Deutschlands Weg zur smarten Fabrik – Cybersicherheit bleibt Hemmnis
Gleich mehrere aktuelle Studien geben ein Bild davon, wie smarte Fabriken in Deutschland langsam Form annehmen. Zwar beschäftigen sich nun mehr Unternehmen mit Industrie 4.0. In der Spitzengruppe tritt dagegen eine gewisse Stagnation ein.

Foto: panthermedia.net/Olivier26
Wie sich innerhalb von drei Jahren die Anwendung von smarten Technologien in der industriellen Produktion entwickelt hat, haben sich die Wissenschaftler vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in Stuttgart angeschaut. Basis dafür sind die regelmäßigen Erhebungen zur „Modernisierung der Produktion“, an denen in den Jahren 2015 und 2018 jeweils über 1250 Unternehmen teilgenommen haben, die mit dem vom Fraunhofer ISI entwickelten „Industrie 4.0 (I4.0) Readiness Index“ abgeglichen wurden. Eine ausführliche Betrachtung der Antworten ergab nun, dass die Unternehmen, die zuvor wenig Anstrengungen in Richtung Industrie 4.0 unternommen hatten, inzwischen deutlich aufgeholt haben. Demnach sank der Anteil von Unternehmen, die keinerlei I4.0-Technologien anwenden, in Deutschland von 23 % (2015) auf nur noch 14 % (2018). Gleichzeitig wuchs der Anteil der von den Wissenschaftlern als „Basisanwender“ bezeichneten Gruppe, die sich durch eine geringe bis mittlere Anwendung von Digitalisierungstechnologien auszeichnen, von 61 % auf 68 %. In der Gruppe der Spitzenanwender verzeichneten die Experten vom Fraunhofer ISI mit einem Anstieg um 2 % dagegen eine gewisse Stagnation. Das zwischen Erhebung, Auswertung und Veröffentlichung bei diesem Verfahren einige Zeit vergeht, ist laut dem Pressesprecher des Fraunhofer ISI, Jacob Leidenberger, den hohen Qualitätsansprüchen geschuldet. Damit seien die Ergebnisse aussagefähiger als bei „schnell gemachten Studien“.
Kluft zwischen kleinen Betrieben und Konzernen wird geringer
Als positiv bewerten die Fraunhofer-Forscher, dass die digitalen Unterschiede zwischen kleinen und großen Betrieben seit 2015 deutlich geringer wurden. Jedoch gebe es bei kleineren Betrieben noch Nachholbedarf. Bezüglich der Branchenzugehörigkeit gab es seit 2015 die größte Entwicklungsdynamik in der Nahrungs- und Getränkeindustrie, der Holz- und Papierindustrie bzw. der Gummi- und Kunststoffbranche – diese hatten 2015 noch zurückgelegen. An der Spitzenposition des Fahrzeugbaus und der Elektronikindustrie als digitale Vorreiter hat sich indes nichts geändert. Die Forscher verzeichneten allerdings, dass sich deren Abstand zu den anderen Bereichen deutlich verringert hat und sich das Feld insgesamt verdichtet.
Projektleiter Christian Lerch zieht aus der Untersuchung folgendes Fazit: „Vor allem Kleinbetriebe haben ihre Digitalisierungsanstrengungen intensiviert und setzen I4.0-Basisanwendungen ein.“ Der Leiter des Geschäftsfelds „Industrieller Wandel und neue Geschäftsmodelle“ am Fraunhofer ISI bemerkt weiter: „Demgegenüber stehen der Mittelstand und die größeren Betriebe. Sie treten bei der Digitalisierung ihrer Produktion auf der Stelle oder konnten sich nur geringfügig verbessern.“ Daraus folgt für Lerch: „Insgesamt macht diese Untersuchung deutlich, dass die vierte industrielle Revolution noch lange nicht abgeschlossen ist, sondern gerade erst begonnen hat und durch neue Entwicklungstendenzen geprägt ist.“
Sicherheitsskepsis bremst weitere Entwicklungen
Einen möglichen Grund dafür liefert die aktuelle Studie „Funktions- und Datensichere Cyberphysische Systeme – FuDaSi CPS“ des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) in Stuttgart. Nach deren Einschätzung ist von der industriellen Revolution „Industrie 4.0“ samt ihren Ablegern wie „Mobilität 4.0“ im Alltag bisher wenig angekommen. Zwar seien die technischen Möglichkeiten für den Einstieg in Digitalisierung und Vernetzung inzwischen weitgehend vorhanden, als größtes Hindernis bei der Umsetzung erwiesen sich dabei allerdings Sicherheitsbedenken. Für die Studie hatte das Fraunhofer IPA zusammen mit dem Autozulieferer CSI Entwicklungstechnik GmbH Experten aus mehr als zwei Dutzend Unternehmen befragt.
Weitere Erkenntnisse daraus sind, dass zwar viele Unternehmen Onlinesimulationen nutzen, die auf einem Steuergerät parallel zum überwachten Produkt laufen, aber davor scheuen, Daten auf einer offenen Cloud abzulegen. Für wünschenswert halten die Anwender demnach ein Prüfsiegel für die Zuverlässigkeit von Sicherheitslösungen. An dessen Entwicklung würden sich die Unternehmen auch beteiligen. Die Experten vom Fraunhofer IPA halten jedoch dagegen, dass ein solches Vorhaben nicht nur aufwendig, sondern auch organisatorisch schwer zu verwirklichen sei, zumal das Siegel internationale Gültigkeit haben sollte.
Jürgen Henke, der stellvertretende Leiter des Geschäftsfelds Automotive des Fraunhofer IPA, verweist trotz aller Unsicherheiten auf den künftigen Wert von Daten. Sie böten zusätzliche Geschäftschancen, z. B. durch die Vermarktung von Flottendaten beispielsweise für die Wetter- und Staumeldungen. Darauf hätten die Teilnehmer der Studie jedoch nur verhalten reagiert, auch weil sie den Wert der Daten bislang kaum abschätzen können.