Wie Technisches Design Leben retten kann
Design heißt nicht nur einem Produkt eine angenehme Form oder Farbe zu verleihen. Die Frage nach dem Nutzen steht auch an der Professur für Technisches Design der TU Dresden, angesiedelt an der Fakultät Maschinenwesen, im Mittelpunkt der Überlegungen. Dort wird untersucht, wie Medizintechnik durch Design wirksamer wird.

Foto: Yichen Fan
Die Vernetzung von Daten und die Assistenz durch Computer und Roboter bestimmt heute bereits viele Eingriffe im Operationssaal. Ihr Potenzial schöpfen diese intelligenten Systeme bislang aber noch nicht voll aus. Für seine Projektarbeit an der Technischen Universität Dresden (TUD) im Rahmen des Exzellenzclusters CeTI, das Anwendungen für das taktile Internet erforscht, befragte daher Student Yichen Fan Chirurgen nach ihren Bedürfnissen und entwarf entsprechend der Antworten Lösungen für den Operationssaal von morgen.
„Das Technische Design unterstützt bereits seit vielen Jahren Forschungsprojekte im Bereich der Agrar- und Bautechnik oder Logistik. Nun zunehmend auch mit den herausragenden Medizinern in der Stadt zusammenarbeiten zu können, macht uns besonders stolz“, erklärt Jens Krzywinski, Professor für Technisches Design an der TUD. „Es ist Anspruch eines guten Designs, einen Beitrag zu einer besseren Welt zu leisten. Wie das schon während des Studiums gelingen kann, dafür ist das Projekt unseres Studenten Yichen Fan ein wunderbares Beispiel.“
Auf das haptische Feedback kommt es an
Bei minimal-invasiven Operationen mit Computer- und Roboterassistenz fehlte Chirurgen bisher im wahrsten Sinne das Gefühl. So mangelte es u.a. an Informationen über die Festigkeit des Gewebes oder zum Vorhandensein eines Pulses. Yichen Fan ging deshalb der Frage nach, worauf es den Chirurgen während des Eingriffs besonders ankommt. Bei seinen Gesprächen am Universitätsklinikum kristallisierte sich heraus, dass dem medizinischen Personal vor allem das haptische Feedback wichtig ist.
Momentan werden vorrangig zwei Systeme genutzt: die sogenannte laparoskopische Zange und die roboterassistierte Operation, bei der der Eingriff über eine Konsole gesteuert wird. Fan entwickelte für beide Lösungsansätze, um das benötigte Feedback zu erzeugen. Für die Zange entwarf er einen „aufblasbaren Ring“ am Griff des Gerätes. Dieser gibt dem potenziellen Nutzer die verlangte Rückmeldung. Durch das Hineinpumpen von Luft in den Ring wird ähnlich wie bei einem Blutdruckmessgerät Druck erzeugt und damit ein haptisches Feedback wiedergegeben, das Sensoren am anderen Ende der Zange im Körper des Patienten aufnehmen. Mit diesem Konzept konnte Fan das medizinische Personal überzeugen.
Covid-19-Pandemie verzögert das Testen des Prototypen
Yichen Fan baute daraufhin einen Prototypen, um zu testen, ob das theoretisch entwickelte System auch tatsächlich ein haptisches Feedback geben kann. Dabei stand sowohl die technische Umsetzung als auch das Design der Zange im Vordergrund. Dann stand die letzte Phase der Produktentwicklung an: die Integration des Rings in eine laparoskopische Zange und das Testen des Prototypen – zunächst in der Chirurgieausbildung. Doch die Covid-19-Pandemie machte dem Ganzen einen Strich durch die Rechnung. Bisher konnten diese Tests nicht durchgeführt werden. Sie sollen nachgeholt werden, sobald wieder Normalität eingekehrt sei, heißt es an der TUD.
Wie aber kann Design Menschenleben retten? Die Dresdner Forscher sind davon überzeugt, dass das dank eines haptischen Feedbacks an seiner laparoskopischen Zange möglich wäre. Denn dann treffe der Chirurg bessere Entscheidungen während der Operation. Das helfe aber nicht nur dem Patienten. „Sondern, und das ist der besondere Wert einer umfassenden Nutzerbetrachtung wie sie im Design üblich ist, es hilft auch den Chirurgen und ihren Teams durch eine geringere mentale Belastung, weniger Fehler und mehr Zufriedenheit“, sagt Jens Krzywinski. „Wir sind sicher, dass diesem vielversprechenden Auftakt noch viele weitere Innovationen aus Kooperationsprojekten von Medizin und Design folgen werden.“