E-Mobilität: Weniger Verluste von Arbeitsplätzen
Eine Studie des Nachhaltigkeitsbeirat des Volkswagen Konzerns gemeinsam mit dem Fraunhofer IAO zeigt, dass die Auswirkungen von E-Mobilität und Digitalisierung sich für Beschäftige der Automobilindustrie weniger dramatisch auswirken können, wenn das Unternehmen vorbereitet ist.

Foto: Volkswagen
Die Automobilindustrie steht angesichts klimapolitischer Anforderungen, der Digitalisierung und neuer Geschäftsmodelle am Anfang der tiefgreifendsten Transformation ihrer Geschichte. Technologisch und regulatorisch getriebene Megatrends wie alternative Antriebe, das autonome Fahren oder neue Mobilitätsdienstleistungen stellen diese für die deutsche und weltweite Wirtschaft so wichtige Branche vor große Herausforderungen, eröffnen aber gleichzeitig neue Perspektiven für Wachstum und Beschäftigung.
Davon berichtet die neue Studie „Beschäftigung 2030: Auswirkungen von Elektromobilität und Digitalisierung auf die Qualität und Quantität der Beschäftigung bei Volkswagen“, die das Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO initiiert durch den Nachhaltigkeitsbeirat des Volkswagen Konzerns erstellt hat. Dabei erhielten die Wissenschaftler tiefe Einblicke in den Konzern. Wilhelm Bauer, Institutsleiter des Fraunhofer IAO, lobt die intensive Zusammenarbeit von Wissenschaft und Forschung. Die Studie gebe Impulse, die Transformation positiv zu gestalten und „soll allen Akteuren im Ökosystem der Automobilindustrie Mut machen, Veränderungsprozesse offen und kooperativ anzugehen.“
E-Mobilität mit geringeren Arbeitsplatzverlusten
Das zentrale Ergebnis der Studie lautet: Das immer wieder befürchtete Szenario von massenhaft wegfallenden Arbeitsplätzen bewahrheitet sich aufgrund der Planungen und Szenarien bei Volkswagen nicht. So werden die Beschäftigungsverluste durch Elektromobilität in der Fahrzeugfertigung weitaus geringer ausfallen, als in bisherigen globalen Studien prognostiziert.
Der durchschnittliche Bedarf an Mitarbeitenden für die Fertigung konventioneller Fahrzeuge werde, so die Analyse, bis zum Ende dieses Jahrzehnts um mehr als die Hälfte verringern, während er sich für die Fertigung von Elektrofahrzeugen verdreifachen wird.
Per Saldo werde demnach der durchschnittliche Bedarf an Mitarbeitenden in der Fahrzeugfertigung bis zum Jahr 2029 um 12 % sinken. Diese Effekte resultierten, so die Fraunhofer Forscher, aber nur zum kleinen Teil aus den Veränderungen der Produkteigenschaften. Ein größerer Teil ist die Folge von Veränderungen bei den Abläufen von Fertigungsprozessen und weiteren Umfeldfaktoren.
Katalysator für Automatisierung
Stärker betroffen sei der Bereich der Komponentenfertigung, da der Arbeitsaufwand für den elektrischen Antriebsstrang hier im Gegensatz zum herkömmlichen Antrieb sinkt. Bei Volkswagen sind daher frühzeitig strategische Gegenmaßnahmen ergriffen worden, um die Beschäftigungseffekte infolge der Elektromobilität abzufedern, zum Beispiel durch das Erschließen neuer Kompetenzfelder wie der Batteriezellentwicklung und -fertigung. Zudem zeige sich, dass die Umstellung auf Elektromobilität als Katalysator für die Automatisierung von Tätigkeiten in der Produktion und Logistik fungieren könne, was insbesondere direkte Arbeitsplätze in diesen Bereichen betrifft.
Fraunhofer entkräften andere alarmierende Befunde
Somit sind die Fraunhofer-Forscher, davon überzeugt, dass die Studie „teils alarmierende Befunde bisheriger Publikationen und entkräftet gängige Szenarien einseitig negativer Beschäftigungseffekte.“ Die Transformation der Industrie sei nicht einheitlich, sondern ein „vielfach verflochtenes Nebeneinander von Arbeitsplatzaufbau, Arbeitsaufwertung und Arbeitsplatzentfall“.
Im Januar dieses Jahres war die nationale Plattform Zukunft der Mobilität, die die Bundesregierung berät, ging im Januar dieses Jahres beispielsweise davon ausgegangen, dass bis 2030 rund 410.000 Arbeitsplätze in der Automobilindustrie in Gefahr sind.
Jobzuwachs bei Digitalisierung
Was den zweiten Treiber Digitalisierung angeht, sei laut Fraunhofer IAO mittelfristig sogar zunächst mit einem Jobzuwachs zu rechnen, da deren Umsetzung sehr komplex ist und entsprechende Ressourcen erfordert. Dies betrifft vor allem den Bereich der indirekten Beschäftigten. Für Florian Herrmann, Projektleiter und Institutsdirektor am Fraunhofer IAO steht fest: „Die Auswertung der unternehmensspezifischen Daten von Volkswagen zeigt, dass es keinen einheitlichen Trend der Beschäftigungsentwicklung für die nächsten zehn Jahre gibt. Je nach Bereich können neue Arbeitsplätze entstehen, wegfallen oder sich inhaltlich stark verändern.“ Dabei müsse man zwischen den technologiegetriebenen qualitativen und den quantitativen Veränderungen der Arbeit unterscheiden.
Volkswagen als Modell für die Branche
Michael Sommer, ehemaliger DGB-Vorsitzender und Mitglied des Nachhaltigkeitsbeirats von Volkswagen, die die Analyse in Auftrag gegeben haben, resümiert: „Das vielschichtige Bild, das die Studienergebnisse zu Tage gefördert haben, zeigt: Der Wandel infolge der beiden großen Veränderungstreiber Elektromobilität und Digitalisierung ist beherrschbar, wenn er wie im Falle Volkswagens aktiv gestaltet wird.“ Jetzt gelte es, die vorhandenen Transformationsinstrumente und -maßnahmen näher zu untersuchen und weiter auszubauen.
„Wir hoffen, dass weitere Unternehmen dem Beispiel VW folgen und so neue Partnerschaften auf Augenhöhe zwischen OEMs, Zulieferern, Wissenschaft und Politik entstehen“, sagt Herrmann. Hierbei gelte es neue Wertschöpfungssysteme aufzubauen und das Wissen zu neuen Geschäftsmodellen und Technologien zu teilen und abzusichern.“