Die Zweiradkumpel auf fast allen Straßen
Das Unternehmen e-bility GmbH will mit seiner Marke Kumpan electric von Remagen bei Bonn aus den Markt für elektrisch angetriebene Zweiräder aufmischen.

Das Kumpan-Flaggschiff 1954 Ri in Aktion, ein Zweisitzer mit bis zu 180 km Reichweite.
Foto: e-bility GmbH
Es waren einmal drei Brüder in einer Garage – nur dass dies hier kein Märchen ist, sondern die Geschichte eines jungen Unternehmens, die im elterlichen Wohnzimmer begann. 2009 hatten Daniel, Patrik und Philipp Tykesson dort diese Erkenntnis zum sich nur stockend entwickelnden deutschen Markt für Elektromobilität: Als limitierender Faktor beim Auto werden oft die im Vergleich zum Verbrennungsmotor begrenzten Reichweiten diskutiert – bei Zweirädern sind die Reichweitenanforderungen lange nicht so hoch. Zweiräder sind also ein effizientes Fortbewegungsmittel für Kurz- und Mittelstrecken.
Branche: Zweiradfertigung
Derzeit gibt es drei Produktreihen: das „1950“, ein Elektrotretroller, den Einsitzer „1953“ und den Zweisitzer „1954 Ri“.
Mitarbeiter: 50
Nur folgerichtig war die Überlegung der Brüder Tykesson: „Wir wollten eine attraktive, emissionsfreie und lärmschonende Alternative für die beliebten Benzinmotorroller schaffen.“
Die damals verfügbaren Elektroroller waren aus Sicht des Trios nicht ausgereift: die Reichweiten zu knapp, das Batterie- und Lademanagement nicht zuverlässig und/oder das Fahrzeuggewicht zu hoch. Überdies wurde angesichts der Dominanz von Angeboten aus Internet und Baumärkten ein professioneller, vertrauenschaffender Auftritt von Importeuren und Herstellern vermisst. Diese Lücke sollten Elektroroller der Marke Kumpan electric schließen.
Nur ein Jahr nach der Ursprungsidee war die e-bility GmbH gegründet, es gab ein 60 m² kleines Büro in Remagen und einen Prototypen auf der Straße. Ein weiteres Jahr später, noch in der Gründungsphase, bewirbt sich das Unternehmen bei einem Start-up-Wettbewerb der WirtschaftsWoche und gewinnt. Es sollte nicht die letzte Auszeichnung bleiben. Schon bald verfügte die e-bility GmbH über ein europaweites Netzwerk mit über 200 Servicepartnern und Händlern. Die von Kumpan electric zertifizierten Händler sind in der Regel Autohäuser, Zweiradhändler oder spezialisierte Elektromobilitätshändler.

Hier fahren die Chefs selbst: Patrik, Philipp und Daniel Tykesson (von links nach rechts) auf drei elektromobilen Gefährten ihres Unternehmens.
Foto: e-bility GmbH
Ein Meilenstein in der Geschichte der Remagener Schmiede gelingt mit dem Kraftpaket 1.0. „Der erste entnehmbare Lithiumakku kam 2013 nach nur zweijähriger Entwicklungszeit auf den Markt“, erzählt Marketing- und Salesdirector Philipp Tykesson. Das Konzept mit bis zu drei parallel geschalteten, einzeln entnehmbaren Batterien stellt zu diesem Zeitpunkt nach eigenen Aussagen eine Weltneuheit dar.
Dann stand die Einführung des Elektrorollers „1953“ an, eines schnittigen Einsitzers, der wendig und agil gefahren werden kann. Die drei entnehmbaren Lithium-Ionen-Akkus sorgen für Reichweiten von bis zu 150 km. Möglich macht das der weiterentwickelte Akku, das „Kraftpaket 1.5“. Neben klassischen Rollern gab es bald schon den ersten Elektrotretroller von Kumpan electric. Haupteinsatzzweck des klappbaren Modells „1950“ ist die Anschlussmobilität, sei es ans Auto oder an den ÖPNV.
Es folgte der erfolgreiche Start einer Crowdfunding- bzw. Crowdinvestingkampagne bei Companisto. Etwa 1200 Investoren stellten über 1 Mio. € bereit, darunter auch die Landesbank Rheinland-Pfalz und mehrere Business Angels. 2017 stand im Zeichen der Internationalisierung und des generellen Ausbaus des Händlernetzes – ein erster Kumpan-Store eröffnete in Montreal (Kanada), dann in Köln ein erster Store in Deutschland. Mit Peter Carlsson, ehemals beim US-eCar-Pionier Tesla zuständig für die Lieferkette, kam ein weiterer illustrer Investor dazu.
Aktuell stellt Kumpan electric mit dem 1954 Ri den nach eigenen Angaben weltweit „innovativsten und reichweitenstärksten Elektroroller“ vor. Es ist das erste Fahrzeug seiner Art mit sieben Zoll großem Touchdisplay und vernetzten, smarten Akkumulatoren, die auf Wunsch mit einer App kommunizieren. Die Reichweite wird mit bis zu 186 km (ca. 62 km pro Akku) angegeben, was bei den Geschwindigkeitsvarianten von 45 km/h oder 100 km/h (4 kW oder 7 kW Leistung) elektromobiles Pendeln oder sogar Reisen realistisch macht. Umso mehr, da die Batterien an haushaltsüblichen Steckdosen aufgeladen werden – allerdings via Netzteil, das mitgeführt werden muss. Die vollständige Ladezeit liegt laut Hersteller bei zwei bis vier Stunden.
Durch den mit 100 Nm enorm drehmomentstarke Radnabenmotor wird weder ein Getriebe noch ein Primärantrieb via Riemen oder Kette benötigt. Der Motor verfügt dafür über vier Fahrmodi: Eco, Sport, Comfort und Regen. Die unterscheiden sich in der Drehmomentkurve des Motors und der Grundeinstellung der Energierückgewinnung (Rekuperation). Der Basispreis des Zweisitzers liegt inklusive eines Akkupacks bei 5000 €, jeder weitere Akkupack (für mehr Reichweite) kostet rund 1200 €.
Optisch erinnern die Produktlinien an die 1950er- und 1960er-Jahre. „Bewusst nutzen wir den Kontrast aus moderner, umweltfreundlicher Technik und klassischem Fahrzeugdesign“, so Tykesson. Ein Produktkonfigurator gibt Zugriff auf Individualisierungsmöglichkeiten vor allem beim jüngsten Modell. Das Zubehör reicht vom Spanngurt mit Kumpan-Emblem über Anhänger fürs Keyless-System, Tragegurte für die knapp 10 kg schweren Akkus bis zum designten Jet-Helm.
Nicht immer lief es in Remagen einfach. Lehrgeld habe man etwa beim Thema Outsourcing gezahlt. „Wir machen jetzt möglichst viel selbst“, begründet der Marketingchef die Abkehr vom üblichen Trend. Die Entwicklung fand in Deutschland statt, inzwischen wird nur noch hier gefertigt und möglichst mit regionalen Zulieferern gearbeitet. 80 % der Komponenten kommen aus Deutschland und dem Euro-Raum. Die Auftragsbücher seien gut gefüllt, sagt Tykesson – u. a. seitens der anziehenden Sharing Economy, bei der hohe Stückzahlen in Großstädten platziert und minutenweise ausgeliehen werden können.