Corona: Breitbandwirkstoff gegen Viren
Bisher gibt es kein wirksames Medikament gegen das Coronavirus SARS-CoV-2. Ein Forscherteam aus Mittelhessen verfolgt nun einen neuen Ansatz. Wie bei einem Breitbandantibiotikum gegen Bakterien wollen die Forscher nun einen Wirkstoff gegen möglichst viele verschiedene Viren entwickeln. Dabei soll nicht das Virus selbst, sondern ein Enzym des Menschen gehemmt werden, das für die Vermehrung von Viren notwendig ist.

Foto: Dr. Marcus Lechner
Es sei eine vielversprechende Strategie, um Epidemien früh in den Griff zu bekommen, meint Projektkoordinator Arnold Grünweller vom Institut für Pharmazeutische Chemie am Fachbereich Pharmazie der Philipps-Universität Marburg. Mithilfe antiviraler Breitbandmedikamente ließe sich im Prinzip der Wirt bei der Vermehrung von Viren in den Zellen hemmen. „Wir könnten so auch bei bisher unbekannten Erregern handlungsfähig bleiben“, sagt Grünweller. Dabei sei es unwahrscheinlich, dass sich Virusresistenzen ausbildeten. „Zudem fallen Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Medikamenten während der Behandlung von Co-Infektionen weg.“
Viren nutzen das Enzym elF4A
Da Viren keinen eigenen Stoffwechsel haben, sind sie auch nicht zur Energiegewinnung oder zur Proteinsynthese fähig. Um sich zu vermehren, nutzen einige Viren – zum Beispiel Corona-, Ebola-, Lassa- oder Zika-Viren – deshalb das menschliche Enzym eIF4A. Im Projekt „Validierung der RNA-Helikase eIF4A als antivirales Breitband-Target“ (Heliatar) wird dieses Enzym nun genauer erforscht. Das Vorhaben wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit rund 1 Mio. € für zwei Jahre unterstützt.
Mehrere Forschungsarbeiten haben bereits gezeigt, dass Viren in den Wirtszellen ihre eigenen Virusproteine nicht mehr herstellen lassen können, wenn eIF4A gehemmt wird. Die Folge: Es verringert sich auch die Anzahl von Viren in den infizierten menschlichen Zellen. Üblicherweise setzt man den Wirkstoff Silvestrol ein, um die gewünschte Enzymhemmung zu erreichen. Der Stoff wird aus asiatischen Mahagonigewächsen gewonnen. Es gibt mittlerweile aber auch ein synthetisches Derivat mit dem Namen CR-31-B auf dem Markt.
Wirkstoff mit geringer Toxizität für den Menschen
„Beide Wirkstoffe weisen eine geringe Toxizität auf, was eine Grundvoraussetzung für eine Anwendung im Menschen ist“, sagt der Marburger Pharmazeut. Allerdings wurde bislang nicht untersucht, ob die Hemmung von eIF4A Auswirkungen auf die menschlichen Immunzellen hat. Auch sind weder mögliche Resistenzbildungen noch eventuelle Nebenwirkungen bekannt.
Das Projekt „Heliatar“ soll diese Lücken nun schließen. Präklinische Untersuchungen sind deshalb ebenso notwendig wie auch die Analyse von immunmodulatorischen Effekten. Die Marburger Forscher sind überzeugt, mit ihrem Forschungsansatz wesentlich zur Entwicklung eines Medikaments gegen Viren beitragen zu können. Das sei besonders zur Behandlung hochpathogener Viren immens wichtig. „Daher könnten die Ergebnisse der hier geplanten Arbeiten für die pharmazeutische Industrie von großer Relevanz sein“, erläutert Grünweller.