Physiker beobachten Quanteninterferenzen in Echtzeit
Ultraschnelle Schwingungsmuster, auch Quanteninterferenzen genannt, haben Forscher jetzt in Echtzeit beobachtet – und zwar bei Elektronen, die sich in der Atomhülle von Edelgasatomen befinden. Dabei wiesen die Schwingungen eine Periodendauer von nur etwa 150 Attosekunden auf. Eine Attosekunde dauert gerade einmal den milliardsten Teil einer Milliardstelsekunde.

Laserpulse induzieren und verfolgen elektronische Quanteninterferenzen in einem Atom.
Foto: AG Stienkemeier
Für ihr Experiment regte ein Team um Frank Stienkemeier und Lukas Bruder vom Physikalischen Institut der Universität Freiburg Edelgasatome mit eigens präparierten Laserpulsen an. Die Reaktion der Atome verfolgten die Wissenschaftler anschließend mit einer neuen Messmethode, mit der sie quantenmechanische Effekte in Atomen und Molekülen mit sehr hoher Zeitauflösung untersuchen können. Die Forscher veröffentlichten ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe von Nature Communications.
Zeitskalen im Bereich von Attosekunden
Die Bestrahlung mit Licht kann eine Vielzahl von chemischen Reaktionen auslösen – der Bruch von Bindungen in Molekülen ist nur ein Beispiel dafür. Der Grund dafür ist, dass sich in ersten Augenblicken nach der Absorption des Lichts die Struktur der Elektronen in der Atomhülle verändert. Dies beeinflusst den weiteren Verlauf der Reaktion maßgeblich. Dabei erfolgt diese Veränderung sehr schnell. Forscher messen Zeitskalen, die bis in den Attosekundenbereich reichen.
Allerdings ist die Technik, mit der solche Prozesse verfolgt werden sollen, bisher nicht schnell genug gewesen. Denn sogenannte Spektroskopietechniken verwenden sichtbare Laserpulse. Nun aber gelang es den Forschern, weltweit neuartige Laserquellen und entsprechende Spektroskopietechniken im extrem-ultravioletten Lichtbereich sowie im Röntgenbereich zu entwickeln.
Kohärente Pump-Probe-Spektroskopie
Eine aus dem sichtbaren Spektralbereich bekannte Technik, die sogenannte Kohärente Pump-Probe-Spektroskopie, erweiterten die Freiburger Wissenschaftler um Stienkemeier auf den extrem-ultravioletten Bereich. Damit erreichen sie den spektralen Bereich zwischen Röntgenstrahlung und ultraviolettem Licht.
An der Forschungseinrichtung Freie-Elektronen-Laser (Fermi) im italienischen Triest präparierten die Wissenschaftler eine Sequenz, die aus zwei ultrakurzen Laserpulsen im extrem-ultravioletten Bereich besteht. Dabei nehmen die beiden Pulse einen genau bestimmten zeitlichen Abstand sowie eine entsprechend genau definierte Phasenbeziehung zueinander ein. Betrachtet man nun den ersten Puls, so startet dieser den Prozess in der Elektronenhülle, den sogenannten Pump-Prozess. Den nächsten Puls nutzen die Forscher zur Abfrage des Zustands der Elektronenhülle zu einem späteren Zeitpunkt. Sie sprechen hier vom sogenannten Probe-Prozess.
Rückschlüsse auf die zeitliche Entwicklung
Was sich genau über die zeitliche Entwicklung in der Elektronenhülle abspielt, konnten die Forscher nun durch eine gezielte Veränderung des zeitlichen Abstands und der Phasenbeziehung ermitteln. „Die größte Herausforderung war, eine möglichst präzise Kontrolle über die Eigenschaften der Pulssequenz zu erlangen und die schwachen Signale messtechnisch zu isolieren“, beschreibt es Andreas Wituschek, der maßgeblich für die experimentelle Durchführung verantwortlich war.
Das Team von Freiburger Forschern untersuchte unter anderem das Edelgas Argon, bei dem sich durch den Pump-Puls eine spezielle Konfiguration zweier Elektronen innerhalb der Atomhülle ergibt – indem ein Elektron das Atom innerhalb einer sehr kurzen Zeit verlässt und schlussendlich das Atom als Ion zurückbleibt, zerfällt diese Konfiguration.
Zerfall der Quanteninterferenzen
Erstmals konnten die Physiker beobachten, wie der direkte zeitliche Zerfall der Quanteninterferenzen abläuft, während das eine Elektron das Atom verlässt. „Dieses Experiment bereitet den Weg für viele neue Anwendungen in der Untersuchung von atomaren und molekularen Prozessen nach gezielter Anregung mit hochenergetischer Strahlung im extrem-ultravioletten Bereich“, ist Lukas Bruder überzeugt.
Das Freiburger Team erhielt für sein Forschungsprojekt finanzielle Unterstützungen im Rahmen der internationalen Graduiertenschule „CoCo“, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft eingerichtet wurde, sowie über die Projekte „Coconis“ vom Europäischen Forschungsrat (ERC) und „LoKoFEL“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).