Bestände sichern Produktion in Pandemiezeiten
Die drastischen Folgen durch unterbrochene Lieferketten, die am Anfang der Corona-Pandemie befürchtet wurden, sind bisher weitgehend ausgeblieben. Betriebe in Deutschland können weiter produzieren. Eine aktuelle Studie zeigt allerdings, was sich verändert hat.

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Als Anfang 2020 die Corona-Pandemie Auswirkungen auf die globalen Lieferketten zeigte, befürchteten viele Marktbeobachter, dass das Unternehmen in Deutschland dazu zwingen könnte, ihre Produktionen zeitweise einzustellen. Nach bisherigen Erkenntnissen ist das weitgehend nicht eingetroffen. Wenn Unternehmen in Deutschland 2020 weniger produziert haben, dann lag es eher am Auftragsrückgang und der Investitionszurückhaltung von Abnehmern weltweit. Rückblickend auf 2020 stellte auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier diese Woche fest, dass die Lieferketten gehalten haben und es durch gezielte Hilfen gelungen ist, die Folgen der Pandemie abzumildern.
Um produktionsfähig zu bleiben, haben Unternehmen allerdings ihre Strategien teilweise angepasst. Wie sich das Verhalten der Produktionsunternehmen im Laufe des Jahres veränderte, hat die GREAN GmbH, eine Ausgründung aus dem Institut für Fabrikanlagen und Logistik der Leibniz Universität Hannover, beobachtet. Erstmals hatte das Unternehmen im Sommer knapp 90 Teilnehmer aus den Branchen Metallverarbeitung, Maschinen- und Anlagenbau sowie der Kunststoffverarbeitung und der Medizintechnik befragt. Im Fokus stand dabei insbesondere der gehobene Mittelstand, also Unternehmen zwischen 250 und 1000 Mitarbeitern.
Auswirkungen der Pandemie
Es ging vor allem darum, wie die durch die Corona-Pandemie wirtschaftlich getroffenen Fabriken im Hochlohnland Deutschland effizient betrieben werden können und was wichtig ist, um die wirtschaftliche Zukunft der Fabriken abzusichern. Die Befragung wurde im November/Dezember 2020 wiederholt. Tobias Heinen, Geschäftsführer der auf Fabrikplanung, Prozessoptimierung und Ressourceneffizienz spezialisierten GREAN GmbH, stellt fest: „Neben dem Einfluss etwa auf die logistische Leistungsfähigkeit der Produktion können wir nun auch erkennen, wie sich die Wahrnehmung über den Sommer verändert hat und welche Themen genau jetzt wichtig sind.“
Als zentrales Ergebnis der Studie kam heraus, dass grundlegende Strukturen der Produktion bisher durch die Pandemie nicht aufgebrochen sind. So werde derzeit weder Wertschöpfung im großen Maßstab zu Lieferanten oder ins Ausland verlagert noch ausgelagert. Auch die Fertigungstiefe in den Produktionsunternehmen bleibe hoch. „Das sind erst einmal gute Nachrichten“, wertet Tim Busse die Ergebnisse. Auch er ist Geschäftsführer bei GREAN und war an der Studie beteiligt. „Die Unternehmen wollen ihren klaren Produktionsfootprint auch in Zukunft behalten“, folgert er.
„Renaissance der Bestände“
Einige Trends, die bereits in der ersten Untersuchung deutlich wurden, konnten in der jüngsten Befragung bestätigt werden. „Die meisten Befragten haben erkennen lassen, dass sie ein höheres Bestandsniveau in Produktion und Lager durchaus akzeptieren werden – obwohl dies höhere Kosten verursacht“, sagt Busse. Sein Kollege Heinen bezeichnet diesen Trend als „Renaissance der Bestände“. Höhere Bestände wirkten dabei quasi wie eine Versicherungspolice gegen Störungen in der Lieferkette. Ihre eigene Lieferperformance bewerteten rund 86 % der Befragten als derzeit „hoch“ oder „mittel“. Gegenüber der Befragung im Sommer ist der Wert damit von rund 93 % zurückgegangen. Einen klaren Grund dafür ergibt die Studie nicht. Lieferperformance bleibe jedoch weiter entscheidend. So gaben 31,1 % der Befragten an, dass sie künftig ihre Performance noch steigern müssen.
Bedeutung der Ressourceneffizienz
Allerdings wurden in der Studie auch kritische Aspekte identifiziert. Die wurden beispielsweise bei der Abfrage der wichtigsten Zukunftsthemen für die Entscheider in der Fabrik deutlich. Zwar war es noch absehbar, dass Effizienzoptimierungen und Digitalisierungsthemen hoch im Kurs stehen. Busse: „Was uns aber überrascht – und auch ein bisschen erschrocken hat – ist, dass Themen wie eine effiziente Nutzung natürlicher Ressourcen in der Produktion stark an Bedeutung verloren haben.“ Damit werde Ressourceneffizienz zum Luxusproblem, das erst an Bedeutung gewinnt, wenn an anderen Stellen die Hausaufgaben erledigt sind, bewertet Busse diesen Trend.
Interessant dürfte in dem Zusammenhang auch ein Blick auf die Wintererhebung des Energieeffizienzindex der deutschen Industrie sein, der halbjährlich vom Institut für Energieeffizienz in der Produktion (EPP) an der Universität Stuttgart veröffentlicht wird und die aktuellen Entwicklungen branchenspezifisch abbildet. Noch liegen die Ergebnisse nicht vor, die Erhebung ist aber bereits abgeschlossen. Im November hatte Institutsleiter Alexander Sauer im Gespräch mit VDI nachrichten keine negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Bestrebungen der Unternehmen hinsichtlich der Verbesserung ihrer Energieeffizienz erkennen können. Große Unternehmen hätten nach den Ergebnissen der Befragung von Juni 2020 ihr Engagement jedoch eher verstärkt als kleinere.