Überprüfungswut trifft Mittelständler
Die CSR-Richtlinie soll die Transparenz von Großunternehmen erhöhen. KMU sind indirekt betroffen.

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Wie hältst du es mit Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen, wie mit den Menschenrechten und der Korruptionsbekämpfung? Ab dem Geschäftsjahr 2017 müssen sich große kapitalmarktorientierte Unternehmen, Kreditinstitute, Finanzdienstleister und Versicherer gesondert oder direkt im Lage- bzw. Konzernbericht zu diesen „nichtfinanziellen Aspekten“ äußern. Grund ist die CSR-Richtlinie, die nun in deutsches Recht umgesetzt wurde. Das Kürzel steht für „Corporate Social Responsibility“, auf Deutsch: soziale Verantwortung der Unternehmen.
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind zwar nicht betroffen, aber schon heute holen viele Großkonzerne diese Infos von ihren Zulieferern ein. Dazu nutzen sie häufig eine Software, die auch die Plausibilität prüft. „Die Systeme vergleichen zum Beispiel den Stromverbrauch mit den Daten aus dem Vorjahr. Wenn der Verbrauch stark gestiegen ist, wird nachgehakt“, erklärt Tom Bley vom Sicherheitsunternehmen UL EHS Sustainability.
Denn wenn inkorrekte Daten in den Geschäftsbericht kommen, wird es schnell peinlich. Bley erzählt von einem italienischen Energieunternehmen, das seinem Report zufolge jährlich 122 089 Mio. t CO2 ausstieß, was der vierfachen Menge der weltweiten CO2-Emissionen entsprochen hätte.
„Man kann davon ausgehen, dass NGOs falsches Verhalten anprangern werden“, sagt dazu Norman Weiß von msg industry advisors. „Die Unternehmen werden sich die Daten ihrer Zulieferer also sehr genau ansehen, um mögliche Risiken abzuwenden, und sich so gut wie möglich absichern.“ Bei den großen Automobilkonzernen würden z. B. Falschaussagen zu Vertragsstrafen, bzw. zur Auflösung des Kontrakts führen.
Kompliziert wird es für KMU, die sich noch nicht mit dem Thema beschäftigt haben. Wo die Daten beschaffen, wie bewerten, und welche Fragen soll man stellen? Hilfsmittel stellt unter anderem econsense zur Verfügung. Das Unternehmensnetzwerk hat auf seiner Webseite die Broschüre „Prozessschritte eines nachhaltigen Lieferkettenmanagements – praxisorientierter Leitfaden für Unternehmen mit Entscheidungsmatrix“ veröffentlicht. Praxistipps gibt es auch auf dem Portal . Um saubere Unternehmen vor Ort zu finden, rät econsense, bei Außenhandelskammern, NGOs wie der UN Global Compact oder bei Brancheninitiativen vor Ort nachzufragen.
Wo aber beginnen? Nils Giesen, Senior Consultant bei abat, rät, sich erst einmal die größten Baustellen und Probleme vorzunehmen: „Ob nun 25 Mobiltelefone von Firma A oder B angeschafft, oder monatlich 50 000 t Rohstoff aus nicht nachwachsenden Materialien beschafft werden, hat komplett andere Auswirkungen auf globaler Ebene.“
Der SAP-Dienstleister füllt schon länger elektronische Fragebögen aus, die auch ökologische und soziale Aspekte erfragen. Dabei müssen sie das Vorhandensein bestimmter Normen und Managementsysteme bestätigen sowie einzelne Kennzahlen preisgeben.
Und gute Taten? „Die sind nicht Kern der CSR-Richtlinie. Es geht nicht darum, was mit Gewinnen gemacht wird, sondern wie diese erzielt werden. Die Unternehmen sollen zeigen, wie ihre Wertschöpfungskette organisiert ist“, sagt dazu Nick Lin-Hi. Was empfiehlt der Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaft und Ethik an der Universität Vechta? „Dokumentieren Sie, wer Ihre Lieferanten sind, in welchen Ländern sie produzieren und nach welchen Standards sie arbeiten.“ Leider kann man nicht immer prüfen, ob die Lieferanten die Wahrheit sagen.
Von Audits allein hält der CSR-Experte daher wenig. Man weiß nie, ob es auch so aussieht, wenn der Auditor nicht da ist. Für ihn macht es mehr Sinn, Lieferanten vor Ort zu sensibilisieren und ihnen den Mehrwert von Arbeits- und Umweltstandards aufzuzeigen.
In Forschungsprojekten mit chinesischen Fabriken konnte er z. B. nachweisen, dass sich bessere Arbeitsbedingungen auf Produktivität und Qualität niederschlagen. Lin-Hi sieht zudem Verbände in der Pflicht, KMU bei der Umsetzung von CSR in Lieferketten zu unterstützen. cb