Mobilität wird in Zukunft vielfältiger
In der Debatte um künftige Antriebstechnik und Mobilitätskonzepte werden die falschen Fragen gestellt, glaubt der Kraftfahrzeugexperte Lutz Eckstein.

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Wie bewegen wir uns in Zukunft fort? Fahren Elektroautos mit Brennstoffzelle oder batterieelektrisch? Haben wir noch eigene Autos oder sollte es nur autonom fahrende Shuttletaxis geben? Die Diskussion werde oft zu ideologisch geführt, findet Lutz Eckstein, Leiter des Instituts für Kraftfahrzeuge (ika) an der RWTH Aachen und Vorsitzender der VDI-Gesellschaft Fahrzeug- und Verkehrstechnik. In seinem Gastbeitrag fordert er eine Versachlichung der Debatte.

Die Mobilität der Zukunft muss vielfältig sein und braucht attraktive Angebote. Es gilt, für verschiedene Nutzergruppen jeweils passende Mobilitätsoptionen anzubieten und zu entwickeln. In Freiburg im Breisgau, wo das Umfeld eher ländlich geprägt ist, haben Menschen natürlich ganz andere Bedarfe und Anforderungen an die Mobilität als im Zentrum von Düsseldorf. Angesichts des Klimawandels und endlicher fossiler Rohstoffe muss die Mobilität der Zukunft zudem nachhaltig, aber auch ökonomisch darstellbar und für Nutzer erschwinglich sein. Wir brauchen grundsätzlich mehr Offenheit und Toleranz in den Diskussionen um neue Konzepte. Die Debatte über Mobilität ist in meinen Augen zu stark ideologisch aufgeladen.
Zum Beispiel die Frage: Verbrennungsmotor oder Elektromotor? Manche wollen am liebsten ganz grundsätzlich gar keine Autos mehr auf den Straßen sehen, andere sagen: Nur Wasserstoff ist die Lösung. Man muss eher fragen: Was sind die Anforderungen der Nutzer und welche Optionen und attraktiven Alternativen kann man für das jeweilige Nutzerprofil schaffen? Es gibt beispielsweise immer mehr ältere Menschen, die im Alter individuell mobil sein wollen. Angesichts der Coronapandemie steigen viele Menschen auf das Fahrrad oder Auto um, da sie nicht mehr dicht gedrängt in Bussen ohne Klimatisierung sitzen möchten. Die Diskussion um die eine zukunftsweisende Antriebstechnologie wird oft zu vereinfacht geführt.
Mobilität: Anforderungen sind Situationsabhängig
Es kommt eben – wie beim Restaurantbesuch – immer darauf an. Da bestellt man auch nicht morgens, mittags und abends Pizza, sondern hat je nach Tag und Tageszeit andere Anforderungen an die Mahlzeit, die zudem auch mehr darstellt als nur Kalorienzufuhr. Auf die Mobilität übertragen heißt das: Wenn ich gerade umziehe oder mit meinem Kontrabass zur Probe muss, habe ich andere Anforderungen, als wenn ich mit meinen Kindern ins Grüne fahre.
Die aktuelle europäische Gesetzgebung wird zur Markteinführung schwerer Nutzfahrzeuge mit großen Batterien führen – das hilft niemandem, auch nicht dem Klima. Im Transportsektor ist auf Langstrecken die Nutzung von Wasserstoff oder regenerativ erzeugten Kraftstoffen sinnvoller. Für flexible Fahrten in der Stadt hingegen ist ein Elektrofahrzeug eine sinnvolle Option. Viel zu oft werden Antriebstechnologien und Energieträger in einen Topf geworfen. Der Verbrennungsmotor ist erst einmal eine Wärmekraftmaschine, wandelt chemische Energie in Drehmoment und Wärme, das ist in vielen Breitengraden im Sinne einer Kraft-Wärme-Kopplung durchaus sinnvoll.
Wasserstoff kann eine Option sein
Der fossile Brennstoff als Energieträger ist das eigentliche Problem, nicht der Antrieb. Wasserstoff in einem Verbrennungsmotor zu wandeln, kann also durchaus eine Option sein, in anderen Fällen könnte hingegen eine Brennstoffzelle mehr Sinn machen. Man sollte in der Diskussion der Alternativen genauer hinschauen, warum sich wer in welchem Wirtschaftsraum für diese oder jene Technologie einsetzt. Im erdbebengefährdeten Japan sind Brennstoffzellenfahrzeuge Teil der nationalen Notstromversorgung. Auf der anderen Seite interessiert sich zum Beispiel das Militär in vielen Ländern auch für die Technologie, weil sich militärisches Gerät damit besonders leise antreiben lässt. Man sollte also nicht zu naiv in der Diskussion sein, aber unbedingt offen.
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