SCHIFFBAU 15. Mrz 2018 Wolfgang Heumer Lesezeit: ca. 5 Minuten

Um die Ecke geschnitten

Fähren können wachsen. In einem komplizierten Projekt hat eine Bremerhavener Werft die „Peter Pan“ um 30 m auf 220 m verlängert.

Querschnitt: Der Doppelboden des Vorschiffs (dunkel), das Autodeck (Mitte hell), die Gänge an den Seiten und hunderte von Kabeln und Rohrleitungen mussten durchtrennt werden.
Foto: Wolfgang Heumer

Der Nordwestwind fegt eisig über das Dock V im Bremerhavener Kaiserhafen. Kein Wunder, dass die Männer auf der Ostseefähre „Peter Pan“ dick vermummt sind und unter dem Helm wärmende Mützen tragen. Immer wieder behindern kräftige Regenschauer die Sicht auf dem mit Gerüsten, Stahlbauteilen und Maschinen vollgestellten Oberdeck.

Obwohl dutzende Scheinwerfer die Szenerie in der beginnenden Dunkelheit in orange-farbenes Licht tauchen, heißt es für die Werftarbeiter der German Dry Docks (GDD) doppelt genau aufzupassen. Denn quer durch das bislang 190 m lange Schiff ziehen sich zwei tiefe Schnitte. Dazwischen hat die Werft vor wenigen Tagen ein 30 m langes Mittelstück gesetzt, das die Fähre auf 220 m verlängern und die Fracht- bzw. Fahrzeugkapazität nach Reedereiangaben um 25 % erhöhen wird. „Das ist wohl eines der kompliziertesten Vorhaben, das bei GDD jemals realisiert wurde“, ist Schiffbauingenieur David Porath überzeugt, der das Projekt gemeinsam mit seinen Kollegen Jascha Ewert und Conrad Schmidt leitet.

Schiffsverlängerungen haben in Bremerhaven eine gewisse Tradition; bereits mehrfach wurden hier Passagier- und Frachtschiffe „durchgeschnitten“, auseinander gezogen und um eine Mittelsektion ergänzt. Dass der Umbau der „Peter Pan“ dennoch immer wieder von Schaulustigen auf der anderen Hafenseite eingehend beobachtet wird, hat gleich zwei Gründe.

Zum einen sind die „Peter Pan“ und ihr Schwesterschiff „Nils Holgersson“ der Lübecker TT-Line die letzten Großfähren, die in der einst für ihren Spezialschiffbau bekannten Seestadt gefertigt wurden – „da werden sicherlich bei vielen Bremerhavenern Erinnerungen wach“, meint Porath. Zum anderen hat sich German Dry Docks mit dem Umbau einer Herausforderung gestellt, bei der zumindest auf den ersten Blick das Gesetz der Schwerkraft ausgehebelt werden muss.

„Bei der Verlängerung bleibt der Passagierbereich der vorderen Schiffshälfte unangetastet“, erläutert Porath. Der ca. 30 m lange, 30 m breite und vier Decks hohe Bereich befindet sich oberhalb jener Stelle, in die die neue Mittelsektion eingefügt werden soll. Statt das Schiff – wie sonst bei solchen Projekten üblich – senkrecht zu durchtrennen, verläuft der Schnitt durch die „Peter Pan“ vertikal z-förmig und horizontal ebenfalls nach einem komplizierten Schnittmuster. Wie ein Balkon schwebt der immerhin 850 t schwere Passagierbereich nach dem Auseinanderziehen beider Schiffshälften in der Luft – abgefangen durch insgesamt sechs Stützen, die das Schiffbauerteam sukzessive beim Herausziehen der hinteren Sektion aufstellen ließ.

Allein dies war eine reife Ingenieurleistung für sich: „Wir haben ein System aus hydraulischen Stempeln und Verschubbahnen eingesetzt, um die Stützen nach und nach zu installieren und später beim Einschieben der Mittelsektion wieder Schritt für Schritt entfernen zu können“, so der Projektleiter. Sieben Tage dauerte es, bis die aufwendige Hilfskonstruktion fertig war.

Dass die Werftarbeiter knapp fünf Tage für den Schnitt benötigten, erscheint dagegen relativ kurz. Schließlich mussten nicht nur zahllose Rohrleitungen, Kabelstränge, Decks und Wände durchtrennt, sondern auch der Einbau eines zusätzlichen Fahrzeugdecks und einer neuen Auffahrtrampe vorbereitet sowie eine weitere Rampe getrennt und versetzt werden.

Hochfeste, 20 mm starke Stahlbleche sauber auseinander zu trennen, ist schon unter den „komfortablen“ Verhältnissen einer Werkstatthalle eine handwerkliche Herausforderung. Aber in einem Dock, unter winterlichen Witterungsverhältnissen, in dicker wärmender Kleidung und mit der schweren persönlichen Schutzausrüstung aus Schutzschild, Atemmaske, Helm und Handschuhen ist es eine Kunst. „Vor den Kollegen kann man nur den Hut ziehen“, bestätigt Porath.

Der 36-Jährige weiß, wovon er spricht. Bevor er sich zum Schiffbaustudium entschloss, absolvierte er eine Lehre als Schiffbauer und arbeitete selbst auf einer Werft. Bei allen Widrigkeiten der Arbeit im Dock oder auf den Helgen möchte Porath diese Zeit nicht missen, im Gegenteil – sie hat erst recht dazu beigetragen, dass er Schiffbauingenieur wurde. „Wer einmal im Dock unter einem Schiff gestanden hat, spürt die Faszination, die im Schiffbau steckt“, bestätigt GDD-Geschäftsführer Guido Försterling. Nicht zuletzt das Können seiner Mannschaft hat GDD zu einem der führenden Standorte für Umbauten, Wartung, Reparatur und Instandsetzung von Schiffen in Nord- und Mitteleuropa gemacht.

Ein gutes Jahr lang haben neun Projektingenieure der Werft den Umbau der „Peter Pan“ vorbereitet. Neben dem komplizierten Schiffbau ist das Vorhaben auch logistisch eine Herausforderung. Jedes Bauteil wird zu einem exakten Zeitpunkt benötigt; für große Objekte wie beispielsweise die neue Auffahrtrampe gibt es nur kleine Zeitfenster, sie an Bord zu bringen.

Auf der Baustelle ist der Platz naturgemäß ohnehin begrenzt; Lagerflächen sind notwendig, dürfen zugleich aber nicht die Arbeiten behindern. „Wir haben einen eng getakteten Zeitplan, denn das Schiff soll ja termingerecht wieder in Fahrt gehen“, erklärt Porath den Zeitdruck. An dem Vorhaben sind zudem zahlreiche Gewerke und Firmen beteiligt – bis zu 600 Arbeiter und Ingenieure müssen so gesteuert werden, damit schnell und effizient gearbeitet werden kann. Und: „Am Ende wird kein Passagier erkennen, dass dieses Schiff umgebaut worden ist“, bringt Porath die vom Reeder geforderte Qualität auf den Punkt.

Welchen Kraftakt das GDD-Team vollbringt, ist für den Laien ohnehin kaum vorstellbar. Das Vorschiff, das nach dem Schnitt im Dock stehenblieb, wiegt 8500 t. Die neue Mittelsektion, die auf der Werft Pella Sietas in Hamburg entstand, bringt es auf eine Masse von 1500 t, das Achterschiff, das aus dem Dock gezogen und später wieder hineinbugsiert wurde, schlägt mit 6500 t zu Buche. Um diese Sektion für das Aus- und Einschwimmen stabil zu halten, musste eigens ein Ponton sowie eine besondere Auftriebskonstruktion am Heck montiert werden. In einer Art Stahlkäfig wurden dazu unter dem Rumpfteil acht 32 m lange sowie sieben jeweils 4 m lange Luftsäcke installiert.

Trotz der Gewichte und der Größe der Bauteile ist die Verlängerung der „Peter Pan“ Millimeterarbeit: „Für den Zusammenbau müssen wir die beiden alten Sektionen und das neue Mittelstück auf 5 mm genau zusammenfügen“, betont der Projektleiter. Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Mit Ziehen, Zerren, Drücken und Schieben hat es geklappt.

Sowohl die neue Mittelsektion als auch das Achterschiff wurden zum Zusammenbau von Schleppern in das geflutete Dock manövriert und exakt auf hydraulische Verschiebeschlitten gestellt, mit deren Hilfe die Großbauteile schließlich in die endgültige Position gebracht werden konnten. So hart Werftarbeiter angesichts der Schwere ihrer Arbeit sind, so empfänglich sind sie auch für bewegende Momente: „Das ist unsere Kathedrale“ lautete das geflügelte Wort auf der Werft, als das neue Mittelschiff langsam unter den „Balkon“ geschoben wurde und für einige Tage ein kirchengroßer überdachter Raum entstand.

Die „Kathedrale“ verschwand zwar wieder im Laufe des weiteren Zusammenrückens der Sektionen, doch dafür wurde das Ziel des Kraftaktes immer deutlicher: Mit der Verlängerung der „Peter Pan“ will die TT-Line nicht nur dem stetig wachsenden Verkehrsaufkommen auf der Strecke Travemünde-Trellebor Rechnung tragen, sondern auch dem Umweltschutz: „Das Unternehmen, das großen Wert auf einen umweltfreundlichen Schiffsbetrieb legt, wird die Emissionsbilanz seiner ohnehin umweltfreundlichen Flotte durch die Verlängerung nochmals verbessern“, erklärt der Geschäftsführer der Reederei, Hanns Heinrich Conzen.

Die „Peter Pan“ galt schon vor dem Umbau als umweltfreundliches Schiff – sie ist mit einem besonders effizienten diesel-elektrischen Antrieb ausgestattet; beim Umbau bekommt sie nun einen neuen Wulstbug, der den Strömungswiderstand und damit den Treibstoffverbrauch weiter senkt: „Insgesamt werden sich die Emissionen pro transportierter Frachteinheit um 25 % verringern“, betont Conzen.jdb/

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