Klimawandel: Mehr, schneller, stärker – der Mensch machts!
Der Weltklimarat IPCC hat den ersten Teil seines 6. Sachstandsberichts veröffentlicht. Auch wenn die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler traditionell keine Ratschläge an die Politik erteilen, so sendeten sie klare Botschaften aus: Der jetzt beobachtbare Klimawandel ist menschengemacht, er ist voll im Gange und die Handlungsspielräume sind zwar da, aber es gilt sehr schnell viel zu tun.

Foto: PantherMedia/2mmedia
Die im Laufe des Jahres durchgestochene Vorversion hatte es angedeutet: Der Weltklimarat, das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), mit Sitz in Genf stellt in seinem 6. Sachstandsbericht sehr klare und eindeutige Erkenntnisse zusammen (s. Kasten). Denn genau das macht dieses Gremium: Seit dem letzten Bericht 2013/14 wurden alle wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel zusammengetragen. Gestern hatte das IPCC den ersten Teil dieses sechsten Berichts, der die naturwissenschaftlichen Grundlagen zusammenträgt, veröffentlicht. Die sind so gut erforscht wie nie zuvor, und die Erkenntnisse sind eindeutig wie nie zuvor.
„Die jüngsten Klimaveränderungen sind weitverbreitet, schnell, verstärken sich und sind seit Jahrtausenden beispiellos. Es ist eindeutig, dass Aktivitäten des Menschen den Klimawandel verursachen“, heißt es in einer Veröffentlichung, die Veronika Eyring, Leiterin der Abteilung für Erdsystemmodell-Evaluierung und -Analyse am Institut für Physik der Atmosphäre des DLR in Oberpfaffenhofen, und Jochem Marotzke, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, vorstellten.
Der Klimawandel ist menschengemacht
Marotzke unterstrich in der Pressekonferenz der Bundesregierung, dass jegliche Unsicherheit darüber, ob der derzeit beobachtbare Klimawandel durch menschliches Wirken verursacht worden ist, inzwischen verschwunden ist. „Der Einfluss des Menschen hat das Klima in einer Geschwindigkeit erwärmt, die für die letzten 2000 Jahre beispiellos ist“, so das IPCC. Diese Erkenntnis sei „etabliert“, betonte Marotzke mehrfach im Rahmen eines Pressegesprächs mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) und Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU). Möglich gemacht hat das die immer genauer werdende Forschung weltweit, die die Arbeitsgruppe 1 (WG I) des IPCC binnen drei Jahren zusammengetragen hat. 234 Autorinnen und Autoren (28 % Frauen, 72 % Männer) haben hierfür 14 000 wissenschaftliche Veröffentlichungen begutachtet und bewertet.
Die Folgen des Klimawandels sind immer stärker zu spüren und werden auch in der Zukunft immer stärker zu spüren sein. „Extreme Klimaereignisse wie Hitzewellen, Starkregen und Dürren werden häufiger und intensiver werden. Der Klimawandel wirkt sich bereits jetzt auf alle Regionen der Erde in vielfältiger Weise aus. Die Veränderungen, die wir erleben, werden mit weiterer Erwärmung zunehmen“, heißt es auf den Vortragsslides von Eyring und Marotzke. Ohne eine sofortige, rasche und umfassende Reduktion der Treibhausgas-Emissionen werde eine Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 °C nicht einzuhalten sein.
Politik kann sich beim Klimawandel nicht rausreden
Wie schon bei den Vorberichten können sich die politisch Verantwortlichen nicht damit herausreden, ihnen wäre dieses Wissen vorenthalten geblieben. Denn das ist ja Ziel und Zweck des IPCC: den Verantwortlichen der IPCC-Mitgliedstaaten weltweit das globale Wissen zur Verfügung zu stellen. Die sehr wichtige „Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger“ haben die 195 IPCC-Mitgliedsländer einstimmig abgesegnet. Jetzt ist es an ihnen, die Konsequenzen zu ziehen. Dabei sind die Erkenntnisse in der Klimaforschung in den vergangenen Berichten des IPCC nicht unbedingt andere gewesen, aber die Gewissheit, mit der die Wissenschaft sie belegen kann, ist stetig gewachsen.
Die Motivationslage, mehr zu tun als bisher angekündigt, ist in der Politik offenbar unterschiedlich. „Der Planet schwebt in Lebensgefahr und mit ihm seine Bewohner“, sagte Schulze gestern. Es habe schon genug Weckrufe und Appelle gegeben, man wisse auch, wie der Treibhausgas-Ausstoß zu senken sei: „Mit einer raschen Abkehr von Kohle, Öl und Gas, mit dem Ausbau der Sonnen- und Windkraft und mit der Produktion von grünem Wasserstoff als klimafreundlichem Energieträger.“ Heute kündigten das Außenministerium des weltweit größten Treibhausgas-Emittenten, China, und die australische Regierung an, ihre Klimaschutzziele nicht zu überarbeiten, und verwiesen auf die bereits bestehenden Klimaschutzmaßnahmen. „Wir können nicht warten“, schrieb US-Präsident Joe Biden unterdessen auf Twitter.
Klimafolgen sind in Teilen nicht mehr in kurzen Zeiträumen umkehrbar
Der Meeresspiegel steigt rascher, Poleis und Gletscher schmelzen schneller. „Bei einigen Veränderungen im Klimasystem gibt es kein Zurück. Einige Veränderungen könnten jedoch durch eine Begrenzung der Erwärmung verlangsamt und andere gestoppt werden“, so das IPCC. So braucht zum Beispiel der Meeresspiegel einen sehr langen Zeitraum, um nicht mehr länger anzusteigen, selbst wenn der Anstieg massiver anthropogener Treibhausgas-Konzentration rasch gestoppt werden könnte.
Der Bericht skizziert auch zwei gravierende Kippelemente, bei einem weitgehend ungebremsten Anstieg der Treibhausgas-Emissionen. Das Potsdam-Institut für Klimafolgen-Forschung (PIK) hatte jüngst schon in einer neuen Studie vor einem Kollaps der Atlantischen Umwälzströmung (Amoc) gewarnt. Teil des Systems ist der Golfstrom – käme er zum Erliegen, würde sich das Klima in Europa stark ändern, es würde erheblich trockener werden. Und falls der antarktische Eisschild wirklich schmelzen würde, würde der Meeresspiegel bis zum Ende des 21. Jahrhundert um 2 m ansteigen.