Belüftungstechnik hält Corona im Zaum
Wissenschaftler der Universitätsmedizin Halle (Saale) haben untersucht, wie verhindert werden kann, dass öffentliche Veranstaltungen zu Superspreader-Ereignissen werden.

Foto: Universitätsmedizin Halle (Saale)
Die Veranstaltungs-, Kultur- und Sportbranche, aber auch die Politik haben den Tag herbeigesehnt, an dem die Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt „Restart-19“ der Universitätsmedizin Halle (Saale) bekannt gegeben werden. Ein Teil dieses Projekts war das Konzert am 22. August 2020 mit Sänger Tim Bendzko in der Quarterback Immobilien Arena Leipzig. Besucher wurden mit Kontakt-Tracern ausgestattet, um wissenschaftliche Daten zu sammeln. Diese Daten sind im Anschluss ausgewertet, modelliert, berechnet und überprüft worden. Zusätzlich wurden Luftströmungssimulationen durchgeführt.
Gestern wurden die Ergebnisse sowie die daraus abgeleiteten wissenschaftlich fundierten Empfehlungen präsentiert.
Die wichtigsten Ergebnisse auf einen Blick
Die Gesamtzahl der mehrere Minuten langen kritischen Kontakte ist bei der Veranstaltung nicht sehr hoch und kann durch Hygienekonzepte erheblich reduziert werden.
Insbesondere während des Einlasses und der Pausen finden viele Kontakte statt. Daher muss darauf der Fokus bei der Planung liegen.
Schlechte Belüftung kann die Zahl der dem Ansteckungsrisiko ausgesetzten Menschen deutlich erhöhen.
Rund 90 % der Studienteilnehmenden finden es nicht schlimm, eine Maske zu tragen, und sind bereit, dies weiterhin zu tun, um wieder Veranstaltungen erleben zu können (Umfrage nach dem Konzertexperiment).
Bei Einhaltung von Hygienekonzepten sind die zusätzlichen Auswirkungen auf die Pandemie insgesamt gering bis sehr gering.
Aufwendige Strömungssimulation
„Die wichtigste Erkenntnis war für uns, wie groß die Auswirkungen einer guten Belüftungstechnik sind. Diese ist für das Ansteckungsrisiko eine entscheidende Schlüsselkomponente“, sagt Studienleiter Stefan Moritz von der Universitätsmedizin Halle (Saale). Diese Erkenntnisse sind Strömungssimulationen zu verdanken, die gemeinsam mit einem Ingenieurbüro entstanden sind. „Wir haben zusammen mit einem Ingenieurbüro die gesamte Quarterback Immobilien Arena als Computermodell nachgebaut und in kleine Würfel geteilt. Danach haben wir simuliert, wie sich verschiedene Lüftungsvarianten auf die Aerosolverteilung ausgewirkt haben“, erklärt Moritz.
„Um die Auswirkungen der Übertragung auf die Ausbreitung der Epidemie in der Bevölkerung insgesamt zu untersuchen, haben wir ein detailliertes epidemiologisches Simulationsmodel entwickelt“, sagt Rafael Mikolajczyk vom Institut für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik der Medizinischen Fakultät der Universität Halle. „Wir griffen dabei auf existierende Modelle zur pandemischen Planung zurück und haben sie entsprechend angepasst.“
Abgeleitete Handlungsempfehlungen
Anhand ihrer Erkenntnisse leiten die Forschenden folgende Empfehlungen ab:
Veranstaltungshäuser benötigen Belüftungstechnik, die eine gute Belüftung und einen regelmäßigen Raumluftaustausch mit frischer Luft ermöglicht. Sinnvoll ist die Erstellung eines Bewertungssystems für eine adäquate Raumlufttechnik.
Solange die Pandemie anhält, müssen Hygienekonzepte weiterhin angewendet werden: Maskenpflicht in der Halle; Hygiene-Stewards zur Einhaltung der Standards.
Der Bestuhlungsplan und somit die Gästezahl sollten an die Inzidenz angepasst werden.
Als Zugang zu den Veranstaltungsorten sollten mehrere Eingänge vorhanden sein, um Besucherströme zu lenken. Wartezonen sollten ins Freie verlagert werden.
Während der Veranstaltung sollte an den Sitzplätzen gegessen werden, um Gedränge und lange Kontakte an Imbissständen zu vermeiden.