Künstliche Intelligenz unterscheidet zwischen Tumortypen
Berliner Forscher entwickelten eine Methode, mit der es möglich ist, anhand künstlicher Intelligenz biochemische Muster zu erkennen. Damit möchten sie zwei Tumortypen zuverlässiger auseinanderhalten können.

Foto: Jurmeister/Charité
Mediziner stehen bei Tumoren im Kopf-Hals-Bereich und in der Lunge vor einer enormen Herausforderung: Sie können oftmals auch nach biochemischen Analysen nicht eindeutig zuordnen, welchem Gewebe die Wucherung entspringt. Krebs im Hals-Kopf-Bereich führt in der Regel zu einer Streuung (Metastase) in der Lunge – es ist aber nicht auszuschließen, dass es sich dabei auch um eine eigenständige Krebskeimzelle handeln könnte. „Hier lässt sich in den allermeisten Fällen nicht sicher entscheiden, ob es sich um eine Metastase des Kopf-Hals-Tumors handelt oder um einen zweiten Tumor, also ein Lungenkarzinom“, erklärt Frederick Klauschen vom Institut für Pathologie der Berliner Charité.
Konventionelle Tests, die Struktur oder Proteine untersuchen, können zwischen den beiden Typen nicht eindeutig unterscheiden. Forscher der TU Berlin entwickelten nun gemeinsam mit ihren Kollegen der Berliner Charité zur Identifizierung ein Verfahren auf Basis des maschinellen Lernens.
Künstliche Intelligenz hilft bei der chemischen Auswertung
Die Mediziner und Forscher untersuchten vorliegende Gewebeproben auf die sogenannte Methylierung. Dabei heften sich Methylgruppen (CH3) an bestimmte Abschnitte der Desoxyribonukleinsäure, die Erbgut trägt und besser unter dem englischen Kürzel DNA bekannt ist. Die Methylgruppen binden sich nicht willkürlich an das große Molekül DNA, sondern ergeben charakteristische Muster. David Capper vom Institut für Neuropathologie der Charité merkt an: „Aus früheren Studien wissen wir, dass das Methylierungsmuster von Krebszellen sehr stark davon abhängig ist, aus welchem Organ der Tumor abstammt.“
Methylierungsdaten mehrerer hundert Kopf-Hals- und Lungentumoren speisten Forscher der TU Berlin in ein neuronales Netzwerk ein. Es lernte, zwischen den Turmortypen zu unterscheiden. „Unser neuronales Netzwerk ist nun in der Lage, Lungenkarzinome und Metastasen von Kopf-Hals-Tumoren in den meisten Fällen mit einer Genauigkeit von über 99 % zu unterscheiden“, so Frederick Klauschen.
Das Verfahren solle so rasch wie möglich Teil der klinischen Routine werden, betont Klauschen. In weiteren Studien werden die Wissenschaftler die Wirksamkeit ihrer Analysemethode auf den Prüfstand stellen, um sie alsbald bei Krebspatienten anwenden zu können.
Jährlich erkranken in Deutschland etwa 17 000 Menschen an Kopf-Hals-Tumoren. Diese von Lungentumoren unterscheiden zu können, spielt in deren Therapie eine wesentliche Rolle. Ein lokal begrenztes Lungenkarzinom können die Mediziner durch einen operativen Eingriff heilen. Ein metastasierender Kopf-Hals-Tumor hingegen bedarf anderer Schritte, zum Beispiel eine Radiochemotherapie.