Unterwegs mit Wasserstoff
Fahrzeugemit Brennstoffzellen können eine Alternative zu Diesel und Benzin sein. Aber es fehlt an Modellen und Tankstellen. Ein Erfahrungsbericht.

Rarität: Brennstoff- zellenautos gibt es zwar schon in Serie. Doch in Deutschland sind nur ein paar Hundert auf der Straße unterwegs.
Foto: Hyundai
Ein guter Tankwart ist eine wichtige Hilfe. So wie Eteka Sourou. Er arbeitet auf der Shell-Tankstelle in der Schnackenburgallee am Hamburger Volkspark – kurz vor der Auffahrt zur A7. Gut ist, dass sich der Mann aus Benin nicht nur mit Benzin, Diesel und Motorenöl auskennt, sondern auch mit Wasserstoff.
Fakten rund ums H2-Fahren
Tankstellennetz: Ende August waren in Deutschland 32 Wasserstofftankstellen in Betrieb. Ein Industrieverbund aus Firmen wie Daimler, Linde und Shell will 100 Stationen bis zum Jahr 2018 und 400 bis 2023 aufbauen.
Erzeugung: Unternehmen wie BP und Uniper hoffen auf eine Privilegierung von grünem Strom zur Wasserstoffproduktion in Elektrolyseuren durch die nächste Bundesregierung sowie die EU. Dann könnte Ökowasserstoff für die Mobilität an klassischen Raffinerien erzeugt werden.
Kosten: Noch sind die Anschaffungskosten für Brennstoffzellenfahrzeuge erheblich. Zu Lebensdauer und Reparaturanfälligkeit fehlen praktische Erfahrungen. Hyundai gibt eine Garantie für eine Laufleistung von 100 000 km und hat 14 Fachhändler für Reparaturarbeiten qualifiziert. Bisher sei noch keine Reparatur außerhalb des Garantiezeitraums aufgetreten, heißt es.
IAA: Nachdem Hyundai im letzten Jahr einen Brennstoffzellenbus auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) präsentiert hatte, sind dieses Jahr trotz Dieselskandals nur wenige Neuerungen zu sehen. Mercedes-Benz hat ein Vorserienmodell des GLC G-Cell im Gepäck. Der Brennstoffzellen-Plug-in-Hybrid verspricht große Reichweite und kurze Tankzeiten. Toyota hat den Mirai mitgebracht, ein Wasserstoffbrennstoffzellenfahrzeug der oberen Mittelklasse, das hierzulande erstmals im September 2015 verkauft wurde. ori
Denn hinter den vier Stationen für die mineralischen Kraftstoffe steht auch ein Tankplatz für Wasserstoff. Nummer 14: gut erkennbar an der blauen Schrift und dem chemischen Zeichen H2. Die Tankstelle ist eine von gut 30, die in Deutschland das Gas für Fahrzeuge mit Brennstoffzellentechnologie zur Verfügung stellen.
„Es muss ‚klack‘ machen“, sagt Sourou, während ich versuche, den Tankstutzen mit der Betankungskuppel des Fahrzeugs zu koppeln. Weil das nicht klappt, zeigt er, wie es geht: „Sehen Sie“, sagt Sourou und lacht, nachdem er einen breiten Ring am Ende des Betankungsschlauches auf die Kupplung geschoben hat und dabei ein Arretiergeräusch zu hören ist.
Obwohl er den Tankvorgang an der Zapfsäule startet, passiert nicht viel. Die Ziffernanzeige läuft nur wenige Sekunden und bleibt bei 0,02 kg und 0,27 € stehen. Sourou stemmt die Hände in die Seiten seiner gelben Sicherheitsjacke und runzelt die Stirn. „Der Tank war noch fast voll“, erkläre ich. „Danke fürs Zeigen.“ Der Westafrikaner, der hier täglich eine Achtstundenschicht absolviert, grinst. Shakehands, dann macht er sich wieder an die Arbeit an den klassischen Tankplätzen 1 bis 12.
Das Auto ist ein Hyundai ix35 Fuel Cell – Verkaufspreis 65 450 € und damit etwa 25 000 € teurer als ein Vergleichsmodell der Koreaner mit Verbrennungsmotor. Darin arbeitet ein Stapel von 400 Brennstoffzellen aus Polymerelektrolyt und erzeugt im Betrieb eine Spannung von 400 V.
Der Stapel steckt in einem schwarzen Gehäuse, von dem zahlreiche dicke orangene Kabel abgehen und das bei offener Motorhaube als zentrale Komponente neben einem H2-Behälter links und einem für Umgebungsluft rechts zu sehen ist. Der Strom, der über die Verbrennung von Wasserstoff und Sauerstoff entsteht, wird entweder in der Batterie gespeichert oder er treibt den Elektromotor mit einer Spitzenleistung von 100 kW direkt an.
Die Deutschlandzentrale Hyundais hat den Mini-SUV für zwei Wochen als Testwagen zur Verfügung gestellt. Zu klären sind drei Fragen: Wie fährt sich ein Wasserstoffauto, wie ist das Handling mit dem Kraftstoff und wie sieht es mit Verbrauch und Reichweite aus?
Ein Daumendruck auf den Startknopf, und das Fahrzeug ist fahrbereit. Zu hören ist das bei geschlossener Motorhaube nicht, nur anhand der Anzeige im Display zu sehen. Sie fordert „Go“. Wer im Betrieb unter die Haube blickt, vernimmt kaum mehr als ein helles Sirren der Brennstoffzelleneinheit.
Dann geht es los – zunächst auf die A7 in Richtung Süden. Rund 300 km sind es bis zur nächsten Tankstelle südlich von Münster. Laut Angaben des Herstellers sollte das kein Problem sein. Der Tank fasst 5,9 kg. Der Verbrauch liegt offiziell bei 0,95 kg pro 100 km.
Doch in Zeiten des Dieselskandals sind Herstellerangaben mit Vorsicht zu genießen. Der Fahrer des Dienstes, der den Wagen überführte, hatte von 300 km bis 400 km gesprochen. Um sicher zu gehen, wähle ich die „Eco“-Stufe aus, die über einen Kippschalter mit dem Automatikgetriebe verbunden ist. Sie reduziert die Antriebsleistung und damit den Kraftstoffbedarf bei der Fahrt.
Der Wagen zieht sehr gut. Das maximale Drehmoment liegt bei 300 Nm. Auch im Eco-Gang reicht es problemlos, um auf der Landstraße 75 zwischen Tostedt und Rotenburg zügig Lkw überholen zu können.
Der Plan ist, zur ersten Einschätzung der Reichweite bei Geschwindigkeiten zwischen 80 km/h und 100 km/h Münster über Landstraßen zu erreichen. Das dauert zwar eine Weile, aber die malerische Sommerlandschaft aus wogenden Getreidefeldern und grünen Wiesen mit Kühen, die links und rechts der Straßen liegen, entschädigt für den Zeitverlust. Nach 315 km ist die Westfalen-Tankstelle in Münster-Amelsbüren erreicht, schon von weitem an dem 21 m hohen weißen Gasspeicher mit dem Pferde-Logo zu erkennen.
Wer Wasserstoff tanken will, braucht eine Chipkarte der Clean Energy Partnership (CEP). Das ist ein Verbund aus 20 Unternehmen verschiedener Branchen, der sich als Europas größtes Demonstrationsprojekt für Wasserstoffmobilität versteht. Es gibt zwei Zapfsäulen mit je zwei Tankplätzen – für 350 bar und für 700 bar. Der höhere Druck ist bei neuen Pkw Standard und soll dafür sorgen, dass der Tankvorgang binnen Minuten abgeschlossen wird. Busse tanken 350 bar.
Jetzt gilt es. Über das Bezahlterminal wähle ich den Tankplatz aus, entnehme an der Zapfsäule den Tankschlauch und stecke ihn auf die Kupplung des Fahrzeugs. Der Schlauch hat anders als bei Shell in Hamburg einen Griff, vergleichbar mit den bekannten Zapfpistolen. Mit Ziehen des Hebels wird auch die Verbindung zum Tank geschlossen. Nun noch auf den grünen Knopf an der Säule gedrückt und es kann losgehen.
Zunächst muss der Druck aufgebaut werden. Für etwa 20 s zischt und knackt es. Dann strömt das Gas ein – zu sehen am Display der Zapfsäule, das sich in 20-g- bis 30-g-Schritten fortbewegt. Gleichzeitig fängt auch die Wasserstoffanlage neben der Tankstelle an zu rumoren. Der Lärm kommt von einem Kompressor, der das Gas aus dem Speicher auf 900 bar verdichtet. Von dort führt eine unterirdische Leitung zum Tankplatz.
Nach 5 min endet der Tankvorgang. Das zeigt das Display am Terminal an. Ich entkoppele den wegen des komprimierten Gases eiskalten Griff und hänge den Schlauch wieder ein. Während der Kompressor weiter arbeitet, überprüfe ich den Verbrauch: 3,18 kg für 315 km. Das entspricht den Angaben des Herstellers. Kostenpunkt: rund 30 €.
An allen Tankstellen in Deutschland ist der Preis für Wasserstoff mit 9,50 € je kg gleich. Nur die Herkunft ist eine andere.
Während Westfalen den Kraftstoff aus Erdgas in einer eigenen Raffinerie erzeugt, stammt er in Hamburg bei Shell aus einem Elektrolyseur, der mit Überschussstrom arbeitet, also dann, wenn in windstarken und verbrauchsschwachen Zeiten in Norddeutschland Elektrizität sehr billig ist.
Auch wenn der Wasserstoff erst CO2-frei sein wird, wenn er mit regenerativem Strom hergestellt wird, lässt er schon jetzt das Ökoherz höher schlagen. Denn aus dem Auspuff – eine Art Austrittsstutzen aus Kunststoff – tritt nur Wasser aus, wie die nassen Fingerspitzen beweisen, die nach dem Betrieb vorsichtig den mäßig warmen Auspuff von innen abtasteten.
Noch ist Wasserstoff im Tank eine Rarität. Ein paar hundert Brennstoffzellenautos sind derzeit in Deutschland zugelassen. Hyundai hat bisher etwa 100 Fahrzeuge in Deutschland auf die Straße gebracht. Neben den Koreanern bieten Toyota und Honda Wasserstoffautos in Serie an. Die deutschen Hersteller sind noch zurückhaltend. Daimler wird auf der IAA als Einziger ein Serienfahrzeug mit Brennstoffzelle und extern ladbarer Batterie (Plug-in) präsentieren.
„Ein bis zwei Autos pro Tag tanken hier Wasserstoff“, sagt der Kassierer an der Star-Station in Mülheim an der Ruhr, während der Testwagen tags drauf für die Rückfahrt betankt wird. „Es gab aber auch schon Wochen, da ist keiner gekommen. Das muss sich noch herumsprechen“, zeigt er sich überzeugt. Schließlich sei die Station erst seit März in Betrieb und damit die erste im Ruhrgebiet.
Voll getankt zeigt das Display eine Reichweite von 450 km. Nach Hamburg sind es 400 km. Das sollte passen. Doch als ich hinter Osnabrück wieder Reichweite und Distanz abgleiche, ist es passiert: nur noch 200 km Reichweite bei 212 ausstehenden Kilometern. Da der Wagen sonst Hamburg nicht erreichen würde, verlasse ich die A1 und lenke ihn 70 km zurück nach Münster.
Was ich nicht beachtet hatte: Mein Fuel-Cell-Fahrzeug verbraucht bei sportlicher Fahrweise im Normalbetrieb deutlich mehr als im Eco-Modus auf der Landstraße. Ich achte nun bewusst auf die Anzeige im Cockpit, die den momentanen Verbrauch als beweglichen Balken abbildet.
Mit Bleifuß und Beschleunigung in Richtung Spitzengeschwindigkeit von 160 km/h schnellt der Balken auf bis zu 3 kg hoch. In Münster bestätigt sich: 3,6 kg auf 234 km – ein satter Verbrauch von mehr als 1,5 kg/100 km.
Ein ähnliches Bild bietet sich später auch in Hamburg an der schmucken Tankstelle von Vattenfall in der Hafen-City. Zwar ist der Blick auf die Speicherstadt und die Elbphilharmonie erbaulich, nicht aber der Verbrauch: mit 1,4 kg je 100 km schrumpft die Reichweite auf 425 km zusammen.
„Wir werden die Lücken zügig schließen“, verspricht ein Shell-Manager, den ich bei einem erneuten Besuch der Station in der Schnackenburgallee wenige Tage später zufällig treffe und auf das dünne Tankstellennetz anspreche. „Noch in diesem Jahr eröffnen wir Wasserstoffstationen in Bremen und Hannover“, sagt er, bevor er mit seinem schnittigen Toyota Mirai, einer japanischen H2-Limousine, davonbraust. Das wäre gut, und auch, wenn an den Stationen ein kompetenter Mitarbeiter Neulingen das Tanken mit Wasserstoff zeigen kann. So wie Eteka Sourou eben.