Autonomes Fahren 08. Jul 2016 Heike Freimann

Pflichtenheft fürs autonome Fahren

Ab 2020 sollen automatisierte Fahrzeuge die Straßen erobern. Was dazu ins Pflichtenheft gehört, diskutierten Branchenvertreter auf der ConCarExpo, der Internationalen Fachmesse für Connected Car & Mobility Solutions, – mit Euphorie und nüchternen Bestandsaufnahmen.

Augen des Autos: Spezielle Laserscanner, sogenannte Lidar-Systeme, können Fußgänger, Schilder und Autos deutlich unterscheiden. Damit ergänzen sie herkömmliche Kameras.
Foto: Zillmann

Der Himmel über dem Highway 27 in Florida soll bleich gewesen sein, als hier Anfang Mai ein Tesla S im Modus Autopilot mit einem weißen Sattelzug kollidierte. Die Sensorik an Bord, Radar, Ultraschall und eine Kamera, hat das Hindernis nach aktuellem Kenntnisstand nicht kommen sehen. Der Notbremsassistent löste deshalb nicht aus, der Fahrer starb. Natürlich hätte er die Hände gar nicht vom Lenkrad nehmen dürfen. So die Warnung des Herstellers. Aber der 45-Jährige hat den Verheißungen einer noch jungen Technologie wohl einfach blind vertraut.

Tesla nach dem Unfall in den USA: „Autopilot“ heiße nicht, dass das Fahrzeug autonom fahre, stellte das Unternehmen klar.
Foto: Zillmann

Ein tragisches Szenario, das beim Stelldichein der Automobil- und Elektronikindustrie auf der ConCarExpo letzte Woche in Düsseldorf sicher reichlich Zündstoff für Diskussionen geliefert hätte. Aber da hatte sich dieser erste tödliche Unfall mit einem teilautonomen Fahrzeug medial noch nicht herumgesprochen. So herrschte durchaus Euphorie. „Die neue Ära ist angebrochen“, verkündete Elmar Frickenstein, Bereichsleiter für vollautomatisiertes Fahren bei BMW, in seinem Eröffnungsvortrag. Eine Ära, in der intelligente Computer leidenschafts- und makellos das Steuer übernehmen und die Unfallbilanz auf die beschworene Null setzen sollen.

Aber es gab auf der Fachmesse des VDI Wissensforums auch den nüchterneren Blick auf den aktuellen Stand der Technik: „Alles, was wir heute sehen, ist teilautomatisiertes Fahren mit einfacher Lenk- und Querführung“, so der BMW-Experte. Die großen Herausforderungen sieht er auf dem Feld der künstlichen Intelligenz. Für autonome Fahrzeuge brauche man Maschinen, die aus den Daten, die sie verarbeiten, auch lernen. BMW setze maschinelles Lernen bereits ein. „Wir nutzen diese Technologie in unserem 7er BMW“, so Frickenstein.

Für die Fahrzeugvernetzung, für Karten-Updates und neue Anwendungen brauche man aber leistungsstarke Kommunikationsstrukturen. „Wir brauchen 5G“, forderte Frickenstein entschieden. Bis die fünfte Mobilfunkgeneration, die Übertragungsraten von 10 Gbit/s und Latenzzeiten von 1 ms verspricht, standardisiert ist, werden noch Jahre vergehen.

Die Automobilindustrie selbst will hier kräftig mitmischen. „Wir dürfen das nicht den Telekommunikationsunternehmen allein überlassen“, betonte Osvaldo Gonsa, Director Mobile Communications ITS bei Continental. Es gehe beispielsweise darum, Interferenzen des 5G-Spektrums mit anderen Kommunikationstechnologien im Fahrzeug zu vermeiden.

Bei Telekommunikationsanbietern wie Vodafone arbeitet man zurzeit unter Hochdruck an der Beschleunigung des bestehenden Mobilfunknetzes. LTE Advanced soll Bandbreiten von immerhin 1 Gbit/s ermöglichen. „Wir müssen nicht auf 5G warten“, verspricht Eric Kuisch, CTO von Vodafone Deutschland. Seit der Übernahme des italienischen Telematikspezialisten Cobra vor zwei Jahren beackert der Mobilfunker das Feld der Fahrzeugkommunikation mit einem eigenen Geschäftsbereich. „Wir wollen Teil der Entwicklung der neuen Welt sein“, sagt Kuisch.

Die könne in einigen Jahren so aussehen: Autonome Fahrzeuge passieren im fließenden Verkehr eine Kreuzung ohne Ampeln. Der permanente Datenaustausch der Maschinen erweitert ihr Sichtfeld. Was die Sensorik des einzelnen Fahrzeugs nicht leisten kann, schafft hier die Vernetzung: Die Fahrzeuge können quasi virtuell vorausschauen oder um die Ecke gucken.

Um Szenarien wie diesen Leben einzuhauchen, müsse man sich nicht nur um die neue Mobilfunkgeneration kümmern. „Wir brauchen auch Erfahrungen aus dem echten Leben“, weiß Kuisch. Die sammle man in Kooperation mit Herstellern und Zulieferern.

Auch die physische Umfelderkennung, die Sensorik, muss auf dem Weg zum autonomen Fahren deutlich besser werden. „Für die nächste Stufe des automatisierten Fahrens brauchen wir redundante und diversifizierte Systeme mit einer 360°-Abdeckung“, erklärte Harald Barth. Der Product Marketing Manager beim Automobilzulieferer Valeo ist überzeugt: „Kameras reichen für hochautomatisiertes Fahren nicht aus.“ Ihr Sichtfeld sei vor allem in der Vertikalen zu begrenzt. Hier könnten Laserscanner (Lidar) als ergänzende Technologie in Zukunft Abhilfe schaffen.

Herkömmliche Lidar-Systeme seien für die Anforderungen im Automobil jedoch nicht spezifiziert. Das will Valeo in einer Partnerschaft mit Mobileye, einem Hersteller von videobasierten Fahrerassistenzsystemen, gerade ändern. 2017 will man den neuen Laserscanner gemeinsam mit Audi auf den Markt bringen. Zu dem Zeitpunkt soll auch der neue Lidar-Sensor von Nvidia brillieren, dem künftig künstliche Intelligenz assistieren könnte.

Eine bessere Umfelderkennung hätte dem Tesla-Fahrer auf dem Highway 27 das Leben gerettet. Aber auch ein klarerer Blick auf die Grenzen der teilautomatisierten Technik hätte vielleicht das Schlimmste verhindert. Hersteller und Politik sind hier in der Pflicht. Denn sonst könnte die wohl wichtigste Währung für den Erfolg des autonomen Fahrens auf dem Spiel stehen: das Vertrauen der Verbraucher.

Ein Beitrag von:

Stellenangebote

Westsächsische Hochschule Zwickau (FH)

Professur Konstruktion in der Elektrotechnik (m/w/d)

Zwickau
Stadtreinigung Hamburg Anstalt des öffentlichen Rechts

Abschnittsleiterin (m/w/d) Technik

Hamburg
Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA)

Sachverständige / Sachverständiger (w/m/d) Immobilienbewertung

Koblenz
Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY

Telescope engineer or scientist for CTA (f/m/d)

Zeuthen
Hochschule Ravensburg-Weingarten

Professur Energiesysteme

Weingarten, Ravensburg
Westfälische Hochschule

Professur Automatisierung und digitale Technologien (W2)

Gelsenkirchen
Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

Technische Leitung für das TECHNIKUM (m/w/d)

Bremerhaven
Hochschule Osnabrück

Professur für Mechatronik

Lingen (Ems)
Hochschule Ravensburg-Weingarten

HAW Professur

Weingarten
Hochschule München

Forschungsprofessur für Wärmeversorgung im Energiesystem der Zukunft (W2)

München
Zur Jobbörse

Das könnte Sie auch interessieren

Empfehlungen des Verlags

Top 5 aus der Kategorie Mobilität