Stromnetze 09. Mai 2014 H.-U. Tschätsch/Stephan W. Eder Lesezeit: ca. 3 Minuten

Erstmals supraleitendes Kabel im Verteilnetz

Seit letzter Woche ist in der Essener Innenstadt das erste supraleitende Kabel in Deutschland Teil eines aktiven Verteilnetzes. Mit 1 km Länge ist die Hightechverbindung Dreh- und Angelpunkt eines Energiewende-Pilotprojekts, das dort eine ehemalige Hochspannungstrasse und zwei Umspannanlagen ersetzt.

Kabeleinzug in die Leerrohranlage: Rund 1 km supraleitendes 10-kV-Kabel – weltweit, so RWE, die längste Strecke – verlegte der Energiekonzern in der Essener Innenstadt, um eine erdverlegte 110-kV-Hochspannungsstrecke zu ersetzen.
Foto: RWE

Der Essener Energiekonzern RWE und der Kabelspezialist Nexans haben in Essen weltweit erstmals ein Hochtemperatur-Supraleiterkabel in ein bestehendes Mittelspannungs-Verteilnetz eingebunden.

Für das Projekt namens Ampacity verbuddelte RWE rund 1 km des Hightechkabels mitten im Herzen der Ruhrmetropole in Bahnhofsnähe.

Ampacity: Supraleiter im Verteilnetz

Bei Ampacity ersetzt ein 10-kV-Kabel in supraleitender Technologie ein erdverlegtes 110-kV-Hochspannungskabel in der Essener Innenstadt.

Trassenlänge: ca. 1000 m

Stromkapazität: 2310 A bei einer Nennleistung von 40 MW

Betriebstemperatur: -196 °C. Das Kühlmittel, der flüssige Stickstoff, wird im Kreislauf geführt.

Der flüssige Stickstoff wird in einen Hohlraum in der Kabelmitte gepumpt. Der Rückfluss erfolgt in einem zweiten ringförmigen Hohlraum, der den Leiter umschließt. swe

Das Besondere: Die Verbindung zwischen den Stationen wurde bisher von einer 110-kV-Hochspannungsleitung bewerkstelligt. Die Nutzung der unterirdisch verlegten verlustarmen supraleitenden Kabel ermöglicht es jetzt, im Mittelspannungsbereich bei 10 kV zu arbeiten und trotzdem fünfmal mehr Strom transportieren zu können als mit der alten Hochspannungsverbindung.

Die benötigte Trasse ist schmaler, die Verlegetiefe geringer. Das spart Platz, auch aufgrund geringerer Sicherheitsabstände – in Innenstädten mit kaum vorhandenen Freiflächen ein kostbares Gut.

Ein zusätzlich integrierter supraleitender Kurzschlussstrom-Begrenzer sorgt für die erforderliche Sicherheit. Dieser Strombegrenzer ist zwischen dem Transformatorabgang und dem neuen Kabel installiert.

Ziel ist es, das noch sehr teure supraleitende Drei-Phasen-Drehstromkabel bei eventuellen Netzstörungen vor Fehlerströmen zu schützen. Es lassen sich auch Genehmigungsverfahren für neue Trassenführungen und aufwendige Bauarbeiten in Innenstadtbereichen entschärfen: Supraleiterkabel, die durch einen Strombegrenzer geschützt werden, benötigen keine Überlastleiter und sind deshalb äußerst kompakt.

Außerdem machen supraleitende Strombegrenzer die alten Umspannstationen überflüssig. So erhoffen sich die Projektpartner beweisen zu können, dass es für Essen eine Perspektive gibt, auf Dauer Platz zu gewinnen, weil zumindest nicht mehr alle der 36 Umspannstationen benötigt werden.

Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat die Forschung und Entwicklung des neuen Kabels wissenschaftlich begleitet, und eine Studie zum Einsatz dieser neuen Technologie erarbeitet. Dazu sagte Mathias Noe, Leiter des Instituts für Technische Physik und KIT-Projektleiter: „Es zeigte sich, dass supraleitende Kabel unter den getroffenen Annahmen zukünftig wirtschaftlich sein werden.“ Auch Christof Barklage, Vorsitzender der Geschäftsführung bei Nexans Deutschland, sagte, man habe nun bewiesen, „dass Supraleitung wirtschaftlich sinnvoll ist“.

Und dies trotz der höheren Kabelkosten und der Betriebskosten durch die Stickstoffkühlung. Der keramische Supraleiter des französischen Kabelspezialisten Nexans muss im Betrieb auf rund -200 °C mit flüssigem Stickstoff gekühlt werden. Weitere Vorteile wie die Einsparung von Platz im Innenstadtbereich seien noch nicht berücksichtigt, so Noe.

Als Ergebnis der Studie bleibt festzuhalten, dass der Ausbau mit den 10-kV-Kabeln aus heutiger Sicht eine gute und sinnvolle Möglichkeit darstellt, den Ausbau urbaner Netze mit Hochspannungskabeln zu vermeiden und Hochspannungs-Umspannstationen im Innenstadtbereich zurückzubauen. Die supraleitenden Kabel und Strombegrenzer bei Ampacity sind für einen Betriebsstrom von 2310 A bei einer Netzspannung von 10 kV und einer Nennleistung von 40 MW ausgelegt.

Nexans-Deutschland-Chef Barklage erwartet, dass sich die neue Technologie durchsetzen wird. Das Unternehmen hatte bereits bei der Installation des bisher längsten Testkabels (600 m) in den USA mitgearbeitet. Er erwartet alle zwei bis drei Jahre eine Halbierung der Kabelkosten, die heute noch das rund Fünf- bis Sechsfache der Kosten eines normalen Kabels betragen.

Ein vergleichbares Projekt für eine 300 m lange 13,8-kV-Leitung in Manhattan, bekannt unter dem Projektnamen Hydra, beinhaltete ein supraleitendes Kabel mit integriertem Strombegrenzer, kam aber bisher nicht zustande. RWE und Nexans trennen beide Funktionseinheiten. Nexans hat hier Erfahrung durch den Einsatz eines supraleitenden Strombegrenzers im Braunkohlekraftwerk Boxberg des Vattenfall-Konzerns, eine Technologie, die die Franzosen inzwischen mehrfach verkaufen konnten, erst kürzlich im April nach Großbritannien.

Ampacity hat 13,5 Mio. € gekostet, davon kamen 5,9 Mio. € aus dem Energieforschungsprogramm der Bundesregierung, der Rest von den Unternehmen.

RWE-Chef Peter Terium wies darauf hin, dass bereits vor der Inbetriebnahme die installierten Betriebsmittel auf großes internationales Interesse gestoßen sind. So hätten sich bereits Delegationen aus Frankreich, Ghana, den USA sowie zahlreiche Vertreter aus Wissenschaft und Forschung über die Technologie vor Ort informiert.

Wie es in Essen weitergehen wird, ist noch offen. Arndt Neuhaus, Chef der RWE Deutschland AG, mochte zu weiteren Plänen noch nicht viel sagen. Er will die Ergebnisse des zweijährigen Testbetriebs abwarten.

Doch war am Rande der Inbetriebnahmefeier auch zu hören, dass in der KIT-Machbarkeitsstudie bereits die Möglichkeit für einen 23 km langen Innenstadtring untersucht wurde.

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