Corona und die Folgen 07. Mai 2020 Von Stephan W. Eder

Corona: Stütze für die Wirtschaft mit grünem Langzeiteffekt

Forscher, Politiker und Wirtschaftsvertreter mahnen dringend an, die Hilfen für das Anlaufen der Wirtschaft nach dem Corona-Lockdown mit Kriterien für Umwelt, Klimaschutz, Bildung und Infrastruktur zu koppeln.


Foto: panthermedia.net / AndreyPopov

Es ist ein Dilemma, das da am Dienstag beim Autogipfel von Bundesregierung und deutscher Automobilwirtschaft offenbar wurde: Die Branche braucht dringend Stütze, aber das althergebrachte Mittel eines reinen Kaufanreizes steht in der Kritik. Denn weitere wichtige Kriterien wie der Klimaschutz – Stichwort Dekarbonisierung – lassen sich damit nur bedingt umsetzen.

Die Sorge wird daher groß, dass die angereizten Investitionen zu einem Gutteil nicht in zukunftsfähige und nachhaltige Produkte gesteckt werden. Und das gilt nicht nur für die Automobilindustrie, das ist auch der Bundesregierung bewusst: „Umso wichtiger wird es sein, wenn wir Konjunkturprogramme auflegen, immer den Klimaschutz ganz fest im Blick zu haben und deutlich zu machen, dass wir nicht etwa am Klimaschutz sparen, sondern dass wir in zukunftsfähige Technologien investieren“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel schon im Rahmen des Petersberger Klimadialogs Ende April.

Wirtschaftsforscher: Nachhaltiges Investitionsprogramm soll Wirtschaft stützen

Was also tun? „Das politische Dilemma kann mit einem Maßnahmenpaket aufgelöst werden, das den Schwerpunkt auf Investitionen legt“, heißt es in einem Papier, das fünf Wirtschaftsforscher heute vorlegten, allen voran Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) aus Köln. Zusammen mit Sebastian Dullien (Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung), Tom Krebs (Universität Mannheim), Barbara Praetorius (Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin) sowie C. Katharina Spieß vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) legte er Vorschläge vor, wo aktuell welche Ausgaben hilfreich sein könnten.

Neben einem „Schutzschirm“ im ersten Schritt brauche es „weitere Schritte“, damit „Wirtschaft und Gesellschaft den Weg aus der Krise heraus auf einen sozial ausgewogenen, nachhaltigen Wachstumspfad finden können“, heißt es in dem 15-seitigen Papier. Schwerpunkt dieser Investitionen sollten die Dekarbonisierung, der Demografiewandel und die digitale Transformation sein, deren Bewältigung „konsequent voranzutreiben“ sei. So gelte es, Investitionen in den Bereichen Gesundheit, Wohnen, erneuerbare Energien, emissionsarme Verkehrsinfrastruktur, digitaler Infrastruktur und Bildung zu stärken.

IW-Direktor Hüther: „Situation ist eine Chance“

„Wir sind an der Kreuzung zwischen Angebots- und Nachfrageschock“, sagte Hüther der dpa. „Insofern ist eine solche Situation auch eine Chance, bei aller Unsicherheit Investitionen zu bündeln.“ Die fünf Expertinnen und Experten sehen, dass die Hilfspakete „sehr bald“, das heißt „in den kommenden Monaten“, aufgelegt werden müssen.

Die Forscherinnen und Forscher warnen vor einer „Hysterese“ – einer hartnäckigen Spirale aus Nachfrageverlusten, die hart und dauerhaft auf die Beschäftigung durchschlagen könnte; es brauche aber „neue wirtschaftspolitische Rezepte“. Was früher funktioniert habe, zum Beispiel Konjunktur über die Konsumnachfrage zu stimulieren, sei in der aktuellen Lage weniger vielversprechend. Daher präferieren die fünf ein Investitionsprogramm, das dann über mehrere Jahre läuft.

Energieminister wollen Energiewende stärken

Am Montag dieser Woche bereits berieten sich die Energieminister der Bundesländer und Bundeswirtschafts- und -energieminister Peter Altmaier in einer Videoschalte. Ziel: verstärkte Investitionen in die Energiewende, um dazu beizutragen, die Wirtschaft nach der Corona-Krise wieder auf einen Wachstumspfad zu führen.

Der Vorsitzende des Treffens, NRW-Energieminister Andreas Pinkwart (FDP), erklärte: „Die Energiewende kann ein wichtiger Wachstumsmotor zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise werden. Damit das gelingt, brauchen wir jetzt starke Anreize für weitreichende Investitionen in erneuerbare Energien, intelligente Stromnetze und Wasserstoffinfrastrukturen.“

„Krisenbewältigung und Klimaschutz sind keine Gegensätze, sie dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden“, hatte der Branchenverband BDEW bereits Mitte April gefordert. In Konjunkturprogrammen sollten „Investitionen in Klimaschutztechnologien und die Beseitigung von Investitionshemmnissen bei der Energiewende eine wichtige Rolle spielen. Dies würde erhebliche Impulse für Innovation und Wachstum setzen.“

EU ringt um „grüne“ Kriterien für Corona-Recovery-Plan

Das Spannungsfeld zwischen schnellen finanziellen Hilfen und langfristiger Nachhaltigkeit belastet schon seit Beginn der Corona-Krise in der EU die Debatte um den Green Deal, den EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen zu einem zentralen Baustein ihrer Präsidentschaft machen will. Noch Ende April sagte sie, der Green Deal werde „unser Motor für die Erholung“ sein.

Aber der lang erwartete „Recovery Plan“, mit dem der wirtschaftliche Neustart der EU unterstützt werden soll, ist noch immer nicht finalisiert. Gestern sollte er vorgestellt werden. „Damit der Green Deal Wachstumskräfte freisetzen kann, braucht es eine Strategie, die Ökologie und Wirtschaft gemeinsam voranbringt“, sagt Christian Kullmann, Präsident des Verbands der Chemischen Industrie (VCI). „Die EU sollte daher den Green Deal weiterentwickeln zu einem nachhaltigen Wachstumsprogramm für die Wirtschaft. Das kann nur gelingen, wenn auch die sozialen und wirtschaftlichen Aspekte gleichermaßen berücksichtigt werden und nicht nur einseitig die Ökologie im Mittelpunkt steht.“

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