Corona fordert Flexibilität von der Industrie
Während manche Industrieunternehmen bereits ihre Produktion runterfahren mussten, ist von den anderen aktuell erhöhte Flexibilität gefragt.

Foto: DMG Mori
Eigentlich beliefert DMG Mori insbesondere Unternehmen aus der Automobilindustrie, aber auch der Luftfahrt. Doch da herrscht durch die Corona-Pandemie zunehmend Stillstand. Dafür gibt es kurzfristigen Bedarf aus der Medizinbranche. „Vor allem Beatmungsgeräte und Laborausstattungen für die Analyse der Blutproben sind gefragter denn je“, berichtet Dennis van Dijk, Geschäftsführer der niederländischen Nijdra-Gruppe. Das Unternehmen entwickelt und fertigt feinmechanische sowie mechatronische Module, die sowohl in Hightech-Industrien wie der Halbleiterproduktion als auch der Medizinbranche zum Einsatz kommen. Nachdem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Hersteller Medizinischer Technologien dazu aufgerufen hat, die Produktionskapazitäten zu erhöhen, stieg auch die Nachfrage beim Zulieferer Nijdra deutlich. „Normalerweise macht die Medizintechnik 40 % unseres Umsatzes aus, derzeit sind es 65 %“, berichtet van Dijk.
Hohe Nachfrage in der Medizintechnik
Ganz konkret hat Philips Healthcare zusätzliche Teile bei dem Unternehmen geordert. Der Medizintechnikspezialist benötigt derzeit verstärkt Komponenten für Beatmungsgeräte, Monitore und Computertomografen. Aber auch die Firma Hologic, Hersteller von Laborsystemen, hat zusätzlichen Komponentenbedarf. Das Unternehmen produziert automatisierte Anlagen, mit denen Erreger wie das Coronavirus SARS CoV-2 im sogenannten PCR-Verfahren identifiziert werden können.
Gefertigt werden die Bauteile wie Röntgenröhren und medizinische Instrumente bei Nijdra auf hochpräzisen Drehfräszentren. Diese arbeiten mit Genauigkeiten im Bereich von tausendstel Millimetern. Nach der Fertigung werden die Teile mit Handschuhen entnommen, direkt an der Maschine gereinigt und in spezielle Beutel verpackt. Weil das Unternehmen die geänderte Nachfrage mit dem bestehenden Maschinenpark nicht bewältigen konnte und Bestellungen üblicherweise länger dauern, lieferte der Maschinenbauer DMG Mori kurzerhand ein entsprechendes Präzisionsbearbeitungszentrum aus seinem Showroom in Bielefeld.
Serviceroboter für Krankenhäuser
Auch beim Roboterhersteller Blue Ocean Robotics gab es einen plötzlichen Nachfrageanstieg durch das Coronavirus. Das Unternehmen entwickelt und verkauft Serviceroboter. Das sind mobile Plattformen, die sich fahrerlos durch Fabriken, Lager oder Museen bewegen und dazu unterschiedlich ausgerüstet sind. Seit kurzem hat das Unternehmen auch einen Roboter im Angebot, der mittels ultravioletter Strahlung Oberflächen berührungslos desinfizieren kann. Nach Unternehmensangaben werden damit 99,99 % aller Viren und Bakterien in einem typischen Patientenzimmer innerhalb von zehn Minuten abgetötet. Mitte 2019 wurde das Unternehmen dafür von der internationalen Robotikorganisation IFR mit dem Innovation and Entrepreneurship Award in Robotics and Automation (IERA) ausgezeichnet. Damals ahnte noch niemand von der Corona-Pandemie.
„Die Nachfrage für den UVD ist mit Ausbruch der COVID-19-Infektionen sprunghaft gestiegen. Unsere Bestandskunden kaufen deutlich mehr Geräte als vor der Krise, aber auch viele neue Kunden bestellen die UVD-Roboter zur Bekämpfung von Coronaviren und anderen schädlichen Mikroorganismen“, berichtet Claus Risager, CEO von Blue Ocean Robotics. Eingesetzt wurden sie nach Angaben des Unternehmens auch in Wuhan, dem Ursprungsort der globalen Pandemie. Insgesamt bestellten chinesische Krankenhäuser demnach mehr als 2000 UVD-Roboter des dänischen Herstellers.
Susanne Bieller, Generalsekretärin der IFR, kommt zu dem Ergebnis: „Das Potenzial der Roboter, uns bei der aktuell schweren Corona-Pandemie zu unterstützen, ist enorm“. Damit meint sie nicht nur die Anwendung des UVD-Roboters. „Sie unterstützen uns im Gesundheitswesen, aber auch bei der Entwicklung, Prüfung und Herstellung von Medikamenten, Impfstoffen und anderen medizinischen Geräten und Hilfsmitteln.“ Auch die sichere Verteilung von Krankenhausmaterial in Quarantänezonen ohne menschlichen Kontakt – die beispielsweise der mobile Roboter Phollower von Photoneo leiste – sei dafür ein Beispiel.