Prämiere für die Simulation von Aerosolen 29. Dez 2020 Von Martin Ciupek

Wie sich die Philharmonie in Paris auf eine Öffnung vorbereitet

Nicht nur in Deutschland gehören Kulturschaffende zu denjenigen, die am stärksten von der Corona-Pandemie getroffen sind. Eine Simulation der Aerosolverteilung in der Philharmonie de Paris soll nun darüber Aufschluss geben, was bei einer Wiederöffnung nötig ist.

Simulation von Aerosolen: Dassault Systèmes arbeitet zusammen mit der Philharmonie de Paris an der sicheren Rückkehr von Publikum und Orchester in den größten Konzertsaal. Die Simulation zeigt, wie die Luft im Konzertsaal zirkuliert.
Foto: Dassault Systèmes

Wie schützt man das Publikum in großen Konzertsälen vor Aerosolen, mit denen möglicherweise Viren übertragen werden können. Die Frage beschäftigt aktuell viele Kulturschaffende auf der ganzen westlichen Welt. Nach der zaghaften Öffnung von Theatern und Messen im Sommer ist nun wieder Schluss mit Schauspiel, Gesang und Orchesterauftritten in den großen und kleinen Veranstaltungsräumen. Wie lange das noch so gehen wird, ist ungewiss. Denn trotz hartem Lockdown steigen die Corona-Infektionen in Deutschland sowie in den europäischen Nachbarländern gerade weiter an. Damit Kulturstätten wieder aufmachen dürfen, müssen sie auch künftig Konzepte vorlegen, unter denen eine Ausbreitung der Pandemie eingedämmt werden kann.

Simulation bringt Klarheit

Inzwischen ist klar, dass es vor allem die Aerosole beim Atmen sind, die das Coronavirus Sars-Cov-2 verbreiten. Ebenfalls bekannt ist, dass einfache Baumwollmasken eine geringere Wirkung haben als spezielle FFP2-Mund-Nase-Schutzmasken. Viele Forscher haben sich auch damit beschäftigt, wie sich die Aerosole in nächster Umgebung auswirken und wie Lüftungssysteme dabei zusätzlich schützen können.

Die Simulationen zeigen, dass passende Masken die Virenausbreitung deutlich senken. Foto: Dassault Systèmes

Der französische Softwarespezialist Dassault Systèmes für Produktentwicklung und Simulation geht nun einen Schritt weiter. Das Unternehmen erforscht zusammen mit der Philharmonie de Paris, wie eine sichere Rückkehr von Publikum und Orchester in den größten Konzertsaal der Stadt gelingen kann. Dazu wurde zunächst ein originalgetreues 3-D-Modell des Konzertsaals erstellt. Damit werden nun Sicherheitsmaßnahmen beurteilt, die nach dem Corona-Lockdown möglich erscheinen. Schon jetzt zeigt die Simulation des Luftstroms im Innenraum die positive Auswirkung von Masken sowie der reduzierten Luftströmung auf Ausbreitung von Virenpartikeln.

Vorbereitungen für die Öffnung

Die Philharmonie de Paris ist das philharmonische Wahrzeichen der französischen Hauptstadt und hat deshalb einen besonderen Stellenwert bei der Wiederöffnung der Kulturbetriebe in Frankreich. Der große Konzertsaal „Grande Salle Pierre Boulez“ hat insgesamt 2400 Plätze. Er umfasst das Auditorium mittig und lässt es in die Musik eintauchen. Ein spezielles Belüftungssystem in jedem Sitz leitet geräuschlos Frischluft ein und reguliert deren Richtung und Strömungsgeschwindigkeit.

Wie die Luft im Raum genau strömt, kann jetzt mit der Simulation sichtbar gemacht werden. Das ist wichtig, um die Präventivmaßnahmen in der Philharmonie de Paris zu bewerten und bei Bedarf zusätzliche Maßnahmen digital erproben zu können. Durch Daten der Philharmonie de Paris konnte Dassault Systèmes schließlich ein digitales 3-D-Modell des voll besetzten Konzertsaals erstellen. Dann begann die eigentliche Analyse. Um zu erfahren, wie Luftstrom und Schutzmaßnahmen – z. B. das Tragen von Masken – die Ausbreitung von Virenpartikeln beeinflussen, wurde mit der Simulationssoftware beispielsweise der Luftstrom von den obersten Balkonen bis zum Orchesterboden visualisiert.

Mit reduzierter Luftströmung senkt das Belüftungssystem das Kontaminationsrisiko auf natürliche Weise. Foto: Dassault Systèmes

Damit konnte schließlich verdeutlicht werden, wie viele Virenpartikeln ein mit dem Virus infizierter Zuschauer beim Husten mit und ohne Maske abgibt und mit welcher Konzentration sich diese ausbreiten. Das wurde für unterschiedliche Szenarien durchgespielt. Damit konnte auch die Ausbreitung der Partikel in Richtung Konzertbesucher, Musiker und Dirigent untersucht werden. Um ein genaues Bild davon zu bekommen, wurden auch die Belüftungssysteme jedes Sitzes und die verschiedenen Richtungen, in denen Treppen, Sitze und Boden des Konzertsaals von der Luft umströmt werden, in dem Berechnungsmodell berücksichtigt.

Masken reduzieren Risiko

Auch die Simulationen belegten, dass das Risiko der Virenausbreitung sinkt, wenn Zuschauer passende Masken tragen und die Luftströmung an jedem Sitzplatz entsprechend eingestellt wird. Die Simulationsexperten haben dabei eine Reduzierung um 50 % errechnet. Ebenso wurden die Wirkungen unterschiedlicher Maskentypen dabei untersucht – von der einfachen Bauwollmaske über die Klinikmasken bis hin zur FFP2-Maske. Dabei zeigte sich wenig überraschend: Insbesondere wenn die Masken gut passen, tragen sie deutlich zur Senkung der in die Luft abgegebenen Partikelmenge und Ausstoßgeschwindigkeit bei – sie sind daher eine wichtige erste Barriere.

Unterschiedliche Szenarien zeigen die Konzentration der Partikel, die ein infizierter Zuschauer beim Husten mit und ohne Maske abgibt. Foto: Dassault Systèmes

Die Simulationen verdeutlichten somit, dass der Konzertsaal mit den Verhältnissen an freier Luft vergleichbar ist, wo die Gefahr der Ausbreitung von einer Seite zur anderen stark begrenzt ist. Zusätzlich senkt das Belüftungssystem das Kontaminationsrisiko in der Philharmonie, indem es seitliche Luftbewegungen minimiert und die Luft hinter das Publikum und die Musiker lenkt. Parallel dazu bestätigten Simulationen der Luftströmung im Eingangsbereich des Konzertsaals, dass die bereits getroffenen Schutzmaßnahmen, wie Maskenpflicht und Abstandhalten, für diesen speziellen Bereich geeignet sind.

Sicherheit im Fokus

Für Laurent Bayle, Managing Director der Philharmonie de Paris, steht fest: „Sicherheit ist für Publikum, Künstler und Mitarbeiter nicht verhandelbar.“ Deshalb habe sich sein Unternehmen für die Partnerschaft mit Dassault Systèmes entschieden. Die genauen Simulationsergebnisse sind für ihn ein wichtiger Schritt zu seinem eigentlich Ziel: „Damit sind wir gut darauf vorbereitet, unseren Konzertsaal unter den bestmöglichen Bedingungen wiederzueröffnen.“

Die Simulationswerkzeuge, mit denen ursprünglich vor allem die Entwicklung von Flugzeugen und Automobilen verbessert wurde, bekommen damit auch für andere Anwender wie die Philharmonie de Paris eine zusätzliche Bedeutung. Das spürt auch Dassault Systèmes. Florence Verzelen, Executive Vice President, Industry, Marketing and Sustainability bei Dassault Systèmes, drückt es so aus: „Unsere Zusammenarbeit mit der Philharmonie de Paris ist Teil unserer fortlaufenden Bemühungen, Unternehmen und Institutionen dabei zu helfen, Bedingungen zu simulieren, zu visualisieren und zu analysieren, Auswirkungen von Was-wäre-wenn-Szenarien zu bewerten und Lösungen zu finden, damit eine Wiedereröffnung und ein sicheres Arbeiten möglich sind.“ Anders als in der Philharmonie gebe es im echten Leben keine Generalprobe. Doch Verzelen sieht schon wieder Licht am Horizont: „Während die reale Welt mit pandemiebedingten Schließungen kämpft, ermöglicht die virtuelle Welt Experimente, um Unbekanntes zu erforschen.“

Weiterführende Links:

www.vdi-nachrichten.com/technik/gebaeudetechnik/aachener-forscher-hoersaele-und-klassenraeume-brauchen-mehr-luft/

www.vdi-nachrichten.com/technik/gebaeudetechnik/corona-stroemungssimulation-zeigt-die-wege-von-aerosolen-im-buero/

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