Campusnetze bringen Digitalisierung in Fabriken voran
Die Hoffnungen verschiedener Industrien ruhen auf der fünften Mobilfunkgeneration. 5G-Netze in Fabriken sollen die Digitalisierung vorantreiben und die Produktion flexibler machen.

Große Maschinenbauer tun es ebenso wie Chemieriesen und Automobilhersteller. Aber auch Universitäten, Forschungsinstitute und Kliniken sind mit von der Partie. Ob Siemens, Bosch, BASF oder Audi – sie alle tüfteln an 5G-Campusnetzen für ihre Fabrikhallen und Gelände. Netzanbieter wie Telekom und Vodafone, Technikausrüster wie Ericsson und Nokia sind derzeit mit Hunderten von Firmen im Gespräch.
Schließlich sind die Perspektiven verheißungsvoll. „5G wird das zentrale Nervensystem der Fabrik der Zukunft“, glaubt Andreas Müller, Vorsitzender in der Entwicklungsallianz 5G-Acia der organisierten Automatisierer. Er ist überzeugt, der Kommunikationsstandard mache die Fertigung flexibler, mobiler und produktiver.
Geringe Verzögerungszeiten und hohe Bandbreite
Die fünfte Mobilfunkgeneration kann mit schnellen Übertragungen von Signalen bei geringen Verzögerungszeiten auftrumpfen. Hohe Verfügbarkeiten, aber auch die massenhafte Erfassung und Steuerung von Sensoren prädestinieren 5G für die industrielle Produktion. Vorausgesetzt allerdings, die Spezifikationen werden in Standards, dann in Chipsets und Geräte umgewandelt. „5G in seiner vollen Schönheit haben wir erst Mitte 2024“, erklärt Nokias Industrie-4.0-Experte Martin Beltrop.
Doch der Run auf die Lizenzen für 5G-Campusnetze ist bereits deutlich zu spüren: Bis 4. Januar wurden 101 Anträge auf Zuteilung genehmigt. Das bestätigt die Bundesnetzagentur, die einen Teil der kostbaren 5G-Frequenzen im unteren Gigahertz-Band extra für die Industrie reservieren ließ. Und es dürfte in den nächsten Monaten noch jede Menge passieren. Bosch-Geschäftsführer und CTO Michael Bolle ist voll Tatendrang: „5G werden wir nach und nach in unseren rund 250 Werken weltweit einsetzen.“
Potenzial für hohe Wertschöpfung
Die Hoffnung der verschiedenen Industrien ist groß. In einer neuen Studie kommt Nokia zu dem Schluss, dass 5G-fähige Unternehmen das Potenzial haben, der Weltwirtschaft bis 2030 eine Wertschöpfung von über 6,5 Billionen € zu bescheren.
Eine Untersuchung der Marktforscher von ABI Research und Ericsson bestätigt: Industrieunternehmen könnten ihre Gesamtproduktionskosten durch 5G-Campusnetze um bis zu 8,5 % senken. Das größte Einsparpotenzial sehen die Studienmacher mit beinahe 2 % der Gesamtproduktionskosten beim Einsatz autonomer Fahrzeuge und Roboter. Es folgen Anwendungen wie die präventive Maschinenüberwachung, der Einsatz von Augmented Reality im Betrieb und die Vernetzung von Dingen.
5G-Acia-Vorsitzender Müller ist stolz auf die hiesige Campus-Strategie: „Deutschland übernimmt hier eine weltweite Vorreiterrolle.“ Und das dürfte sich laut Claudia Nemat, Technikchefin der Deutschen Telekom, auszahlen: Der Aufbau eines kompletten 5G-Ökosystems für die Industrie stärke den Standort Deutschland im weltweiten Wettbewerb.
Den Fokus „5G in der Industrie“ lesen Sie im aktuellen E-Paper der VDI nachrichten mit diesen Themen:
Der Campus funkt
Emsig arbeiten Netzanbieter und -ausrüster daran, Standards für lokale 5G-Netze umzusetzen. Das Interesse der Industrie ist riesig. Aber Mobilfunk in der Fabrik verlangt ein Neudenken.
Orientierung für kleine Unternehmen
Produktion: Es muss nicht gleich ein eigenes Campusnetz sein. Für den Mittelstand gibt es andere Wege, um zu den 5G-Vorreitern zu gehören.
Tests in der Praxis
Unternehmen aus ganz unterschiedlichen Branchen entwerfen bereits ihre 5G-Campusnetze. Mit viel Eigenarbeit, aber auch in Kooperationen mit Netzbetreibern und -ausrüstern. Wir zeigen eine kleine Auswahl.
Kräne, Raupen und Bagger aus der Ferne steuern
Bau: In Hoyerswerda arbeiten Forscher an einer IT-Infrastruktur, um Baumaschinen künftig fernsteuern zu können. Der Weg ist aber noch weit.
Modellregionen für 5G-Campusnetze
Forschung: Im Rahmen einer 5G-Forschungsinitiative werden vom Bundesverkehrsministerium (BMVI) 2019 sechs Regionen gefördert.