Künstliche Intelligenz 11. Aug 2021 Von Regine Bönsch Lesezeit: ca. 4 Minuten

KI vervollständigt Sinfonie von Beethoven

Wie kreativ könnten Algorithmen sein? Das will die Deutsche Telekom gemeinsam mit Wissenschaftlern erforschen. Sie ließ dafür die 10. unvollendete Sinfonie von Beethoven durch künstliche Intelligenz fortschreiben. Eine erste Hörprobe des KI-Werks wurde jetzt veröffentlicht.

Andere Welten: Vergleich der Originalskizzen Ludwig van Beethovens mit den Noten der künstlichen Intelligenz.
Foto: Deutsche Telekom

Am 9. Oktober ist es so weit. Dann soll die 10. Sinfonie von Ludwig van Beethoven, die mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) vollendet wurde, im Telekom-Forum in Bonn uraufgeführt werden. Einen ersten Eindruck der finalen Komposition bietet jetzt eine kurze Hörprobe, die auch wir unseren Leserinnen und Lesern nicht vorenthalten wollen. Eingespielt wurde sie vom Beethoven Orchester Bonn unter der Leitung seines Dirigenten Dirk Kaftan mit Cameron Carpenter an der Orgel.

Uraufführung durch Corona verschoben

Eigentlich hätte die Uraufführung schon im letzten Herbst stattfinden sollen, doch aufgrund der Covid-19-Lage und steigender Inzidenzen wurde sie auf 2021 verschoben. Die Telekom hatte zum 250. Geburtstag des Komponisten im Frühjahr 2019 ein Team aus international anerkannten Musik- und KI-Experten zusammengerufen, die das Experiment begleiteten. Schließlich geht es um nichts Geringeres als die Frage: Können Algorithmen kreativ sein? Oder, anders formuliert, was unterscheidet uns Menschen von den Maschinen?

„Wir halten uns eng an Beethovens Skizzen und komplettieren nur das, wozu uns Material und Zugänge von Beethoven selbst vorliegen. Dafür stehen auch unsere internationalen Experten“, betonte zu Beginn des Experiments Timotheus Höttges, CEO der Deutschen Telekom, die Ideen- und Geldgeber des Projekts ist. Nach ersten, noch sehr unreif wirkenden Eindrücken aus dem Dezember 2019 sowie einem Auszug aus dem Arbeitsstand des dritten Satzes im Juni des vergangenen Jahres gibt es jetzt erstmalig einen kleinen Einblick in das finale Werk.

Software zur Spracherkennung kreierte Beethoven-KI

Kurz vor seinem Tod begann Beethoven die Arbeit an der 10. Sinfonie, die er jedoch nicht vollenden konnte. Unter der Leitung von Matthias Röder, dem Direktor des Eliette und Herbert von Karajan Instituts in Salzburg, entwickelten Experten aus den Bereichen KI und Musikwissenschaft die „Beethoven-KI“.

Das internationale Team verwendete dabei ein Spracherkennungsprogramm, das so modifiziert wurde, dass es für Musik genutzt werden konnte. Die Software wurde mit den Skizzen zur 10. Sinfonie und den übrigen neun Symphonien Beethovens sowie mit Klavierkonzerten und Sonaten gefüttert. Hinzu kamen weitere Stücke von Komponisten aus der Epoche, wie Joseph Haydn, Johann Sebastian Bach und Wolfgang Amadeus Mozart. Zeitgenossen wie Bach inspirierten und beeinflussten Beethoven.

Im Wechselspiel mit den Experten hat der Algorithmus dann Beethovens letztes und unvollständiges Werk fortgeschrieben. Diese Notation übertrugen der Komponist Walter Werzowa, die Musiker und ihr Dirigent in ein „lebendiges Werk“, wie die Telekom es formuliert.

Huawei demonstrierte Schuberts Unvollendete vollendet

Bereits im Februar 2019 präsentierte der Telekommunikationsriese Huawei eine komplettierte Fassung von Schuberts Unvollendeter in h-Moll. Die Chinesen ließen den Filmkomponisten Lucas Cantor die zwei letzten Sätze der rund 200 Jahre alten Sinfonie mithilfe von KI vollenden – mit künstlicher Intelligenz, die damals auch in einem Smartphone zum Einsatz kam. Um der KI beizubringen, wie Schubert „tickte“, und um sinnvolle Ergänzungen zu finden, wurde sie – ähnlich wie beim Beethoven-Projekt – mit den beiden existierenden Sätzen der Unvollendeten gefüttert. Da wurden Klangfarbe, Tonhöhen, Takte und mehr analysiert ebenso wie andere Werke des Komponisten. Heraus kamen kurze Melodieschnipsel, die Cantor bewertete, aneinanderreihte und arrangierte.

Die Reaktionen auf diese Mensch-Maschine Kooperation fielen vor zwei Jahren durchaus unterschiedlich aus. Während der italienische Komponist Giovanni Allevi sich von dem Ergebnis angetan zeigte, klang es nach Ansicht anderer Musikexperten eher nach Filmmusik als nach Schubert. Walter Ji, Präsident von Huawei Western Europe, erklärte damals: Sein Unternehmen wolle die Power von KI nutzen, „um Grenzen zu verschieben und den positiven Einfluss, den Technologie auf moderne Kultur haben kann, zu zeigen“.

Musikexperten sehen Projekt kritisch

Eckart Altenmüller, Direktor des Instituts für Musikphysiologie an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover, sieht laut dem Onlineportal //Next die KI-Ergänzungen von Kompositionen eher kritisch. Natürlich könne man eine KI mit der Tonsprache der Komponisten füttern und das dann zu Ende führen. Allerdings sei das Besondere an einem Meisterwerk das Durchbrechen von Regularitäten, so argumentiert der Forscher. So sei erst das Andocken an unseren emotionalen Haushalt möglich, verriet er dem Portal der Versicherungsgruppe Ergo.

Sein Resümee zu den bereits veröffentlichten KI-Ergänzungen von Beethovens Zehnter lautet daher: „Das kann man so machen, aber es ist langweilig.“ Um aus einem Musikstück ein Kunstwerk zu machen, gehe es um ein Spiel mit Hörerwartungen. Die müssen, so Altenmüller, „im richtigen Moment getäuscht werden“. Das empfänden Zuhörer als wohltuend und belohnend. „Wenn ich ein Musikstück höre, dann weiß ich nie genau, wie es weitergeht.“

Andere Musikexperten loben die Instrumentierung des Beethoven-KI-Werks, sehen aber in dem jetzt veröffentlichten Schnipsel der Zehnten Anlehnungen an Beethovens fünfte Sinfonie.

Maschine versteht Musik, aber nicht den Zeitgeist

Höttges ist sich im Klaren darüber, dass das nun vorliegende Ergebnis unter Musik- und KI-Experten ebenso wie unter Musikinteressierten kontrovers diskutiert wird. Der Telekom-Chef ist aber überzeugt: „Das Ergebnis ist für mich etwas Großartiges, weil die Maschine und der Mensch etwas Neues geschaffen haben.“ Doch es müsse eingeordnet werden. Beethoven habe in seiner Zeit gelebt – in einer Gesellschaft, die durch Kriege, durch Not, aber auch durch viel Liebe und Empathie geprägt war. „Das kann keine Maschine heute. Aber die Maschine versteht Musik und kann diese weiterentwickeln, nicht aber den Zeitgeist, das Thema sozusagen, in die Musik integrieren.“

Aber urteilen Sie selbst: Wir alle haben im Oktober die Gelegenheit, das komplette Werk auf verschiedenen Plattformen zu hören und danach zu urteilen. Magenta-TV wird die Uraufführung übertragen und später zum Abruf bereithalten. Die Bertelsmann Music Group veröffentlicht das Album „Beethoven X – The AI Project“ weltweit am 8. Oktober als CD und Stream auf allen digitalen Plattformen.

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