Global 17 % weniger CO2-Ausstoß durch die Corona-Pandemie
Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) veröffentlicht Schnellschätzung.

Foto: Peter Kellerhoff
Ein Forscherteam des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC hat zusammen mit wissenschaftlichen Einrichtungen aus sieben Ländern die Auswirkung der Corona-Abwehrmaßnahmen auf den Ausstoß des wichtigsten Treibhausgases CO2 untersucht.
Luftverkehr mit 60 % weniger CO2
In einer Schnellschätzung kamen sie zu dem Ergebnis, dass die weltweiten CO2-Emissionen Anfang April im Vergleich zum Vorjahreszeitraum wahrscheinlich um ein Sechstel (17 %) niedriger lagen als vor der Pandemie. In ihrer Spitze gingen die Emissionen in einzelnen Ländern durchschnittlich um 26 % zurück. Die stärksten absoluten Rückgänge gab es dabei bei Verkehr und Produktion – maßgeblich ein Resultat von Werksschließungen, Kurzarbeit, Homeoffice und Reiseverboten. Die weltweiten Emissionen aus dem Landverkehr gingen bis zum 7. April 2020 um 36 % zurück und leisteten den größten Beitrag zur Gesamtemissionsänderung. Die Emissionen aus Landverkehr, Energie und Industrie waren in absoluten Werten die am stärksten betroffenen Sektoren und machten 86 % der gesamten Reduzierung der globalen Emissionen aus. Die Emissionen gingen im Luftverkehrssektor um 60 % zurück, was die größte relative Anomalie aller Sektoren ergab, doch dieser Sektor trug nur 10 % zum Rückgang der globalen CO2 -Emissionen bei. In den Privathaushalten gibt es dagegen einen geringfügigen Anstieg um 3 %.
Unterschied zu anderen Krisen
Die mit Covid-19 verbundene Wirtschaftskrise unterscheidet sich deutlich von früheren Wirtschaftskrisen darin, dass sie stärker in eingeschränktem individuellen Verhalten verankert ist. Die Studie wurde in der renommierten Fachzeitschrift Nature Climate Change veröffentlicht. Am 7. April wurden nach Angaben der Klimawissenschaftler um Corinne Le Quéré von der englischen University of East Anglia weltweit schätzungsweise 83 Mio. t CO2 durch die Verbrennung fossiler Brennträger und die Zementproduktion ausgestoßen – 2019 waren es im Tagesdurchschnitt 100 Mio. t gewesen.
Methodik der Studie
Trotz der Bedeutung der CO2-Emissionen gibt es bislang keine Echtzeiterfassung, nationale Statistiken hinken zum Teil um Jahre hinterher. Das Forscherteam ging deshalb indirekt vor: auf Basis laufender Erhebungen zu Energie- und Rohstoffverbrauch, Industrieproduktion und Verkehrsaufkommen in 69 Ländern mit 97 % der globalen Emissionen, ergänzt durch Annahmen über die durch die Pandemieabwehr ausgelösten Verhaltensänderungen sowie Satellitendaten zur Luftverschmutzung. Die auf den 7. April 2020 bezogene Schnellschätzung kommt auf einen Corona-bedingten Rückgang um 17 Mio. t CO2 pro Tag – das ist relativ zum Vor-Corona-Niveau von 100 Mio. t ein Rückgang um 17 %.
Aussicht
Das Forscherteam betont, dass die Klimakrise durch die Corona-Pandemie in keiner Weise entschärft wird. „Die seit Jahren von der Wissenschaft entwickelten Szenarien für einen erfolgreichen Kampf gegen die Erderwärmung zielen ja trotz verringertem Energie- und Ressourcenverbrauch auf besseres, nicht schlechteres menschliches Wohlergehen“, erklärt Felix Creutzig, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Transport und Mitautor der Studie. „Der jetzige Nachfragerückgang ist dagegen weder beabsichtigt, noch zu begrüßen. Unsere Studie taugt nicht für Jubelmeldungen. Gleichwohl liefert sie wichtige quantitative Erkenntnisse dazu, wie extreme Maßnahmen auf CO2-Emissionen wirken.“
Nach der Krise
Um die globale Erderwärmung auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, müssten die Emissionen nicht einmalig, sondern Jahr für Jahr um 6 % sinken. „Das muss die Politik im Blick behalten, wenn sie nach dem Eindämmen der Pandemie die wirtschaftliche Erholung organisiert“, betont MCC-Forscher Creutzig. „Die staatlichen Anschubhilfen werden den Pfad der globalen CO2-Emissionen wahrscheinlich für Jahrzehnte prägen. Es ist durchaus möglich, den Klimaschutz dabei mitzudenken. Doch wenn dieser aufgeweicht wird, sind trotz des aktuellen Rückgangs langfristig sogar höhere Emissionspfade als ohne Corona wahrscheinlich.“