Acatech-Offensive 27. Mrz 2020 Von Wolfgang Schmitz

Technik hilft aus der Krise

Wissenschaftler plädieren für radikale soziale Einschränkungen, verstärkte staatliche Hilfsmaßnahmen und den Einsatz neuer Technologien.

Künstliche Intelligenz kann dabei helfen, die Diagnose von Covid-19 mittels radiologischer Aufnahmen zu verbessern.
Foto: panthermedia.net / logoboom

Die Politik setzt in der Coronakrise vor allem auf allgemeine Einschränkungen des sozialen Lebens („Social Distancing“), um die Zahl der Neuansteckungen und damit die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Dieses Vorgehen ist auch ganz im Sinne von Acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften. Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung hätten höchste Priorität. „Gleichzeitig haben sie ökonomische Folgen“, mahnen die Forscher in einem Impulspapier. Wirtschaftliche Aktivitäten kämen „in einem nie dagewesenen Ausmaß zum Erliegen, nicht nur hierzulande, sondern zeitgleich in nahezu allen Volkswirtschaften“. Die Folgen seien kaum prognostizierbar. „Auf exakte Konjunkturprognosen kommt es im Moment aber auch nicht an: Viel wichtiger ist die Einsicht, dass wir eine Vollbremsung der Volkswirtschaft und lang anhaltenden Stillstand unbedingt vermeiden müssen – vor allem, um das Gesundheitssystem zu Höchstleistungen zu befähigen, das Teil unseres Wirtschaftssystems ist (,kommunizierende Röhren‘)“.

Diese bislang von der Politik getroffenen Stützungsmaßnahmen seien absolut notwendig, schreibt Acatech. Die Bundesregierung müsse die „Krisenwirtschaft“ organisatorisch eng begleiten und sollte die Entwicklungen in einem eigenen Krisen- und Expertenstab monitoren.

Rahmenbedingungen schaffen

Alternativlos sei zunächst das nahezu vollständige Herunterfahren physischer Sozialkontakte bei gleichzeitigen flächendeckenden immunologischen Tests – die nach Meinung der Acatech-Experten in einigen Wochen vorhanden sein könnten . „Da dies vielen Unternehmen und Haushalten die Lebensgrundlage entzieht, muss diese Strategie zwingend von wirtschaftspolitischen Überbrückungsmaßnahmen begleitet werden. Sie braucht aber auch einen Ausstieg, denn über einen langen Zeitraum lässt sie sich nicht durchhalten.“ Unternehmen brauchen laut Acatech geeignete Rahmenbedingungen, um ihre Aktivitäten rasch wieder hochfahren und in die Zukunft investieren zu können.

Acatech befürchtet bei zu geringer staatlicher Unterstützung eine Pleitewelle und einen Ausverkauf von Hightech-Start-ups ins Ausland. „Das würde dem Gesundheitssystem und der deutschen Volkswirtschaft insgesamt großen Schaden zufügen, da der Verlust von Talenten, Know-how, Innovationen und Transformationskraft kaum aufzuholen wäre.“ Besonders bitter wäre auch der Verlust von reiferen Hightech-Startups, die auf ihrem Wachstumspfad kurz davorstehen, richtig „abzuheben“. Die Bundesregierung sollte daher unbedingt die geplanten Maßnahmen zur Stärkung der Wachstumsfinanzierung in Deutschland zusätzlich mit in einen Schutzschirm aufnehmen.

Ein Strauß an Technologien

Neue Technologien könnten bei der Krisenbewältigung wichtige Dienste leisten. Künstliche Intelligenz käme bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen das Coronavirus Sars-CoV-2, bei der Entwicklung von Wirkstoffen gegen Covid-19 und zur Vorhersage der Verbreitung des Virus in der Bevölkerung zum Einsatz. Der chinesische IT-Konzern Alibaba teste ein Bilderkennungsverfahren zur Diagnose der Lungenkrankheit Covid-19, das auf Computertomografie (CT)-Aufnahmen der Lunge basiert. Die Software soll Ärztinnen und Ärzten als Entscheidungshilfe dienen und demnächst mehreren Hundert Institutionen zur Verfügung stehen. Das Münchner Start-up Smart Reporting stellt anlässlich der Coronakrise kostenlose Templates für Radiologen zur Verfügung, um CT-Aufnahmen der Lunge strukturieren, digitalisieren und analysieren zu können.

Selbstlernende Systeme auf KI-Basis könnten die Priorisierung medizinischer Hilfeleistung insbesondere bei hohem Patientenaufkommen unterstützen. Ein Anwendungsbeispiel der Charité Berlin und der Plattform Lernende Systeme zeige, dass diese Systeme die Patientenlenkung von der Ankunft im Krankenhaus bis zur Behandlung verbessern und das medizinische Fachpersonal schon frühzeitig bei der Behandlung unterstützen. Das Assistenzsystem werte Daten aus, die Patienten bereits im Wartebereich selbst erfassen – ergänzt um Befunde aus Voruntersuchungen. „Voraussetzung dafür sind hochqualitative Realdaten aus Datentöpfen wie der elektronischen Gesundheitsakte sowie Forschungs- und klinischen Plattformen, die auf einer vertrauenswürdigen digitalen Infrastruktur bereitstehen.“

Bewegung in Städten und Gemeinden

Die Deutsche Telekom hat mit Zustimmung des Bundesdatenschutzbeauftragten jüngst aggregierte, anonymisierte Mobilfunkdaten an das Robert Koch-Institut übermittelt, um in der Coronakrise das Mobilitätsverhalten der Bevölkerung modellieren und die Wirksamkeit öffentlicher Bewegungseinschränkungen und Kontaktverbote messen zu können. „Dies ist hilfreich, um die Bevölkerung vor Neuinfektionen zu schützen, das Gesundheitssystem vor Überlastung zu bewahren und die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen zu begrenzen.“

Auch in Städten und Gemeinden bewege sich einiges. Laut Acatech hat die Verwaltung des Kreises Soest jüngst einen selbstlernenden Bot live geschaltet, der helfen soll, die stark ansteigende Zahl von Bürgeranfragen effizient und vor allem genau, fehlerfrei und aktuell zu beantworten. „Der Einsatz der Technologie verschafft dem Personal Luft für derzeit dringlichere Aufgaben.“

Die Verwaltung der Stadt Hamburg setzt auf digitales Dokumentenmanagement, E-Rechnungen, nutzerfreundliche Websites und Kommunikationstools, E-Payment und eine hohe Social-Media-Präsenz. „Die digitale Verwaltung hilft dabei, Bürgerservices auch in Zeiten von Social Distancing aufrechtzuerhalten.“

Durch Vernetzung lernen

Für wesentlich hält Acatech, es nicht bei Insellösungen zu belassen. „Digitale Plattformen können Entscheidungsträgern helfen, sich zu vernetzen, auszutauschen und in der Krise voneinander zu lernen.“

In der Krise sehen die Wissenschaftler aber auch positive Aspekte. Unternehmen, Behörden, Forschungseinrichtungen, Schulen und Hochschulen müssten ihre Arbeitsabläufe teils völlig neu organisieren. „Während in vielen Fällen Improvisation das Gebot der Stunde ist, werden sich vielfach auch Gelegenheiten bieten, in Qualitätssprünge zu investieren – oder die technische Ausstattung für mobiles Arbeiten. Die Produktivitätsschübe, die diese Investitionen auslösen, entfalten über die Zeit der Krise hinaus positive Wirkung.“

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