Klimaforschung 27. Jan 2020 Von Stephan W. Eder

Klimaschutz: Zwei-Grad-Ziel auch wirtschaftlich optimal

Eine neue Studie des Potsdam-Instituts weist nach, dass das kosteneffizienteste Niveau der globalen Erwärmung tatsächlich dasjenige ist , welches mehr als 190 Nationen im Rahmen des Pariser Klimaabkommens vereinbart haben.


Foto: UnternehmensGrün, Jörg Farys

Die Klimakosten sind wahrscheinlich am geringsten, wenn die globale Erwärmung auf höchstens 2 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau begrenzt wird. So lautet das zentrale Ergebnis einer Studie, die das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) heute veröffentlicht hat. 2 °C, das ist genau das Ziel, das 195 Staaten 2015 auf der Weltklimakonferenz in Paris vereinbart haben. Bis heute hat sich die globale Mitteltemperatur um rund 1 °C erhöht.

Das auf der Basis naturwissenschaftlicher Erkenntnisse politisch ausgehandelte Klimaziel des Paris-Abkommens sei also auch das wirtschaftlich sinnvolle, resümiert das PIK in einer Erklärung. Bislang reichten die von den Staaten weltweit versprochenen CO2-Reduktionen allerdings nicht aus, um dieses Ziel zu erreichen.

Simulationsmodell aus der Wirtschaftsforschung unterstützt Klimaforschung

Berechnet haben dies die Wissenschaftler aus Potsdam mithilfe von Computersimulationen, die auf einem Modell des US-Wirtschafts-Nobelpreisträgers William Nordhaus beruhen. Darin vergleichen sie Klimaschäden, zum Beispiel durch zunehmende Wetterextreme oder sinkende Arbeitsproduktivität, mit jenen Kosten die dadurch entstehen, dass Staaten, Wirtschaft und Gesellschaft ihren Treibhausgasausstoß verringern müssen. Sei dies der Aufbau neuer Produktionsstätten, eine neue Energieinfrastruktur oder auch die sozialen Folgekosten, wie sie in Deutschland bei der Stilllegung der Braunkohlestromerzeugung anfallen werden.

„Um das wirtschaftliche Wohlergehen aller Menschen in diesen Zeiten der globalen Erwärmung zu sichern, müssen wir die Kosten der Klimaschäden und die Kosten des Klimaschutzes gegeneinander abwägen“, sagt PIK-Forscher Anders Levermann, der das Team leitete. Sie hätten viele gründliche Tests mit ihren Computern durchgeführt und man habe festgestellt, dass sich die Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf 2 °C tatsächlich als wirtschaftlich optimal erweise. „Wissenschaft, Politik und Wirtschaft zeigen alle in eine Richtung: null Emissionen im Jahr 2050.“

Klimaschutz und Streben nach wirtschaftlichem Wachstum vereinbar

Klimapolitische Maßnahmen, wie das Ersetzen von Kohlekraftwerken durch Windräder und Solarzellen oder die Einführung von CO2-Preisen, kosten einfach Geld. Dasselbe gilt aber auch für Klimaschäden, wenn nichts getan wird.

Aber bisher, so das PIK, seien die beobachteten temperaturbedingten Verluste in der wirtschaftlichen Produktion nicht wirklich berücksichtigt worden, selbst dann nicht, wenn man davon ausgeht, dass die Politik die Wirtschaft optimal unterstützt. Um dies betrachten zu können, habe man nun Nordhaus‘ „Dynamic Integrated Climate-Economy-Model“ nutzen können. Dies sei in der Vergangenheit für die Politikberatung in den USA verwendet worden und darauf trainiert, nach Wirtschaftswachstum zu streben.

Zwei-Grad-Ziel ist optimal

„Es ist bemerkenswert, wie robust die Temperaturgrenze von 2 °C ist“, sagt Sven Willner, Co-Autor der Studie, trotz einer Reihe von Variationen. Sie berücksichtigten zum Beispiel, dass Menschen heutigen Wohlstand gegenüber künftigem Wohlstand vorziehen, aber ebenso, dass kommende Generationen ihren Konsum nicht verringern müssen. Das Ergebnis, dass das Zwei-Grad-Ziel das ökonomisch kosteneffizienteste ist, habe sich über den gesamten Parameterraum gezeigt.

„Unsere Analyse basiert auf der beobachteten Beziehung zwischen Temperatur und Wirtschaftswachstum – aber es könnte zusätzliche Auswirkungen geben, die wir noch nicht vorhersehen können“, gibt Levermann zu bedenken. Dazu zählt er zum Beispiel Veränderungen in der Reaktion von Gesellschaften auf Klimastress, vor allem ein Aufflammen schwelender gewaltsamer Konflikte oder das Überschreiten von Kipppunkten für kritische Elemente im Erdsystem. Solche Ereignisse könnten die Kosten-Nutzen-Analyse weiter verändern, so Levermann, und zwar in die Richtung, dass noch dringender gehandelt werden muss.

Energie- und Agrarwende bis 2050 nötig

Klimaneutralität bis Mitte des Jahrhunderts bedeute, dass die Treibhausgasemissionen weltweit ab heute alle zehn Jahre halbiert werden müssen, so das PIK. In einer weiteren Studie haben Wissenschaftlerinnen des Instituts untersucht, wie es gelingen kann, die für den Klimaschutz nötige tief greifende globale Transformation der heutigen Energie- und Landnutzungssysteme umzusetzen.

Ein interdisziplinäres Forscherteam hat dafür geeignete gesellschaftliche „Kippmechanismen“ untersucht, die in der Lage sein könnten, die hierfür notwendigen schnellen, dabei aber anschlussfähigen Veränderungen hin zu einer Klimastabilisierung auszulösen.

Erfolgreicher Klimaschutz durch sozio-ökonomische Kippelemente

„Vom Energiesektor über die Finanzmärkte bis hin zu unseren Städten – wir haben gesellschaftliche Kippelemente und konkrete Kippinterventionen ausfindig gemacht, die eine schnelle Verbreitung von geeigneten Technologien, Verhaltensmustern und sozialen Normen auslösen könnten“, erklärt Leitautorin Ilona M. Otto, Soziologin am PIK.

Dabei seien Divestment und klimaneutrale Stromerzeugung die wichtigsten kurzfristigen Treiber, so das PIK. Wenn Finanzströme weg von Unternehmen der fossilen Industrien und hin zu nachhaltigen Investitionen umgelenkt werden, dann, so das PIK, könnte ein Kipppunkt an den Finanzmärkten erreicht werden. „Dies könnte einen positiven Dominoeffekt auslösen“, sagt der zweite Leitautor und Physiker Jonathan Donges der PIK-Arbeitsgruppe „FutureLab Earth Resilience in the Anthropocene“.

Gesellschaft muss Klimaschutznorm für Handeln anerkennen

Damit solche konkreten Aktionen auch wirklich wirksam sind, müsse es einen gesellschaftlichen Normen- und Wertewandel geben, der Klimaschutz dauerhaft stützt, stellt Johan Rockström, Direktor des PIK, klar. „Es sollte den Menschen einfach gemacht werden, einen klimaneutralen Lebensstil zu führen, um schnell auf dem Weg voranzukommen“.

Als aktuell wichtigstes Beispiel nennen die PIK-Autoren die „Fridays for Future“-Bewegung. „Während sich verändert, wie wir über den Klimawandel denken und wie wir handeln, eröffnen sich auch politische Pfade zur Dekarbonisierung“, sagt Ko-Autor Wolfgang Lucht. „Eine solche Dynamik kann zu Veränderungen in Politik und Gesetzgebung, zur notwendigen klimafreundlichen Transformation der Infrastruktur und zu einer Neuorientierung der individuellen Konsumentscheidungen und Lebensstile führen.“

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