Europäischer Datenraum nimmt Gestalt an
Letztes Jahr ins Leben gerufen und dann auf dem Digitalgipfel der Bundesregierung angekündigt, nimmt das Projekt Gaia-X nun Gestalt an. Heute präsentierten die Wirtschaftsminister Deutschlands und Frankreichs das Erreichte in einer Onlinekonferenz.

Auch Minister treffen sich in Corona-Zeiten virtuell. Peter Altmaier und Bruno Le Maire (auf dem Bildschirm) präsentieren im Netz.
Foto: Jens D. Billerbeck
Heute konnte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sein vielleicht ehrgeizigstes Vorhaben endlich persönlich präsentieren (was ihm beim Digitalgipfel im Oktober letzten Jahres durch einen Sturz von der Bühne verwehrt war): Gaia-X, die deutsch-französische Initiative zur Etablierung eines einheitlichen europäischen Datenraums. Es geht um Souveränität, um Unabhängigkeit von großen Plattformbetreibern in China und den USA und es geht, wie Altmaiers französischer Kollege Bruno Le Maire unterstrich, um die europäischen Werte: Offenheit, Interoperabilität, Transparenz und Vertrauen.
„Es ist Europas Mondlandungsprojekt“, legte Altmaier die Latte von Anfang an hoch. „Wir sind überzeugt, dass der Erfolg diese Projekts für Deutschland und Frankreich, aber auch für unsere europäischen Partner extrem wichtig ist. Gaia-X, benannt nach der griechischen Göttin der Erde und der Fruchtbarkeit, ist der Startpunkt eines europäischen Daten-Ökosystems, das Firmen mit jenen Daten versorgen soll, die sie brauchen, um erfolgreich digitale Geschäftsmodelle umzusetzen. „Es bedeutet das Ende der Abhängigkeit von großen Providern“, ist Altmaier überzeugt.
Europas Datenraum muss geschützt werden
Sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire – zugeschaltet aus Paris – ergänzte: „Wir sind extrem schnell gewesen, diese Initiative zu implementieren“, und stellte damit der sonst manchmal langsamen Politik ein gutes Zeugnis aus. Dazu mögen auch die Industriepartner beigetragen haben, die von Anfang an mit an Bord waren. Und die Vorarbeiten, die das Bundesforschungsministerium und die Fraunhofer-Gesellschaft im Industrial Data Space (heute: International Data Spaces Association) geleistet haben. Jedenfalls kommt die Initiative zur rechten Zeit. Le Maire: „Praktisch alle Unternehmen sind zur Telearbeit übergegangen, das macht die Einführung noch dringlicher. Europas Data Space muss geschützt werden.“ Gaia-X wird Mechanismen implementieren, um Daten sicher zu speichern und zwischen verschiedenen Teilnehmern zu teilen. „Das basiert auf unseren gemeinsam europäischen Werten, auf die wir stolz sind“, ergänzt Le Maire. „Wir sind nicht China, wir sind nicht die USA, wir sind Europa und haben unsere eigenen Interessen.“
Sitz der Stiftung in Brüssel
Institutionalisiert wird Gaia-X als belgische Non-Profit-Stiftung mit Sitz in Brüssel. Alle interessierten Firmen und Forschungseinrichtungen sollen die Möglichkeit bekommen, diskriminierungsfrei Zugang zu bekommen, wenn sie sich zu den Prinzipien bekennen. Altmaier ist überzeugt, dass diese auch Firmen außerhalb Europas interessieren könnten. In vielen Gesprächen habe er den Eindruck bekommen, dass Gaia-X eine Art „internationaler Gold-Standard“ in Sachen Datennutzung werden könne. Ähnlich wie die europäische Datenschutzgrundverordnung, die ebenfalls einige internationale Strahlkraft entwickelt hat.
Vereinheitlichen und Vereinfachen
Als Gast vom Bundesforschungsministerium schaute Staatssekretär Wolf-Dieter Lukas bei der Gaia-X-Präsentation online vorbei. Er unterstrich die Rolle, die Daten und digitale Dienste heute in der Industrie spielen. „Wir haben technologische Souveränität an vielen Stellen verloren.“ Er nannte die bekannten Beispiele: Computer, Smartphones, Onlinemarktplätze, aber auch die Infrastruktur für die 5G-Mobilfunknetze. „Wir haben es zugelassen, dass andere schneller waren“, kritisiert Lukas. Und er appelliert an einen neuen Gründergeist, der durch einen europäischen Datenraum befördert werden könnte. „Uns fehlt es derzeit an Garagen“, zitiert er den Gründungsmythos der Silicon-Valley-Giganten. „Ich glaube fest, wir können das besser. Als europäische Union müssen wir wieder lernen, groß zu denken. Groß denken und ambitioniert sein.“
Für Gerd Hoppe vom Automatisierungsspezialisten Beckhoff – auch einer der Gründungspartner – steht die Gemeinsamkeit im Vordergrund: „Gaia-X ist eine europäische Initiative zur Integration.“ Sie basiere auf einem gemeinsamen Verständnis, wie mit Daten umzugehen sei, und implementiere das jetzt als einen Standard, der Datenaustausch auch über Domänengrenzen hinweg erlaubt. „Wir werben darum, bisher inkompatible Standards an Gaia-X anzupassen. Es geht um Vereinheitlichung und Vereinfachung!“