überwiegend von den Stromverbrauchern zu tragenden Einspeisevergütung gerechnet werden.“
EEG „tragende Säule des Energiesystems“
Heute spricht die BDEW-Obere Andreae vom EEG als „einer tragenden Säule des Energiesystems und einem wichtigen Geschäftsfeld für Industrie, Handwerk und Energiewirtschaft“. Mehr noch: „Auf diesen Erfolgen dürfen wir uns nicht ausruhen.“ Wolle man Deutschland klimaneutral machen, müsse die Energiewende weiter vorangetrieben werden.
Nach Angaben der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) sind in den letzten 20 Jahren dank der Ökostromanlagen rund 1,67 Mrd. t Treibhausgase vermieden worden. Das entspreche in etwa dem bundesweiten Ausstoß der vergangenen zwei Jahre.
EEG-Umlage als Risikoabsicherung
Das Geheimnis hinter dem EEG war es, die Finanzierung aus den politischen Etatschlachten im Bundestag herauszunehmen und – so der Grundgedanke – die Anschubfinanzierung für das damals noch kleine Pflänzchen stattdessen auf viele Schultern krisensicher zu verteilen. Die EEG-Umlage war geboren: Die zahlen die Stromkunden und so kann denjenigen, die in die neuen Erzeugungstechnologien investieren, eine feste Vergütung zugesichert werden.
Einspeisevergütung, im Englischen inzwischen weltweit bekannt als FiT (Feed-in tariff), war das Zauberwort. Da diese Vergütung den Anlagenbetreibern 20 Jahre versprochen wurde – und wird –, ergibt sich eine berechenbare Rendite. „In 84 Staaten der Welt existieren heute Einspeisevergütungen oder -prämien für Strom aus erneuerbaren Energien“, so die AEE. Als Vorbild gelte weiterhin das EEG – und so unterstütze es auch weltweit die Energiewende. „Das EEG zeichnete sich in der Vergangenheit vor allem dadurch aus, dass Anlagenbetreibern eine hohe Investitionssicherheit durch eine garantierte Einspeisevergütung und Anschlusspflicht gewährt wurde“, weiß AEE-Geschäftsführer Robert Brandt.
EEG-Umlage in der Krise
Dieses Erfolgmodell führte hingegen das EEG in eine veritable Krise. Gedacht war die Umlage als Anschubfinanzierung für eine quasi nicht öffentlich, sondern privat finanzierte Technologieentwicklung. Es war ein anderes Paar Schuhe, mit demselben Modell, Renditeerwartungen institutioneller Anleger zu finanzieren, die in serienreife, industriell gefertigte Großanlagen investierten. Denn dadurch stieg der EEG-Topf, den die Stromverbraucher füllen mussten, in kurzer Zeit stark an.
Was losgetreten wurde, war eine Debatte um die zumutbare Höhe des Strompreises, die seitdem anhält. Dem EEG bescherte sie eine Aufspaltung der Finanzierung: Kleinere Anlagen erhalten weiterhin eine gesetzlich festgelegte EEG-Vergütung für den eingespeisten Strom, Großanlagen müssen sich in Form einer Ausschreibung dem Wettbewerb stellen. Auf eine festgelegte Kapazitätsmenge bewerben sich Projektierer oder Anlagenbetreiber. Den Zuschlag erhält, wer die geringste gesicherte Vergütung ansetzt. Inzwischen gibt es bei Offshore-Windkraftanlagen, die sich ohne diese EEG-Unterstützung bewerben und die Ausschreibung gewonnen haben. Insgesamt hat sich somit die Erneuerbare-Energien-Branche entwickelt – von zu fördernden Technologien hin zu industriell zu fertigenden Massenprodukten, die von Energieversorgern weltweit eingesetzt werden.
Jobmotor Ökostrom
Die Errungenschaften des EEG gehen aber weit über die Erzeugung von Ökostrom hinaus. Nach Angaben des ZSW sind seit Einführung des EEG rund 250 Mrd. € an Investitionen ausgelöst worden, um Anlagen für die erneuerbare Stromerzeugung zu errichten – von deren Betrieb habe die deutsche Wirtschaft mit etwa 95 Mrd. € profitiert.
Nach Angaben des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) beschäftigt die Branche derzeit rund 300 000 Menschen. „Seit der Einführung des EEG haben sich die vermiedenen Treibhausgas-Emissionen durch erneuerbare Energien in Deutschland mehr als vervierfacht“, bilanziert BEE-Präsidentin Simone Peter.
Ökostromrekord eine Folge von Sondereffekten
Der Rekord von 52 % als Anteil des Ökostroms am deutschen Brutto-Inlandsstromverbrauch sei, so BDEW und ZSW, auch eine Folge von Sondereffekten. Die aber zeigen eben, was möglich ist und wohin die Reise gehen kann. Der Februar war außerordentlich windreich, der März sehr sonnenreich. Die Corona-Krise habe sich zudem beim Stromverbrauch schon bemerkbar gemacht, er sei um 1 % im Jahresvergleich zu 2019 gesunken.
„Die Rekordzahlen stehen in scharfem Kontrast zur dramatischen Situation beim aktuellen Ausbau von Wind- und Photovoltaikanlagen“, sagt BDEW-Hauptgeschäftsführerin Andreae. So sei das Ziel eines Ökostromanteils von 65 % bis 2030 kaum zu erreichen. Generell plädiert die Ökostrombranche dafür, gerade in Krisenzeiten mehr in erneuerbare Energien zu investieren. Das nutze Konjunktur und Unternehmen und sei eine vergleichsweise risikoarme Investition. Schaut man auf die letzten 20 Jahre, ist genau dies sicher der größte Erfolg des EEG.