Abstand halten: Wie sich Atemluft ausbreitet
Beim Husten wird Atemluft mit extrem hoher Geschwindigkeit ausgestoßen. Weimarer Forscher machen nun mithilfe des sogenannten Schlierenspiegels sichtbar, was für das menschliche Auge normalerweise verborgen bleibt. Sie zeigen, wie sich kleinste Luftströmungen im Raum ausbreiten – selbst bei der Verwendung von unterschiedlichen Atemschutzmasken.

Foto: Amayu Wakoya Gena
Warum die von der Weltgesundheitsorganisation WHO zum Schutz vor dem Coronavirus ausgegebenen Verhaltensempfehlungen eingehalten werden sollten, zeigt der Kurzfilm der Bauhaus-Universität Weimar höchst eindrucksvoll. Zu sehen ist in dem Clip die Silhouette eines Mannes, der zunächst normal atmet und schließlich beginnt stark zu husten. Anfangs hustet er einfach in den freien Raum, dann immerhin in die nur locker vorgehaltene Hand, schließlich wie empfohlen in die Armbeuge und dann zusätzlich noch in verschiedenen Atemschutzmasken.
Abstand halten! – Wie sich Atemluft beim Husten verbreitet. Ein Experiment der Professur Bauphysik. from Bauhaus-Universität Weimar on Vimeo.
Kein Schutz vor Tröpfcheninfektion
„Besonders beim Husten ohne Schutz vor dem Mund wird deutlich, wie stark sich die Atemluft im Raum ausbreitet“, erläutert Conrad Völker, Leiter der Professur Bauphysik in Weimar. Aus dem Experiment wird klar, warum der Mund beim Husten bedeckt werden muss. „Am besten mit der Armbeuge, auch um die Hände sauber zu halten und mögliche Viren oder andere Krankheitserreger nicht über Körperkontakt oder Oberflächen weiterzutragen“, ergänzt Völker. Zwar zeige der Einsatz von Atemschutzmasken eine Verbesserung, ein 100%iger Schutz vor einer Tröpfcheninfektion sei damit aber auch nicht möglich.
Visualisierung von Raumluftströmungen mit dem Schlierenverfahren
Das Experiment geht auf Amayu Wakoya Gena, DAAD-Stipendiat an der Bauhaus-Universität Weimar, zurück. Er hat aus aktuellem Anlass im Rahmen seiner Doktorarbeit das sogenannte Schlierenverfahren zur Visualisierung und Messung von Raumluftströmungen eingesetzt. Dabei ist ein konkaver und extrem fein geschliffener Spiegel mit rund 1 m Durchmesser das Herzstück des Messgerätes. Mithilfe dieses Schlierenspiegels werden selbst kleinste Luftströmungen sichtbar.
„Das Prinzip ist ähnlich wie bei einer überhitzten Straße im Sommer, wenn die Luft über dem Asphalt flimmert“, zieht Völker den Vergleich. Dabei hat die warme, feuchte Atemluft wie über der Straße eine andere Dichte als die kühlere Raumluft. Dunkle Flecken in einem Foto oder auf dem Videobild machen sichtbar, dass diese Dichteunterschiede zu einer Ablenkung des Lichtes führen. Normalerweise sind diese Dichteunterschiede bei Raumluftströmungen allerdings so gering, dass sie mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind. Deshalb bedienten sich die Forscher der Hilfe eines Schlierenspiegels.
Weltweit nur vier Großschlierensysteme
Nur vier Großschlierensysteme gibt es aktuell auf der ganzen Welt. Sie werden jeweils in unterschiedlichen Forschungsbereichen eingesetzt. Der Fokus in Weimar liegt auf bauphysikalischen Messreihen. Die Forscher an der dortigen Bauhaus-Universität bringen das Großgerät vor allem zur Überprüfung von Raumluftströmungen in Innenräumen zum Einsatz. Damit wollen sie erforschen, welchen Einfluss das Raumklima auf den menschlichen Körper hat. Das Ziel der Weimarer Wissenschaftler ist die Entwicklung individueller Lösungen, um die Energieeffizienz von Räumen zu optimieren. Dafür wurden sie 2017 im Innovationswettbewerb Deutschland – Land der Ideen ausgezeichnet. Der Freistaat Thüringen förderte den Schlierenspiegel mit rund 400 000 €, auch flossen Mittel der Europäischen Union im Rahmen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) mit in das Projekt.