Informationstechnik 04. Okt 2019 Von Jens D. Billerbeck

Quantencomputer kommt nach Deutschland

Google hat angeblich die Überlegenheit von Quantenrechnern belegt. IBM und Fraunhofer installieren ein System für die anwendungsbezogene Forschung unter Datenhoheit nach europäischem Recht.

Rechnen mit Quanten: Anders als die Bits im „normalen“ Computer können die sogenannten Qubits mehrere Zustände gleichzeitig einnehmen. Das verspricht dem Quantenrechner bei manchen Aufgabentypen deutliche Vorteile gegenüber herkömmlichen Computern.
Foto: mauritius images/JIRAROJ PRADITCHAROENKUL/Alamy

Hat Google es geschafft oder nicht? Wurde bewiesen, dass ein Quantencomputer eine bestimmte Berechnung signifikant schneller durchführen kann als die besten Supercomputer? So jedenfalls verstanden Medien rund um den Globus ein Forschungspapier des Suchmaschinengiganten, das für kurze Zeit auf einem Nasa-Server aufgetaucht war, um kurz darauf wieder zu verschwinden. Gleichwohl findet sich eine reine Textvariante weiterhin im Netz, ohne dass deren Korrektheit geprüft werden kann.

Inhalt des Papiers: Google ist es mit einem Quantencomputer von 54 Qubits – wovon allerdings nur 53 korrekt arbeiteten – gelungen, in nur 200 s durchzurechnen, ob eine große Zahlenmenge wirklich zufällig verteilt ist. Ein Supercomputer, so wird das Papier zitiert, bräuchte für das gleiche Problem 10 000 Jahre.

Tausendsassa Qubit

Das Geheimnis des Quantencomputers sind eben diese Qubits, Quantenbits, die nicht nur die Werte 1 und 0 annehmen können, sondern auch jeden Zwischenwert und sich zugleich miteinander verschränken lassen. Nur sind diese Qubits empfindliche Zeitgenossen und nur schwer über längere Zeit stabil zu halten. Überall auf der Welt wird daran geforscht und verschiedene Technologien, um solche Qubits zu realisieren, sind in der Erprobung. Dennoch sehen Experten im Quantencomputing großes Potenzial, komplexe Systeme in Wirtschaft und Industrie zu analysieren, die Komplexität molekularer und chemischer Wechselwirkungen zu entflechten und komplizierte Optimierungsprobleme zu bewältigen.

Ob das geheimnisvolle Google-Papier irgendwann veröffentlicht wird, steht derzeit noch in den Sternen. Wesentlich konkreter sind da die Pläne IBMs, eines weiteren wichtigen Players im Rennen um den praktisch nutzbaren Quantencomputer. Gemeinsam mit der Fraunhofer-Gesellschaft will Big Blue ein „IBM Q System One“ an einem Standort in Deutschland errichten. „Wir wollen gemeinsam Kompetenzen und Strategien rund um das Thema für die Industrie und anwendungsorientierte Verfahren vorantreiben“, erläutert Matthias Hartmann, General Manager IBM Deutschland gegenüber den VDI nachrichten. „Die Installation eines IBM Q System One hierzulande stärkt das Ansehen Deutschlands in der Quantenforschung und eröffnet neue Möglichkeiten für die Entwicklung von Quanteninformationsstrategien unter voller Datenhoheit nach europäischem Recht.“

Initiative für angewandtes Quantencomputing

Und Fraunhofer-Präsident Reimund Neugebauer ergänzt: „Diese Partnerschaft ist eine wegweisende Initiative für angewandtes Quantencomputing und ein entscheidender Fortschritt für deutsche Forschungseinrichtungen sowie Unternehmen aller Größenordnungen in unserem Land.“ Die Bundesregierung will in den nächsten zwei Jahren 650 Mio. € investieren, um die Quantentechnologie von der Grundlagenforschung hin zu marktfähigen Anwendungen zu entwickeln. Das Fraunhofer-Center für Quantencomputing folgt laut Neugebauer dieser Zielsetzung. Und das IBM-Q-Netzwerk hat damit eine wichtige Drehscheibe für das Quantencomputing in Europa hinzugewonnen.

Auf die Frage, wie viele Qubits dieses System haben werde, erläutert Hartmann: „Die Leistungsfähigkeit von Quantensystemen über ihre Anzahl von Qubits zu definieren, ist interessant, aber wenig aussagefähig.“ Denn neben der reinen Anzahl Qubits beeinflussten andere Faktoren die Leistungsfähigkeit des Systems mindestens genauso – etwa die Stabilität und Verknüpfungsfähigkeiten der einzelnen Qubits. „Wir haben für unsere Systeme das Leistungsmaß ‚Quantum Volume‘ eingeführt. Je höher das Quantenvolumen, desto komplexere Probleme können Quantencomputer lösen. Das in Deutschland installierte System wird das höchste aktuell verfügbare Quantum Volume erreichen.“

Quantencomputer sind Realität

Klar ist, dass Fachleute aus Industrie und Wissenschaft neue Fähigkeiten und Kompetenzen benötigen, um vom Quantencomputing zu profitieren. Am Center für Quantencomputing sind sie Teil des IBM-Q-Netzwerks und erhalten Support, Training und Unterstützung von den Experten der IBM. Ziel, so Hartmann, sei der „Aufbau einer entsprechenden Gemeinschaft aus Forschern, Entwicklern, IT- und Branchenexperten“.

„Quantencomputer sind keine Science-Fiction, sondern Realität“, ist Hartmann überzeugt. Das unterstreichen viele Forschungsaktivitäten in Deutschland und Europa, aber auch weltweit. IBM reklamiert dabei für sich etliche Forschungserfolge, die in den letzten Jahren den Einsatz der Technologie auch außerhalb von Laboren möglich machten. „Jetzt ist es wichtig, eine Brücke zwischen den klassischen Computern und Quantenrechnern zu schlagen, um die Stärken beider Ansätze miteinander zu verbinden, damit Innovationen und Entdeckungen in Wirtschaft und Wissenschaft möglich werden“, beschreibt der IBM-Deutschland-Chef die Herausforderungen der näheren Zukunft.

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