34. Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe 26. Apr 2020 Stephan W. Eder

Die Wälder um Tschernobyl brennen weiter

Am 26. April 1986 explodierte der Reaktor in Block 4 des Atomkraftwerks Tschernobyl aufgrund einer Fehlbedienung. Der radioaktive Fall-out verseuchte die Umgebung – bis heute. Das verstärkt die Sorgen der Bevölkerung in der Ukraine, denn seit Wochen halten Waldbrände in der Umgebung des ehemaligen Kraftwerks an.


Foto: panthermedia.net/Antonio Cicorella

In Zeiten der Corona-Pandemie beschleicht einen immer wieder ein ungutes Gefühl: das der Hilflosigkeit, der Ohnmacht. Angesichts einer Bedrohung, für die wir Menschen so gar keine Sensorik haben und deren Auswirkungen wir erst verzögert erfahren.

Für die Menschen in der Ukraine mag in diesen Tagen noch eine zweite Quelle neben dem Virus für dieses hinzu kommen hinzukommen: die seit mehr als drei Wochen andauernden Waldbrände im Norden des Landes, die gefährlich nahe an die Reaktorruine des Kernkraftwerkes Tschernobyl herankommen.

Auch heute, am 26. April 2020, wenn sich der GAU in Tschernobyl zum 34. Mal jährt, brennen die Wälder weiter. Kiew, die Hauptstadt Der Ukraine ist rund 70 km entfernt. Die Wälder rund um die Reaktorruine, um die eine 30 km-Sperrzone errichtet wurde, sind nach wie vor kontaminiert vom radioaktiven Fallout nach der Katastrophe. Rund 8 t an radioaktivem Brennstoff gelangten aus dem Reaktorkern in die Umgebung, so die GRS in Köln.

Waldbrände in Tschernobyl immer noch nicht unter Kontrolle

Die derzeitigen Brände bei Tschernobyl halten sich hartnäckig, trotz tausender Feuerwehrleute im Einsatz sind sie nicht zu löschen. Wie groß der Brand ist, ist allerdings unklar, berichtete gestern der Journalist Bernhard Glaser in der taz. „Derzeit brennen hier in der Zone noch drei Hektar“, berichtet demnach Wadym Sajaz, Schichtleiter einer kleinen Feuerwehreinheit.

Laut Glaser seien diese Angaben „zumindest stark anzuzweifeln“, weil für eine Fläche etwas größer als zwei Fußballfelder nicht über tausend Feuerwehrleute aus allen Teilen der Ukraine im Einsatz sein müssten. Auf dem Höhepunkt der Feuer am 8. April hätten 20 000 ha Wald gebrannt. Am 13. April sind die Flammen bis zu 500 m an den neuen Sarkophag herangekommen, den Schutzbehälter, der seit Ende letzten Jahres die Ruine von der Außenwelt abschirmt.

Waldbrände rund um Tschernobyl behindert die Arbeiten an der Ruine seit langem

Waldbrände rund um Tschernobyl sind keine Seltenheit, darauf weist die GRS in Köln hin. Seit 2006 entwickelt die Organisation zusammen mit ukrainischen Wissenschaftlern die „Shelter Safety Status Database“ (SSSD), die Daten zur radiologischen Situation vor Ort sammelt. Erst im letzten Jahr sei sie um Informationen zu Waldbränden aus dem Zeitraum 2009 bis 2019 ergänzt.

In den Gebieten in und außerhalb der 30-km-Sperrzone sei es in diesem Zehnjahreszeitraum aufgrund der größeren Trockenheit zu rund 60 Waldbränden gekommen, so die GRS: „Die Aktivitätswerte sind in der Datenbank zusammen mit weiteren Parametern abgespeichert, um mögliche Zusammenhänge zwischen den Bränden und belasteter Luft besser untersuchen zu können“, heißt es.

Waldbrände in Tschernobyl keine Gefahr für Deutschland

Das Bundesamt für Stahlenschutz (BfS) in Salzgitter beobachtet nach eigenen Angaben die Situation in der Ukraine seit Bekanntwerden der Brände am 4. April  2020 kontinuierlich und gibt zumindest für Deutschland Entwarnung: die derzeitigen Waldbrände in dem Gebiet von Tschernobyl stellten keine Gefährdung für Deutschland dar. Auch falls Windströmungen Luft aus Tschernobyl, die durch die Brände aufgewirbelte radioaktive Stoffe enthält, nach Deutschland brächten, würden sie auf dem langen Transportweg in der Atmosphäre sehr stark verdünnt.

Selbst in Teilen Bayerns seien die Nachwirkungen des Reaktorunfalls in Block 4 des ehemaligen Atomkraftwerks aber heute immer noch präsent, darauf wies Olaf Band hin, Vorsitzender der Umweltschutzorganisation BUND. „Bis heute warnen die Behörden vor verstrahlten Pilzen und Wildtieren.“ Damals, zum Monatswechsel April/Mai 1986 waren Wolken mit radioaktivem Material nach Westen richtig Mitteleuropa gezogen; die kontaminierten Partikel wurden durch Regenfälle ausgewaschen. Die langlebigen Nukleide sind heute noch präsent.

Unsicherheit über Messwerte in Ukraine

Messdaten der deutschen Botschaft in Kiew zufolge gibt es keinen Grund zur Beunruhigung für die dortige Bevölkerung, berichtete die Nachrichtenagentur dpa. „Die Messwerte der Strahlenbelastung sind stabil und liegen weiterhin unterhalb der Werte etwa von Berlin-Wannsee“, habe die Botschaft in einer Mitteilung an deutsche Staatsbürger in der Ukraine geschrieben.

Laut BfS seien außerhalb der Sperrzone, zum Beispiel in Kiew, leicht erhöhte Strahlenwerte gemessen worden, die aber nicht gesundheitlich bedenklich sind. Die Böden seien nach wie vor kontaminiert mit radioaktiven Stoffen – 137Cs, 239Pu und 90Sr, erinnerte die Umweltschutzorganisation Greenpeace anlässlich des 34. Jahrestag der Katastrophe.

Laut IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges) habe der Stellvertretende Direktor des Ukrainischen Hydrometeorologischen Zentrums (UHMC), Anatoliy Prokopenko, betont, dass die Strahlenmesswerte in der Hauptstadt Kiew nicht oberhalb der erlaubten Grenzwerte liegen würden.

Deutlich sensitivere Messungen der 137Cs-Aktivität in der Umgebungsluft seien mittlerweile vom Zentralen Geophysischen Observatorium in Kiew veröffentlicht worden. Diese hätten einen Anstieg von rund 6 mBq/m3 auf 700 mBq/m3 am 10. bis 11. April gezeigt – mehr als ein hundertfacher Anstieg. UHMC-Direktor Mykola Kulbida haben diesen Anstieg „mikroskopisch“ genannt, so die IPPNW in einem Bericht.

Seit fast anderthalb Jahre hat die Tschernobylruine eine neue Schutzhülle

Die Waldbrände und die Corona-Pandemie behindern nach Angaben der GRS auch die laufenden Arbeiten, um „den Standort Tschernobyl wieder in einen ökologisch sicheren Zustand zu überführen.“ Ende 2018 war ein Meilenstein gelegt worden, nachdem nach jahrelangen Bauarbeiten die Ruine eine neue Schutzhülle erhalten hatte, das „New Safe Containment“ (NSC). Es umhüllt seitdem die Ruine des Kraftwerks samt den alten Betonpanzer, Sarkophag, genannt.

Die neue Schutzhülle war schon im November 2016 über die Ruine geschoben worden. Die 36 000 t schwere Konstruktion des NSC soll 100 Jahre Sicherheit vor radioaktiver Strahlung garantieren. Es galt mit einer Spannweite von 257 m, einer Länge von 162 m und einer Höhe von 108 m als größtes mobiles Bauwerk.

Von Mai bis August 2019 war das NSC im Probebetrieb, seitdem folgt eine einjährige Phase des Gewährleistungsbetrieb. Im Betrieb ab 2023 sollen unter dem Schutz des NSC dann die „die instabilen Strukturen des alten Sarkophags abgebaut werden“, so die GRS. Die Experten schauen wirt, wenn es um Tschernobyl geht: 2065 dann sollen die übrigen Baustrukturen des Blocks 4 und die drei anderen Reaktorblöcke zurückgebaut sein.

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