Internationale Studie: Verkehrslärm nachts schlimmer als am Tag
Wer in seiner Nachtruhe gestört wird, hat ein erhöhtes Risiko, dass sich eine Herz-Kreislauf-Erkrankung entwickelt. Das ist das Ergebnis einer internationalen Übersichtsstudie.

Foto: panthermedia.net/chungking
Viele haben es vermutet, nun ist es bestätigt: Verkehrslärm macht krank. Vor allem die Bildung von freien Radikalen, also der sogenannte oxidative Stress, sowie Entzündungsreaktionen in Gehirn, Herz und Gefäßen sind wohl die wesentlichen Einflussfaktoren dabei. Wissenschaftler unter Federführung des Zentrums für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz haben das herausgefunden. Ihre Ergebnisse haben sie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Annual Review of Public Health“ veröffentlicht.
Zirkadiane Rhythmik regelt die innere Uhr
Es ist die innere Uhr, die sogenannte zirkadiane Rhythmik, die durch nächtlichen Lärm durcheinandergerät. Dabei ist sie ein wichtiges Regulationssystem des menschlichen Körpers. Abhängig von der Tageszeit steuert sie einen Großteil der funktionellen, metabolischen und biologischen Parameter des Organismus. Abhängig davon, ob es Tag oder Nacht ist, regelt dieses System die Körpertemperatur, den Blutdruck und die Gedächtnisleistung, aber auch den Appetit, den Energiehaushalt sowie die zahlreichen Hormone und das Immunsystem.
Welche Folgen Nachtlärm auf das Herz-Kreislauf-System sowie Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes hat, untersuchten Wissenschaftler des Zentrums für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz, des Krebsinstituts Dänemark sowie des Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Instituts. Sie analysierten dafür eine Menge aktueller Forschungsergebnisse sowie die eigenen Mainzer Lärmwirkungsstudien.
Zu kurzer oder unterbrochener Schlaf
Die Forscher fanden heraus, dass ein durch Verkehrslärm verursachter zu kurzer oder häufig unterbrochener Schlaf das Risiko erhöht, zukünftig eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu entwickeln. Fazit der Studie: Nachtlärm erhöht vor allem den Blutdruck, er steigert die Ausschüttung von Stresshormonen und lässt die Gefäße steifer werden – allesamt wichtige Einflussfaktoren auf die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Lärmerfahrung verstärkt den Schaden
Wurde bei einem Patienten bereits eine Herzerkrankung festgestellt, so fallen die beispielsweise durch nächtliche Starts oder Landungen eines benachbarten Flughafens verursachten Gefäßschäden deutlich ausgeprägter aus, als wenn es keine Vorschädigungen gab. Die Studie deckte auf, dass auch psychische Erkrankungen wie Depression und Angststörungen, die als Folge der negativen Emotionen hinsichtlich des Nachtlärms auftreten können, relevant für das Ausbilden einer Herz-Kreislauf-Störung sein können. Verfügen die Betroffenen bereits über einige negative „Lärmerfahrungen“, zeigen die Gefäße vermehrt größere Schäden auf. Eins ist also sicher: Der Körper gewöhnt sich nicht an den Lärm – so die Schlussfolgerung der Wissenschaftler.
Forderung an die Politik nach lärmfreier Nachtzeit
„Es war wichtig, die aktuelle Situation zum Thema Lärm und Gesundheit mit internationalen Experten zusammenzufassen und gleichzeitig die neuen europäischen WHO-Leitlinien zum Thema Lärm zu kommentieren“, sagen Thomas Münzel, Leiter der Studie, und Andreas Daiber, Direktor der Kardiologie I am Zentrum für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz. „Die Lärmwirkungsforschung hilft uns mehr und mehr zu verstehen, wie Lärm herzkrank macht.“
Die Ergebnisse klinischer Untersuchungen mit dem Nachweis einer Assoziation zwischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und auch psychischen Erkrankungen wie Depression und Angststörungen würden insbesondere durch die Mainzer vorklinischen Lärmstudien untermauert und teilweise auch erklärt, sagen die Mainzer Kardiologen. „Wir halten es künftig für wesentlich, dass Lärm als wichtiger Herzkreislaufrisikofaktor anerkannt wird und, dass die WHO-Richtlinien in EU-Lärmgesetze aufgenommen werden, die dafür sorgen, dass die Lärmgrenzen für den Tag und für die Nacht eingehalten werden müssen. Perspektivisch sollten die Politik und die jeweiligen Entscheider vor Ort darauf hinwirken, dass die gesetzlich definierte Nachtzeit von 22.00 bis 06.00 Uhr lärmfrei bleibt.“